Sehr geehrter Herr Heyl,
Sie halten es laut Ihrem Kommentar 'Und seien es auch "Trojaner" . . .' im HA vom 8.09.2007 für unverantwortlich, dass sich die deutschen Innenminister nicht darauf verständigen konnten, ein Gesetz für die so genannten Online-Durchsuchungen zu machen. Wer einen Sachverhalt kommentiert, seine Sicht in die Öffentlichkeit trägt, der sollte sich mit diesem Sachverhalt zuvor sorgfältig auseinander gesetzt haben und nicht ungeprüft nachplappern, was als ziemlich unausgegorene Idee in den Köpfen Dritter entstanden ist. Auch wenn Sie es vielleicht für unverschämt halten, so bezweifle ich doch, dass Sie dieser Notwendigkeit ausreichend entsprochen haben.
Sie schreiben völlig richtig, dass es in unserem Rechtssystem erforderlich ist, für jede Einschränkung bürgerlicher Freiheiten ein Gesetz zu machen. Nun glaube ich nicht, dass Sie allein deshalb jede Maßnahme gut heißen würden, nur weil Politiker sie in einem Gesetz festschreiben. Oder würden Sie ein Gesetzesvorhaben, nach dem jeder Raum - auch in privaten Wohnungen - mit Kameras überwacht werden soll, mit den gleichen Worten kommentieren, wie Sie dies bei den so genannten Online-Durchsuchungen gemacht haben? Wohl kaum! Ein solches Gesetz wäre ja unter keinen Umständen verfassungskonform. Das Gleiche wird m. E. jedem Gesetz attestiert werden, das den heimlichen Zugriff des Staates auf private PC gewähren soll.Es wäre nicht das erste Gesetz, dass vom BVerfG kassiert wird.Nur scheint es im Raumschiff Berlin keinen Politiker zu interessieren, was das über deren Rechtsstaatsverständnis aussagt.
Ein Gesetz muss aber nicht nur verfassungskonform, sondern auch sinnvoll sein und sich anwenden lassen. Eine Regelung zur sogenannten Online-Durchsuchung wird daran scheitern. Die sogenannten Online-Durchsuchung ist schlicht ein Hoax, ein Schwindel.
Aber tun wir einmal kurz so, als würde die sogn. Online-Durchsuchung funktionieren und ein Schutz dagegen wäre praktisch unmöglich. Dann gilt dies selbstverständlich auch für die Computer der Bundesregierung, der 16 Landesregierungen und jeder Behörde oder Firma hier und anderswo. Alle Computer weltweit wären offen und geschwätzig, Betriebs- und Staatsgeheimnisse würden der Vergangenheit angehören und Sie und Ihre Kollegen würden sich die für die tägliche politische Berichterstattung nötigen Informationen direkt vom PC der Bundeskanzlerin beschaffen. Eine Utopie, na klar! Wenn es aber ganz im Gegenteil Regierungen und Behörden gelingt sich zu schützen, so ist das auch jedem anderen möglich. Wenn Sie ein wenig darüber nachdenken, werden Sie mir vermutlich zustimmen. Allenfalls die nötigen Investitionssummen könnten im Privatbereich ein Hindernis sein. Nun kostet der Schutz aber sehr wenig, oder sogar fast gar nichts, so dass diese Einschränkung eher theoretischer Natur ist.
Angeblich soll der "Bundestrojaner" über E-Mail-Anhänge, manipulierte Webseiten oder Datenträger auf die PC von Verdächtigen übertragen und installiert werden. Diess Überlegung muss von Leuten stammen, die wirklich völlig ahnungslos sind. Schließlich empfiehlt nicht nur das BSI seit Jahren, dass man niemals Anhänge in Mails von Unbekannten öffnen soll. Sie können sicher sein: jemand, der terroristische Anschläge plant, wird diesen Rat noch eher beherzigen, als jeder andere Mail-Benutzer auf der Welt.
Die ebenfalls geäußerte Idee, solche Mails im Namen relativ harmloser Behörden oder Institutionen zu versenden, ist ebenso wirkungslos wie dumm. Wirkungslos, weil keine Behörde je von einem Terroristen eine Mail-Adresse erhalten wird. Der Betreffende wird also sofort wissen, dass es sich beim Eingang einer solchen Mail eben nicht um ein harmloses Schreiben handelt. Ich habe noch nie einer Behörde, einer Bank oder Versicherung eine Mail-Adresse von mir mitgeteilt und werde es auch nie tun. Das macht die tägliche spam-Entsorgung auch wunderbar einfach. Warum sollte ein Terrorist dümmer sein als ich? - Ein Virenscanner erkennt übrigens problemlos ausführbare Dateien im Mail-Anhang und verhindert deren Öffnung. Mein Mailserver lässt Mails mit ausführbaren Anhängen nicht einmal bis zum Empfänger durch.
Die Idee ist aber auch dumm, weil damit das Thema E-Government erledigt ist, bevor es richtig funktioniert. Hamburg, wie man im HA lesen konnte ja führend auf diesem Gebiet, verschleudert also Millionen in Web-Services, die intelligente Menschen künftig besser meiden. Webseiten von Behörden besuche ich bis heute übrigens nicht. Künftig läßt sich solche Abstinenz auch wunderbar begründen, ohne gleich als Technikfeind zu gelten. Soviel zu dem von Ihnen im Kommentar beschworenen Vertrauen als Basis unseres Rechtsstaates. Man kann sich bei Minister Schäuble, Herrn Zierke und einigen anderen bedanken, dieses Vertrauen bereits jetzt nachhaltig beschädigt zu haben.
Wenn der Bundestrojaner via manipulierter Webseiten verbreitet wird, wie in der Abbildung zum Bericht im HA vom 8.09.2007 auf Seite 4 behauptet, dann würde letztlich jeder ungeschützte PC infiziert, mit dem man diese Seiten aufruft. Der Verbreitungsweg ist aber völlig unspezifisch und eben nicht auf Terroristen beschränkt. Damit würde der sogn. Bundestrojaner zu einem Schädling von vielen. Er würde ziemlich sicher entdeckt und die Hersteller von Abwehrsoftware werden ihn dann auch so behandeln.
Und stellen Sie sich einmal vor, die PC von Bürgern anderer Staaten oder gar deren Regierungsmitglieder würden durch den Besuch einer solchen Webseite mit dem Bundestrojaner infiziert und man könnte als Urheber das BKA identifizieren. Internationale Verwicklungen wären die Folge. Terroristen fängt man so sicher nicht.
Der Präsident des BKA, erwähnt, wann immer es um die sogn. Online-Durchsuchungen geht, den Schutz eines Kernbereichs der Privatsphäre, der mit Schlüsselwortlisten des Trojanes erreicht werden soll. Das ist nicht nur technisch Blödsinn, sondern auch überaus verräterisch. Setzt er sich doch dem Verdacht aus, der Einsatz der sogn. Online-Durchsuchung könnte eine ähnliche Inflation erleben, wie die Telefonüberwachung in Deutschland und zielte auf uns alle. Wir sind halt nicht nur beim Export Weltmeister. Der BKA-Präsident scheint aber auch genau zu wissen, in welcher Sprache sich Terroristen Notizen machen und untereinander kommunizieren. Und welchen Code sie dabei ggf. benutzen. Ein Kuchen zum Muttertag kann ja gut und gern eine Bombe beim Oktoberfest bedeuten. Andererseits kann das BKA wohl nicht jede Wohnung stürmen, in der eine Hausfrau Rezepte auf dem PC sammelt.
Wäre ich Terrorist, so würde ich selbstverständlich einen PC betreiben, den ich von CD oder DVD starte. So, wie es z. B. mit dem viel beachteten und gern genutzten, kostenlosen Knoppix möglich ist. Windows, das meist angegriffene Betriebssystem der Welt, käme für mich sowieso nicht in Frage. Dieser PC hätte nun überhaupt keine Festplatten eingebaut, die BKA oder andere Behörden ausschnüffeln könnten oder auf denen sich Software installieren liesse. Ich würde mich natürlich über einen ISP im Nicht-EU-Ausland in das Internet einwählen. Sodann würde ich eine verschlüsselte Verbindung, ein VPN (= Virtual Private Network), zu einem Server im Nicht-EU-Ausland aufbauen. In der naiven Vorstellungswelt unserer Politiker steht so ein Server natürlich in einem arabischen Land. Keine Behörde der Welt, weder das BKA noch das CIA könnte die Kommunikation belauschen oder meinen PC sabotieren.
Die Trojaner-Bastler im Staatsauftrag haben daher verloren, bevor sie überhaupt leidlich einsatzbereit sind. Sie haben lediglich der Schraube des Wettlaufs zwischen Terroristen und Fahndern eine weitere Drehung verpaßt. Ihnen blieben nur die vergleichsweise harmlosen Ganoven und alle unbescholtenen Bundesbürger als potentielles Target eines Trojaner-Angriffs. Und dafür will man, wollen Sie einen Verfassungsverstoss riskieren? Für einen Hoax, einen Schwindel, der von Laien wie den Innenministern und dem BKA Präsidenten verbreitet wird? Das Einzige, wozu dieser Schwindel eigentlich nur taugt, ist, davon abzulenken, dass man das BKA zu einem Geheimdienst umbauen will. Streicht man das, was nicht funktioniert, aus dem Gesetzesentwurf heraus, - also die sogn. Online-Durchsuchung - so bleibt ein Umbau des BKA, der uns eines Tages gewiß sauer aufstossen wird.
Ich erlaube mir noch Sie auf den Kommentar Ihres Kollegen Heribert Prantl aufmerksam zu machen, der in der NZZ davon schreibt, dass sich der Rechtsstaat, unter dem Vorwand, sich schützen zu wollen, dem Monstrum Terrorismus zum Frass vorwirft. Online ist diese Feststellung übrigens unter
http://www.nzzfolio.ch/www/21b625ad...cle/e96315c4-0cba-4db3-b9f4-c68d4d13f1e9.aspx nachzulesen. Ihr ist nichts hinzuzufügen.
Nehmen Sie es mir nicht übel, aber was Heribert Prantl schreibt, hat m. E. deutlich mehr Klasse als Ihr Kommentar, den ich, wie eingangs erwähnt, Ihrer weitgehenden Unkenntnis und der unvollständigen Auseinandersetzung mit der Problematik zuschreibe.
Mit freundlichem Gruß