AW: Ladenschluß
Heiko schrieb:
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass man die Ladenschlußregelung komplett abschaffen sollte. Nur mal so nebenbei...
Ich habe kein Problem damit, das Ladenschlußgesetz komplett zu streichen. Dennoch ein paar Anmerkungen:
1. die Verbraucher sind m. E. an längeren Ladenöffnungszeiten kaum interessiert. Spätestens dann, wenn man ihnen die persönlichen Konsequenzen aufzeigt. Längere Ladenöffnung bedeutet zunächst höhere Kosten über die Betriebs- ud Personalkosten. Diese Kostensteigerung ist sicher, ein Zuwachs im Umsatz dagegen nicht. Mithin führen längere Öffnungszeiten zu höheren Preisen oder einer Verschlechterung des Service. Beide Effekte kann man tatsächlich feststellen.
2. Wer angesichts des Wettbewerbes seine Preise nicht erhöhen und den Service nicht verschlechtern kann, steht sich als Einzelhändler schlechter als bei den alten, fixierten Öffnungszeiten. Profitieren würden dann nur die großen Ketten. Da in den Einkaufzentren die Öffnungszeiten einheitlich erzwungen werden, fördert das die Monotonie deutscher Städte. Überall nur noch C&A, Karstadt, Mediamarkt, Douglas, .. aber keine von der Familie geführten Geschäfte mehr.
3. Man berücksichtigt bei solchen Angeboten die Lebensumstände inkl. Freizeitverhalten der Verbraucher zu wenig oder sogar gar nicht. Bestes Beispiel die aktuelle WM. Klar, es kommen Besucher von außerhalb in die Stadt, weil hier ein paar Spiele zu sehen sind. Die Leute werden herangekarrt, besuchen ein Spiel und hauen (ggf. nach einer Übernachtung) wieder ab. Ggf. saufen die auch die Nacht durch, was dem einen oder anderen Lokalbesitzer freut. Wenn der HSV gegen Bayern München spielt ist das Station auch voll mit Fussballfans. Dennoch träumt deshalb kein Einzelhändler davon eine Lampe oder einen Kühlschrank mehr zu verkaufen. Diejenigen, die bei den Freiluft Fernsehübertragungen Party machen, kommen überwiegend aus der Stadt selbst. Das man im Anschluß gut gelaunt noch ein paar Bier mehr zu sich nimmt, dürfte den Umsatz der Brauereien gut tun. Dass Juweliere, Buchhändler, Sportartikel- und Schuhgeschäfte, Optiker, Lederwaren- und Modegeschäfte in der Innenstadt davon profitieren, ist dennoch sehr unwahrscheinlich.
Einmal extrem betrachtet: Welchen Sinn hätte eine längere Ladenöffnungszeit z. B. auf Amrum? Wer da als einziger Lebensmittel verkauft, der kann seine Öffnungszeit risikolos sogar verringern; wenn er will auf unter 1 Stunde täglich. Wer das nicht akzeptieren mag, der muss eben auf's Festland fahren.
4. Politiker und Einzelhandel trommeln seit Jahren für eine stetige Verlängerung der Öffnungszeiten mit dem Argument, die Verbraucher würden dann mehr konsumieren. Ich habe aber noch nie beobachtet, dass Verbraucher das ihnen zur Verfügung stehende Geld proportional zur Öffnungszeit der Läden ausgeben. Eine solche Korrelation existiert nur in den Köpfen verwirrter Verbandsfunktionäre und staatlich allimentierten Wirtschaftsprofessoren, die seit Jahren diesen und ähnlichen Unsinn absondern, ohne je einen Beweis für die Thesen geliefert zu haben. Wenn sich jemand einen neuen Fernseher, ein Auto oder Möbel kaufen will, so handelt es sich in der Regel um Ersatzkäufe bzw. geplante Beschaffungen. Diese sind abhängig vom Bedarf und vorhandenen Finanzmitteln. Die Öffnungszeiten der Geschäfte spielen bei der Kaufentscheidung überhaupt keine Rolle.
5. Angesichts des 24 Stunden geöffneten Internets ist der Ladenschluß für einige Branchen schon gekippt. Dies hat vor allem zu einer Verlagerung von Käufen zu Lasten des Einzelhandel geführt. Ich bezweifle, dass man diesem Trend mit einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten entgegen wirken kann, zumal dies anders als beim Internetgeschäft zu deutlich höheren Kosten führt. Und selbst wenn die Leute in die Läden zurückkehren: es wird dann nicht mehr sondern nur anderswo konsumiert.
6. der größte Teil des privaten Konsums ist festgelegt, z. B. für Lebensmittel. Von diesen kauft man nicht mehr, nur weil das auch um 23 Uhr oder 4:30 Uhr geht.
Das für nicht unbedingt notwendige Käufe völlig frei verfügbare Geld ist seit Jahren rückläufig. M. E. muss daher nicht die Öffnungszeit vergrößert werden, sondern das Einkommen der Verbraucher. Hier handeln Politik (Abgaben, Mehrwertsteuer ...) und Unternehmen (Arbeitsplätze, Lohn ...) seit Jahren kontraproduktiv. Wenn jemand 1000 Eur netto hat, so ist sehr wahrscheinlich, dass er dieses Geld monatlich zu 100% ausgibt. Kürzt man ihm das Einkommen, so kann er weniger ausgeben. Für mehr als 50% der Bürger ist das seit Jahren gelebte Realität. Hält man Arbeitnehmer in Angst um ihr Auskommen, - eine Disziplin, in der Deutschland, deutsche Politiker, Verbandsfunktionäre, Pressefuzzis und Unternehmer schon heute Weltmeister sind, - so werden Ausgaben für Autos, Möbel, Reisen usw. gekürzt, Anschaffungen so weit es geht vertagt. Andererseits wird jemand mit 10.000 EUR netto monatlich sein Ausgabeverhalten auch mit 10% oder 20% mehr nicht wesentlich ändern, sondern eher mehr sparen.
Kurz: mir ist das Ladenschlußgesetz egal. Wer in der Debatte darum aber von einer "Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Deutschland" faselt, hat keine Ahnung und übersieht die Nachteile für die kleinen Einzelhändler und damit den nationalen Wettbewerb.
M. Boettcher