AW: Banditentum im Internet
Es ist für die Inkassokunden wie für die Inkassobetreiber eine ernste Angelegenheit, die Forderung auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Hier sind wir aber immer noch nach deutschem Recht in einer ganz nebligen Grauzone.
Es ist weder im Anwaltsrecht (BRAO) noch im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) irgendwo klar definiert, ob, und wenn ja: wie(?) Rechtsanwälte und Inkassobüros die Forderung eines Mandanten auf Rechtmäßigkeit prüfen müssen.
Selbst dann, wenn der "Schuldner" bei einer verjährten Forderung die Verjährungseinrede erhebt, ist es dem Anwalt oder dem Inkassobüro per Gesetz nicht verboten, trotzdem weiter zu mahnen - auch, wenn eine gerichtliche Durchsetzung selbstverständlich überhaupt nicht beabsichtigt wird.
Es gibt keinerlei verbindlichen Verhaltenskodex für den Forderungseinzug in Deutschland.
Wie oft darf gemahnt werden - auch nach Widerspruch? Nirgends steht es.
Und da es nirgends steht, machen sie es gerade so, wie sie es brauchen.
Selbst bei ganz offenkundigen Betrugshandlungen sind Anwälte oder Inkassobüros in der Vergangenheit immer wieder davongekommen, indem sie die Kenntnis der Betrugshandlung mit kreativem Nichtwissen einfach bestritten haben.
In diesem Zusammenhang sei noch einmal an das schon oft zitierte Beispiel des hessischen Inkasso"dienstleisters" erinnert, der angeblich anonym im Internet per e-Mail(!) einen Inkassoauftrag (wie funktioniert eigentlich eine wirksame Bevollmächtigung "per e-Mail"...?
) eines nicht existierenden russischen "Mandanten" angenommen haben will. Die Gelder wurden nach Zypern überwiesen. Trotz dieser in jeder Hinsicht dubiosen Umstände konnte sich auch hier der "Dienstleister" mit der in dieser Branche überall üblichen Ausrede des "kreativen Nichtwissens" vor der Anklage retten. Er habe ja "im guten Glauben" an die Rechtmäßigkeit gehandelt.
So absurd diese Ausreden immer wieder sind: in Deutschland kommt man damit als wirtschaftskrimineller Anwalt oder Inkassodienstleister leider immer wieder durch. Das betreffende Inkassobüro in Hessen treibt auch heute noch sein Unwesen, und das Theater geht nun bereits jahrelang so. Das ist wirklich eine Wildwestsituation, und die deutsche Justiz ist ein Esel mit Sherrifstern, der gemütlich strohmampfend an der Krippe vor dem Saloon steht, in dem gerade die wilde Schießerei abgeht.
Who cares...?
Aber dann wundert man sich, wieso extremistische Parteien in Deutschland immer mehr Zulauf bekommen. Und erst dann, wenn irgendwann einmal die Wut überkocht und Steine durch Fensterscheiben von Anwaltskanzleien oder Inkassobüros fliegen (in Frankreich wäre das längst der Fall...),
dann hebt ein großes Geschrei an.
Vorher wird aber jede Änderung an der absurden Rechtslage mit allen Mitteln verhindert. Und zwar von derselben Klientel, die davon auch jetzt profitiert. Diejenigen, die diese absurden Gesetze entwerfen und beschließen, sind schließlich fast durch die Bank ebenfalls Juristen. Und die mögen es gar nicht, wenn ihrer eigenen Klientel die Rechte auch nur um ein Semikolon beschnitten werden. Dann fängt gleich das Lamentieren über die "Gängelung des freien Marktes" und über die angebliche "Überregulierung" an.
Diejenigen Leute, die sich jetzt über die Rufschädigung ihres eigenen Berufsstandes beschweren, sind doch dieselben, die sich jahrzehntelang gegen eine vernünftige Regulierung des Forderungseinzugs in Deutschland vehement gesträubt haben. Die haben überhaupt keinen Grund, sich wegen irgend etwas zu mokieren.
Überall sonst in Europa gibt es verbindliche und mit empfindlichen Sanktionen unterfütterte Verhaltensrichtlinien für den Forderungseinzug. Nur in Deutschland herrscht der Wilde Westen, und das ist politisch so gewollt.
Der Leiter des Referats Anwaltsrecht und Rechtsdienstleistungen im Bundesjustizministerium ist auch heute noch der festen Überzeugung, dass die Rechtslage in Deutschland suffizient sei.