Widerspruchsbegründung
An das
Amtsgericht Hünfeld
Am Anger 4
36088 Hünfeld
Vorab per Telefax: 06652/600-222
Az. 03-7541252-0-8 Abschriften anbei
Widerspruchsbegründung: In Sachen
Intrum Justititia Inkasso GmbH ./. KatzenHai
haben wir gegen den am 02.09.2003 zugestellten Mahnbescheid über eine angeblich abgetretene, behauptete Forderung von € 55,00 namens und in Vollmacht des Beklagten am 04.09.2003 Widerspruch eingelegt.
Wir bestellen uns hiermit zu Prozessbevollmächtigten des Beklagten und beantragen,
1. das Mahnverfahren in das streitige Verfahren vor dem Amtsgericht Bergisch Gladbach überzuleiten.
Für das weitere Verfahren nach der Überleitung beantragen wir weiterhin,
2. die Klage als unzulässig zurück zu weisen, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;
3. im Fall, dass die Klägerin nicht innerhalb der Frist des § 697 Abs. 1 ZPO den Anspruch schlüssig begründet, unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen;
4. das Urteil in Bezug auf die Kosten – notfalls gegen Sicherheitsleistung – für vorläufig vollstreckbar zu erklären;
5. gem. § 330 ZPO gegen die Klägerseite das Versäumnisurteil zu erlassen, falls diese nicht in der mündlichen Verhandlung erscheint;
6. für den Fall, dass das Urteil für die Beklagtenseite einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, Vollstreckungsklausel zu erteilen;
7. gem. § 213 a ZPO den Zeitpunkt der Zustellung an die Klägerin zu bescheinigen.
Begründung
I. Zur Unzulässigkeit der Klage
Die Klage ist unzulässig. Die Klägerin ist nicht Inhaberin der behaupteten Forderung.
1. Wie dem Mahnbescheid zu entnehmen ist, behauptet die Klägerin, am 20.08.2003 durch Abtretung Inhaberin der Forderung geworden zu sein. Dies wird bestritten. Weder die Klägerin noch die bisherige (behauptete) Forderungsinhaberin, die Fa. Talkline GmbH & Co. KG, haben diese Abtretung dem Beklagten gegenüber angezeigt. Insbesondere ist die nach §§ 409, 410 BGB notwendige Vorlage einer Originalabtretungsurkunde als zwingende Voraussetzung der Aktivlegitimation (vgl. OLG Köln, Urt. v. 20.09.1999 – Az. 16 U 25/99) nicht erfolgt. Die Aktivlegitimation wird daher ausdrücklich bestritten.
2. Dies gilt umso mehr, als dass die Abtretung (hilfsweise) nichtig wäre. Sie verstieße gegen das Fernmeldegeheimnis (§ 85 TKG, §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 S. 3 TDSV, § 206 Abs. 1 StGB) und wäre somit nach § 134 BGB nichtig.
§ 85 Abs. 3 TKG in Verbindung mit § 3 TDSV stellt die Weitergabe von Abrechnungsdaten durch die angebliche Zedentin (Talkline) unter ein grundsätzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, strafbewehrt nach § 206 Abs. 1 StGB. Die Weitergabe darf nur im Rahmen des § 7 Abs. 1 TDSV erfolgen, wenn
· ein Abtretungsvertrag geschlossen wurde (bestritten), und
· die Klägerin durch die angebliche Zedentin zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses vertraglich verpflichtet wurde (bestritten), und
· die Datenübermittlung zum Einzug des Entgelts erforderlich war (bestritten).
Die letzte Voraussetzung liegt nicht vor, da – wie jetziger Mahnantrag zeigt – die Einschaltung eines Rechtsanwaltsbüros zum Einzug der Forderung stattgefunden hat. Eines Inkassobüros hätte es also aus Sicht der angeblichen Zedentin (Talkline) nicht bedurft, da diese sich ohne Weiteres sofort rechtsanwaltlicher Hilfe hätte bedienen können. Nach der ernsthaften und endgültigen Verweigerung des Beklagten, der sofort nach Erhalt der Rechnung dem Anspruch widersprach und hilfsweise wegen arglistiger Täuschung die Anfechtung erklärt hat (wird ausgeführt), musste die angebliche Zedentin (Talkline) kein Inkassobüro einschalten, zumal auch vor dem Hintergrund des Fernmeldegeheimnisses durch die eigene Verschwiegenheitsverpflichtung eines Rechtsanwalts dieser Weg geboten war.
Die Aktivlegitimation der Klägerin für die behauptete Gläubigerstellung wird daher bestritten. Auf die Kostenfolge des § 94 ZPO wird höflich hingewiesen.
II. Hilfsvortrag im Fall des Beweises der Aktivlegitimation: Zur Unbegründetheit
Hilfsweise wird zur behaupteten Forderung weiterhin ausgeführt:
1. Hintergrund der behaupteten Forderung ist eine Telefonverbindung vom 08.01.2003. Diese Verbindung mit einer behaupteten Verbindungszeit von 2:55 Minuten kam angeblich mit der Rufnummer 0190/080806 um 11:11:17 Uhr zu Stande.
Beweis unter Protest gegen die Beweislast:
Telefonrechnung der Deutschen Telekom AG vom 07.02.2003
Zu diesem Zeitpunkt benutzte die damalige Verlobte des Beklagten, die nachbenannte Zeugin, den eigenen Computer unter Mitbenutzung des Telefonanschlusses des Beklagten.
Beweis:
Zeugnis der Frau KatzenHai, zu laden über den Beklagten
2. Die Zeugin Frau KatzenHai benutzte den Computer, um im Internet dort vorhandene Seiten mit kostenfreiem und nicht-mehrwert-bezogenem Inhalt aufzurufen und zu betrachten. Plötzlich stellte sie fest, dass sich statt der üblichen DFÜ-Verbindung, des Sm**Surfers der Fa. ***.de AG, eine unbekannte Internetverbindung geöffnet hatte. Diese Einwahl war weder auf einer der Internetseiten angegeben noch von der Zeugin Frau KatzenHai gezielt bzw. gewollt aufgebaut worden.
Beweis unter Protest gegen die Beweislast:
Zeugnis der Frau KatzenHai, b.b.
Die Verbindung wurde daher durch die Zeugin beendet. Ob die Verbindung insgesamt über eine Dauer von 2:55 Minuten bestanden hat, kann nur mit Nichtwissen bestritten werden, da die Zeugin den Beginn der ungewollten Einwahl und damit deren Dauer nicht beobachtet hat.
3. Eine nachträgliche Überprüfung des Computers ergab, dass sich ein Dialerprogramm installiert hatte, welches diese DFÜ-Verbindung zur streitgegenständlichen Telefonnummer unbemerkt und im Hintergrund hergestellt hatte.
Beweis unter Protest gegen die Beweislast:
Zeugnis der Frau KatzenHai, b.b.
4. Die Telefonverbindung ist somit ohne entsprechende Willenserklärung der Zeugin zu Stande gekommen; ein Vertragsschluss mit einem Diensteanbieter ist vor, während oder nach dieser Verbindung nicht erfolgt und wird bestritten.
Es hat vor dem ungewollten Wechsel der DFÜ-Verbindung keine Auswahl (Pop-Up-Fenster, gewählter Link, erkennbares Applet etc.) hierüber statt gefunden, es wurde nicht auf den bevorstehenden Wechsel hingewiesen, es wurden keine hierdurch vermeintlich entstehenden Kosten angezeigt.
Beweis unter Protest gegen die Beweislast:
Zeugnis der Frau KatzenHai, b.b.
5. Wesentlicher Bestandteil von Willenserklärungen ist bekanntlich der Erklärungswille. Da vorliegend nach Aussage der Zeugin Frau KatzenHai ein Dialer tätig wurde, der selbsttätig den Standard-Zugang zum Internet veränderte und unbemerkt eine andere Internetverbindung aufbaute, ist eine willentliche Entscheidung zur Inanspruchnahme der streitgegenständlichen Telefonverbindung nicht erfolgt und wird bestritten.
Beweis unter Protest gegen die Beweislast:
Zeugnis der Frau KatzenHai, b.b.
6. Es wird darauf hingewiesen, dass die Beweislast für einen Vertragsschluss bei der Klägerin liegt.
Es bestehen bekanntlich mannigfaltige Manipulationsmöglichkeiten in Bezug auf Dialerprogramme, die z.B. nach dem ersten Aufspielen auf einen PC programmatisch alle Schaltflächen mit der Funktion „OK“ belegen, auch wenn diese textlich mit „Nein“ oder „Abbrechen“ beschriftet sind. Auch kann die Anzeige eines Dialers manipuliert werden, so dass dieser z.B. ohne eine Anzeige von entstehenden Kosten im Hintergrund läuft. Auch können Dialer auf präparierten Webseiten verborgen sein und durch den Browser ohne Kenntnis und Zutun des Nutzers aus dem Internet geladen werden, um nachfolgend unbemerkt – ggf. mit zeitlicher Verzögerung – tätig zu werden.
Beweis im Bestreitensfall:
Amtliche Auskunft des BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Godesberger Allee 185-189, 53175 Bonn
Es obliegt daher nicht dem Beklagten, einen Gegenbeweis zu führen, sondern vielmehr der Klägerin, den behaupteten Vertragsschluss zu beweisen.
Dies ist der Klägerin im Übrigen bekannt, da sie selbst vor wenigen Tagen diesbezüglich verurteilt wurde: Das AG Berlin-Wedding hat in einem gleichgelagerten Fall eben die auch hier klagende Fa. Intrum Justitia GmbH mit der vollen Beweislast für die Umstände belegt, dass es dem Willen des Nutzers entsprach, den Mehrwertdienst einer 0190-Nummer über ein Dialerprogramm in Anspruch zu nehmen. Ohne diesen Beweis bestehe kein Grund zur Annahme eines Vertragsschlusses.
Beweis im Bestreitensfall:
Hinzuziehung der Akte AG Berlin-Wedding, Urt. v. 01.09.2003, Az. 17 C 263/03
7. Aus diesem Grund wurde auch noch am Tag des Rechnungszugangs, am 07.02.2003, u.a. gegenüber der angeblichen Zedentin (Talkline) ein Vertragsschluss bestritten und Widerspruch gegen die Berechnung erhoben.
Beweis im Bestreitensfall:
Vorlage des Schreibens (vorab per Telefax nebst Übertragungsbericht) an die angebliche Zedentin vom 07.02.2003
8. Im Übrigen wurde mit gleichem Schreiben vom 07.02.2003 hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, da die ungewollte Installation des Dialerprogramms und nachfolgende Einwahl der (behauptet kostenpflichtigen) Verbindung 0190-080806 arglistig zum Nachteil des Beklagten erfolgte.
Beweis im Bestreitensfall:
Vorlage des Schreibens (vorab per Telefax nebst Übertragungsbericht) an die angebliche Zedentin vom 07.02.2003
Die angebliche Zedentin muss sich in diesem Sinne zurechnen lassen, dass der zum Einsatz gekommene Dialer ohne Vertragsschluss und somit ohne rechtliches Schuldverhältnis eine (behauptet kostenpflichtige) Verbindung einrichten würde. Da sie somit in Kenntnis der Nichtschuld bzw. der Anfechtbarkeit ihre „Leistung“ erbrachte, ist auch eine Begründung der behaupteten Forderung der angeblichen Zedentin aus aufgedrängter Bereicherung nach §§ 814, 142 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Das Berufen auf die Forderung ist darüber hinaus rechtsmissbräuchlich.
9. Weiterhin und äußerst hilfsweise wird bestritten, dass die Leistung der angeblichen Zedentin einen Mehrwert gehabt hätte, der eine Entgeltforderung in Höhe von € 55,00 rechtfertigen würde.
Die technischen Verbindungen der streitgegenständlichen Art sind werkvertragliche Leistungen, bei denen ein Erfolg geschuldet wird. Besteht keine ausdrückliche Preisabsprache, ist nach § 632 Abs. 2 BGB in Ermangelung einer taxmäßigen Vergütung die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Selbst im Fall der (diesseitig bestrittenen) Annahme eines Vertragsschlusses zwischen der Zeugin Frau KatzenHai und der angeblichen Zedentin betrüge die übliche Vergütung für die empfangene Werkleistung in einem Betrag im Bereich weniger Cent.
Die Zeugin Frau KatzenHai „erhielt“ durch den ungewollt einwählenden Dialer keinen Mehrwertdienst. Vielmehr wurde lediglich die vorhandene Internetverbindung, mittels derer sie kostenfreie und nicht-mehrwert-bezogene Internetseiten besuchte, durch die streitgegenständliche Verbindung ersetzt. Die übliche Vergütung am 08.01.2003 für derartige Internetverbindungen für unter drei Minuten kann diesseitig nicht beziffert werden, lag aber nicht oberhalb von max. 0,05 € brutto.
Beweis unter Protest gegen die Beweislast:
Sachverständigengutachten
Da dem Beklagten der Preis für die reine Internetverbindung nicht bekannt war und auch nicht mitgeteilt worden ist, konnte er diese (empfangene) Leistung nicht unstreitig stellen, könnte aber (hilfsweise) in Höhe dieses Betrags die Hauptforderung unter ausdrücklichem Berufung auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anerkennen, wenn diese durch die Berechtigte belegt würde.
10. Dieses (hilfsweise) Anerkenntnis stünde aber weiterhin unter der Voraussetzung, dass die zu Grunde liegende Leistung der angeblichen Zedentin abnahmefähig nach § 640 BGB gewesen wäre. Dies wird bestritten.
Durch die ungewollte Verbindung und den nachträglich vorzunehmenden, zusätzlichen Aufwand des Aufspürens und Entfernens des ungewollten Dialer-Programms war die Leistung nicht mangelfrei i.S.d. § 633 BGB.
Hiernach liegt (zumindest) ein Sachmangel vor, wenn das Werk nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Werken gleicher Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werks erwarten kann. Eine DFÜ-Verbindung wird üblicherweise mit Kenntnis des Computernutzers eingerichtet und nachfolgend bewusst und gewollt genutzt; die hierfür notwendigen Programme und Routinen befinden sich an den vom Betriebssystem vorgegebenen Stellen und lassen sich dort einrichten, modifizieren und löschen. Der vorliegend ungewollt geladene Dialer war nicht im Bereich der „Systemsteuerung“ im Unterordner „Netzwerk- und DFÜ-Verbindungen“ angezeigt, sondern „schlummerte“ in den Tiefen des Systems unter namentlich verwirrender Bezeichnung.
Beweis unter Protest gegen die Beweislast:
Zeugnis der Frau KatzenHai, b.b.
Die Einwahlverbindung war somit nicht einmal sachmangelfrei, so dass mangels Abnahmefähigkeit auch ein Anerkenntnis der reinen Verbindungsentgelte von max. 0,05 € rechtlich nicht geboten ist.
11. Mangels Bestehens der Hauptforderung entfällt naturgemäß auch der Verzug des Beklagten. Selbst im Fall der Annahme einer (minimalen) Hauptforderung stünde dem Beklagten in jedem Fall das Zurückbehaltungsrecht des § 274 BGB zur Seite, da die Abtretung der angeblichen Zedentin – ohnehin nichtig – nicht ordnungsgemäß angezeigt und belegt worden ist, so dass sich die Klägerin ihrerseits nach § 298 BGB im Gläubigerverzug befände, was bekanntlich den Verzug des Schuldners ausschließt. Daher entfallen die weiterhin im Mahnbescheid geltend gemachten Kostenforderungen bereits mangels Verzugseintritts.
Hilfsweise wird weiterhin auf die anerkannte Rechtsprechung hingewiesen, nach der die vorgerichtlichen Kosten eines Inkassobüros nicht erstattungsfähig sind, wenn nachfolgend eine rechtsanwaltliche Vertretung im Prozess erfolgt, wie dies vorliegend der Fall ist.
Die angesetzten Mahnkosten in Höhe von € 2,50 werden neben dem Bestreiten eines Rechtsgrunds auch der Höhe nach mit Nichtwissen bestritten, da diese in der Summe nicht erklärt sind.
Dies gilt ebenso für die vollkommen unerklärlichen Auskunftskosten von € 1,95 (bestritten); da der Beklagte sofort schriftlich Stellung genommen hat, bedurfte es zur Ermittlung des Passivrubrums keiner Auskünfte. Die Klägerin unterließ es jedoch vielmehr, trotz ausdrücklicher Zustellungsbevollmächtigungsanzeige der Kanzlei der Prozessvertreter, die Zustellung an die Kanzlei KatzenHai vornehmen zu lassen; durch die Zustellungsbevollmächtigungsanzeige hätte es umso weniger einer Auskunftseinholung bedurft.
12. Der weitere Gerichtskostenvorschuss von € 62,50 ist hierneben freigestempelt.
III. Zusammenfassung
1. Die Klage ist unzulässig.
Die Klägerin ist nicht Gläubigerin der behaupteten (und bestrittenen) Forderung. Die Aktivlegitimation fehlt.
2. Die Klage ist hilfsweise unbegründet.
Ein Vertragsschluss liegt nicht vor. Hilfsweise wurde jeder Vertragsschluss wegen arglistiger Täuschung angefochten. Ein Mehrwert wurde nicht geleistet. Die erfolgte Leistung war mangelhaft und nicht abnahmefähig. Ein Verzug des Beklagten liegt nicht vor.
Die Klage ist daher als unzulässig zurück zu weisen, hilfsweise aus den genannten Gründen abzuweisen.
KatzenHai
Rechtsanwalt