Mal was von mir, aber nicht meins...
Die Linde
(eine ostdeutsche Ballade)
Es war im 5. Jahr nach unserer Wende,
da war in meinem Garten uns’re alte Linde am Ende.
Kein Blatt im Geäst, furztrocken und krumm,
also dacht ich, am Sonnabend, da hauste sie um.
Das machste ganz locker auf kurzem Wege
mit ’ner Black und Decker, einer ganz neuen Säge.
Ich denk noch, ruck-zuck, dann ist sie vergessen,
da sagt doch mein Nachbar, ein Beamter aus Hessen:
„Für das, was de vorhast, ich sag’s dir nur, gelle,
da musste laut Vorschrift en Antrag stelle.
Der wird dann geprüft mit Gebühr, also Geld,
und wenn du keins hast, wird der Baum nicht gefällt!“
Na gut, dacht ich, für das bisschen Krempel
gehste am Montag früh los und holst dir den Stempel.
Ich ging zur Stadtverwaltung, da stand an der Türe:
„Anträge: Montags von Dreie bis Viere.
Abgabe: Mittwochs von Achte bis Neune,
aber nur für das Fällen der Nadelbäume.“
Ich hab dann am Dienstag, was soll ich Euch sagen,
dem Beamten dort mein Problem vorgetragen.
Bat ihn um Erlaubnis von Amtes wegen,
die tote Linde im Garten umzusägen.
Da sagt der zu mir: „Was sie sich da dachten,
zum Antrag gehört noch ein Wertgutachten.
Ein Formblatt natürlich, beglaubigt von einer Kanzlei
und wenn sie das wollen, ich helf’ ihnen dabei.
Ich kenne drei Notare, alle aus Kassel,
Dr. Rafke, Herr Klau und von Kettenrassel.
Macht 500 Mark, ist nicht einmal teuer,
aber cash auf die Hand, vorbei an der Steuer.“
Und so kam der Oktober, es pfiffen die Winde,
und noch immer stand sie da, die trockene Linde.
Mensch, war ich sauer, wollte rumtoben,
aber dann habe ich rechtlichen Einspruch erhoben.
Ich nahm mir ’nen Anwalt, der ging mir zu Hand,
er war der Jurist und ich sein Mandant.
Dann haben wir tatsächlich den Rechtsstaat verklagt,
das hätte vor 12 Jahren hier keiner gewagt.
Da hat auch niemand ’nen Antrag gestellt,
man nahm die Axt und dann wurde gefällt.
Ganz ohne Erlaubnis, bei Wind und bei Wetter,
früh waren’s noch Bäume und abends schon Bretter.
Der Winter war da, die Zeit ging ins Land,
da bekam ich Post vom Grundbuchamt.
Ein Freiherr von und zu aus der Stadt Peine,
behauptet da drin, meine Linde wär’ seine,
weil die Vorfahren von ihm mit Pfeil und Bogen
an ihr vorbei in Richtung Osten gezogen,
um dann beim Rückzug aus fernen Winkeln,
einmal an meinen Baum zu pinkeln.
Und daraus ihm ein Recht erwächst,
gemäß Absatz 10 nach folgendem Text:
Wo einst die Ahnen standen mit Schwert und Loden,
hat der Deutsche einen Anspruch auf Grund und Boden.
Genau nach ’nem Jahr, fast war’s dann soweit,
ich bekam zum Fällen den Vorentscheid.
Erst mal vorab, so gab man mir kund,
wegen ausstehender Prüfung vom Naturschutzbund.
Die ham’ dann geprüft und stellten fest,
im Geäst meiner Linde baut ’ne Schnepfe ihr Nest.
Aber nicht irgend eine, es war ’ne grün-rote,
und das war natürlich die vom Aussterben bedrohte.
Mit acht Wochen Brutzeit, so stand in dem Schreiben,
deshalb muss der Baum noch stehen bleiben.
Wenn dann im Herbst zieht der Vogel nach Süden,
kommen ’se her mit dem Antrag, dann wird er entschieden.
Da bin ich entnervt nach Hause gekrochen,
für mich war die Welt hier zusammengebrochen.
Verwaltung ist alles, sie kostet Millionen,
wo sind sie denn hin, des Kanzlers Visionen:
Aufschwung, blühende Gärten im Osten! Von wegen,
wenn du schon zwei Jahre brauchst, ’nen Baum umzusägen.
Eines Tages wurde es selbst meiner Linde zu dumm,
obwohl sie’s nicht durfte, sie fiel einfach um.
Im Jahre 8 nach unserer Wende
waren 3 Jahre Drama um die Linde zu Ende.
So dacht ich bis gestern, doch es trügte der Schein,
da holte mich wieder der Amtsschimmel ein.
Jetzt bekam ich per Post, nun gebt mal acht,
meinen Antrag zum Fällen der Linde gebracht.
Man stimmte ihm zu, im Großen und Ganzen
mit der Auflage aber, vier neue zu pflanzen
nach der Baumschutzsatzung, Abschnitt 5 und Paragraph 3,
wonach dann – wie folgt – zu verfahren sei:
Willst Bürger du, ’nen Baum pflanzen und eingraben,
musst du vom Ordnungsamt einen Schachtschein haben.
Dann beginnt von vorne das gleiche Spiel:
...Antrag schreiben, einreichen, prüfen, eh’ du kommst ans Ziel.
Inzwischen sind nun meine Haare grau,
drum Schluss jetzt damit, meine Freunde – und Helau!
Pöt aehm Poet unbekannt.... aber schön