AW: Banditentum im Internet
Deren Problem ist, dass sie nie über den Tellerrand gucken. Und sich z.B. mal fragen, wieso es das Problem "Nutzlosabzocke" im Ausland so gar nicht gibt. Und wie das Inkassorecht im Ausland aussieht.
Ein anderes Problem ist, dass wir in Deutschland hier die Kontrolle über den fairen Wettbewerb sogenannten "N.G.O.s", also nichtstaatlichen Organisationen überlassen.
Fast überall im Ausland gibt es staatliche Kommissionen oder Büros, die den fairen Markt überwachen, und die Exekutivvollmachten besitzen und diese auch ausüben.
In den USA gibt es die F.T.C. (Federal Trade Commission).
Wie groß der Einfluss der F.T.C. sein kann, zeigt unter anderem das Beispiel, wie die Behörde immerhin den großen Kaufhauskonzern Sears zu einem Vergleich zwingen konnte. Um höhere Sanktionen zu vermeiden, musste sich Sears bereits außergerichtlich bereiterklären, ein Computerprogramm zur Ausspähung des Kundenverhaltens und zur Sammlung persönlicher Daten nicht mehr zu verbreiten und die gesamte Aktion einzustampfen.
http://www.ftc.gov/os/caselist/0823099/090604searsagreement.pdf
Wenn die F.T.C. schon mit Sears klarkommt, dann würden die mit Herrn B. oder mit den S-Brüdern erst recht fertig.
Im übrigen: in den USA sitzen Mail-Spammer wirklich im Knast, wenn sie es zu bunt treiben wie z.B.
Alan Ralsky. In Deutschland habe ich noch nie einen Spammer im Knast gesehen.
Auch in Frankreich gibt es eine Wettbewerbsbehörde, die DGCCRF ("Direction générale de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes"). Die gibt es noch nicht allzu lange, aber auch in Frankreich hat man eingesehen, dass man mit der "freien Kontrolle des freien Marktes" so nicht mehr weiterkommt. Frankreich hat unter anderem auch ein strenges Verbraucherrecht eingeführt und einige einschneidende Dinge im bürgerlichen Recht ("code civile") eindeutig geregelt.
In Art. L 120-1 des französischen Verbrauchergesetzbuches - Neufassung 2008 - wurde der Grundsatz verankert, dass täuschende Geschäftpraktiken grundsätzlich untersagt sind. Eine solche Täuschung liegt nach französischem Recht vor, wenn die Person, für deren Rechnung gehandelt wird, nicht klar zu identifizieren ist (z.B. eine Briefkastenfirma! ), oder wenn wesentliche Informationen verschwiegen werden (Art der Leistung, Adresse des Leistenden(!), Preis, Zahlungsweise, Widerrufsrecht etc.). Hier hat die französische Wettbewerbsbehörde bzw. auch die Justiz vielfältige Handhaben, um gegen betrügerische Betreiber von Webseiten vorzugehen. In Frankreich können unlautere Geschäftspraktiken gegen Verbraucher viel eher strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, als dies im deutschen Recht der Fall ist.
In England gibt es das OFT ("Office of Fair Trading"), auch das ist ein staatliches Büro, das Ordnungsgelder verhängen kann und das auch tut. Und zwar in empfindlicher Höhe, bis hin zu Millionen britischer Pfund.
Österreich hat seit 2002 eine "Bundeswettbewerbsbehörde" (BWB).
In Deutschland gibt es dagegen keine staatliche Organisation, die die Einhaltung des Wettbewerbsrechts beaufsichtigt, abgesehen vom Bundeskartellamt, welches aber nur im Hinblick auf das Kartellrecht Kompetenzen hat, sich jedoch nicht z.B. um die Einhaltung von Preisklarheit und Preiswahrheit zu kümmern hat.
Es gibt lediglich die "Wettbewerbszentrale" als Zusammenschluss freier Marktteilnehmer. Diese nichtstaatliche Organisation kann im Rahmen des Klageverfahrens nach UWG/UKlaG ihr möglichstes versuchen, um den fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Das Klageverfahren ist jedoch aufwändig und zeitintensiv. Bis die Verfahren durchgeklagt sind, haben die Abzocker längst die Gewinne eingefahren und ins Ausland transferiert. Zudem hat die WBZ keine Exekutivvollmachten. Sie kann, weil sie eben keine Behörde ist, auch keine Ordnungsgelder verhängen, wie die Behörden im Ausland. Sie kann nur klagen.
Auch die Verbraucherzentralen sind "klagebefugt" nach § 13 UKlaG, ähnlich wie die WBZ. Die tun das auch - aber mit welchem Resultat?
Die erwirkten Urteile nach UWG sind schließlich in aller Regel nur Unterlassungsurteile, das bedeutet, die Beklagten werden dazu unter Androhung eines (sowieso vergleichsweise mageren...) Ordnungsgeldes verurteilt, es
künftig zu unterlassen, weiterhin die wettbewerbswidrige Handlung durchzuführen.
Nichts leichter als das. :scherzkeks:
Die verurteilten Kasperbuden werden im Nullkommanichts eingestampft, melden Insolvenz an und zahlen dann vielleicht nicht einmal die Prozesskosten. Und zwei Wochen später wird der nächste Penner am Domplatz aufgegabelt, dem gibt man ein paar Tausend Euro für seine Dienste als Strohmann, dann fährt man mal eben schnell mit ihm zum Amt und eröffnet die nächste Kasperbude. Und weiter geht es wie gehabt. Mit denselben Webseiten, Preishinweis in 8-pt-Schrift auf mittelgrauem Untergrund. Natürlich alles kein Vorsatz. Neeeeeeiiiin... Denn in einem freien Markt am freien, globalen Wirtschaftsstandort Deutschland darf man ja solche kreativen Unternehmen, die neue Geschäftsmodelle im aufstrebenden Segment des Internets entwickeln, nicht gängeln und behindern. Das schafft ja schließlich Arbeitsplätze - zumindest bei Ferrari und auf den südamerikanischen Kokainplantagen. Das braucht unsere Volkswirtschaft.
Solange man in der Presse, im TV, in den Printmedien und überall stereotyp dieses Engramm von der angeblich überall dringend nötigen "Liberalisierung des Marktes" vorbetet, und solange die Verbraucherzentralen sich nicht dagegen stellen und z.T. auch noch das
6-Wochen-Märchen der Banken nachbeten, wird sich nichts ändern.
Man soll endlich damit mit dem stereotypen Gejammer einer angeblichen Gängelung des deutschen Marktes aufhören. Gerade das angloamerikanische Ausland ist bezüglich des Verbraucher- und Wettbewerbsrechts in manchen Bereichen um einiges strenger, und bei weitem nicht so "liberal", wie uns das hier immer als leuchtendes Vorbild vorgebetet wird.