AW: Banditentum im Internet
Dann sind die Gesetze in diesem Bereich lebensfremd.
Zum Teil vielleicht, eher ist aber deren Auslegung lebensfremd.
Wenn ich bei Rot über die Ampel fahre, gilt das Faktische. Es spielt keine Rolle, dass mir niemand Absicht nachweisen kann.
Wenn Du bei Rot über die Ampel gehst, ist das eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat. Für die OWI ist es völlig unerheblich, ob Du sie fahrlässig oder in voller Absicht begehst. Spielt auch für die Bemessung des Ordnungsgelds keine Rolle - solange Du niemanden dabei gefährdest (dann kommst Du aber in den Bereich des Strafrechts).
Die unscheinbare Formatierung von Minipreisinformationen in abgelegenen Regionen des Bildschirms erfolgt niemals ohne Absicht. Soviel "hilfreicher Zufall" ist statistisch nicht erklärbar.
Wenn zu einem Straftatbestand der Vorsatz gehört, dann muss dieser Vorsatz beweisbar und "zwingend" festgestellt sein - das heißt, es darf keine andere Deutung zulässig sein.
Zum "Betrug" gehört zwingend der Vorsatz. Obwohl wir alle wissen, dass ein Verstecken der Preisinformation (unten am Bildschirmrand, 8pt-Font, hellblau auf marineblau) nach aller Erfahrung nicht ohne Absicht passiert sein kann, tun sich die Strafrechtler schwer, hieraus den Vorsatz herzuleiten, ohne andere Erklärungsmöglichkeiten zuzulassen.
Es gibt im Strafrecht nicht den "Beweis des ersten Anscheins", so wie im Zivilrecht.
Es stellt sich aber die Frage, ob hier nicht "überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt werden".
hrr-strafrecht.de - BGH 1 StR 478/04 - 11. Januar 2005 (LG Bayreuth) [ = HRRS 2005 Nr. 265 = NJW 2005, 1727; NStZ-RR 2005, 147 ]
Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind.
Wenn eine bestimmte Erklärungsvariante "lebensfremd" ist, dann ist es nicht geboten, dass diese Variante unter dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu Gunsten des Angeklagten unterstellt wird.
Mit Fug und Recht Ein Taxifahrer bemerkte in der Nacht eine Person am Straßenrand, di... Kanzlei Blechschmidt & Kümmerle - Ihr gutes Recht im Internet
Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden.
Es handelt sich also um Fragen der Beweiswürdigung.
"Lebensfremd" ist es, anzunehmen, dass eine Preisangabe im Fließtext, in 8pt-Schrift, hellblau auf marineblauem Untergrund, nur nach Scrollen sichtbar, ohne eine bewusste Täuschungsabsicht in dieser Form gestaltet worden sein könnte.
Unter dieser lebensfremden Annahme drücken sich die Staatsanwälte jedoch um die aufwändigen Ermittlungsverfahren herum.
Man hat auch nicht zufällig einen Mahndrohkasper mit Anwaltsdiplom an der Hand, der niemals über die Begründetheit der Forderung streiten, sondern nur mit erpresserischen und nötigenden Hammerdrohungen reine Angst erzeugen will.
Es ist richtig, dass in den Fällen unseriöser Inkasso-Beitreibungen der jetzt schon mögliche Rahmen des Strafrechts nicht ausgeschöpft wird.
Es ist mindestens eine Nötigung, eher eine gewerbsmäßige Erpessung (weil es hier um die Erlangung eines Vermögensvorteils geht), wenn eine Person, die rechtlich geschult ist und sich über die Bedeutung der gewählten Formulierungen im klaren sein muss, gegenüber rechtsunkundigen Personen Drohungen mit völlig unverhältnismäßigen Maßnahmen äußert. Dabei ist es unerheblich, dass die Drohungen beim jeweiligen Verfahrensstand gar nicht wahrzumachen sind. Rechtsunkundige Personen können dies nicht beurteilen und lassen sich dadurch z.T. zu Zahlungen eigentlich unhaltbarer Forderungen nötigen.
Die Rücksichten, die von den Staatsanwälten gegenüber diesen Inkassobüros und Anwälten genommen werden, sind nicht nur mir absolut unverständlich, und diese "kreativen Freiheiten" gibt es europaweit wohl auch nur in Deutschland in dieser Form.