Gericht: Surfer muss Dialer-Kosten für Sexseiten bezahlen

Pressemeldung des Landgericht München

Urteil vom 18.03.2004, Az.: 27 O 15933/03

Die Pressestelle des LG München schrieb:
V. weigerte sich, diese Rechnung zu bezahlen. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um einen kostenlosen Service gehandelt habe, der durch Sex-Werbung finanziert werde. Dass und in welcher Höhe Kosten für die Verbindungen entstehen würden, habe er nicht erkennen können.
http://www.justiz.bayern.de/lgmuenchen1/presse/presse1.html

Unrichtig ist, daß er nicht habe erkennen können, daß Kosten für ihn entstehen würden. Woraus sich dadurch aber ergeben soll, daß (wer?) einen Vergütungsanspruch in der strittigen Höhe haben soll, ist alles andere als klar. Der Vergütungsanspruch entsteht jedenfalls nicht dadurch, daß er eine Mehrwertnummernsperre aufheben läßt, sondern frühestens dadurch, daß ....er eine entsprechende Vergütungsvereinbarung trifft!

gal.
 
Warten wir doch einfach das Urteil ab.

Ich habe es bereits angefordert - so bald es vorliegt, wird es entsprechend veröffentlicht. Das kann aber ein paar Tage dauern ...

Bis wir uns dann einig sind, was es bedeutet, ist auch die Berufungsfrist rum - und erst dann kann man abschließend etwas zum Urteil sagen, gell?!
 
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/lgmuenchen180304.htm
LG München schrieb:
Durch das Anklicken des Befehlsfeldes "Verbinden" hat der Beklagte unstreitig die
Dienste in Anspruch genommen.
Der Beklagte hat seine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er sich weder Kenntnis
von den AGB's des Dialers verschafft hat
noch sich vor Missbrauch, vor dem die Klägerin ausdrücklich gewarnt hatte, beschützt hat.
,
Der Beklagte war daher antragsgemäß zu verurteilen.

Die Entscheidung bezieht sich auf Einwahlen vor dem 16.12.02 !

ww
 
LG München schrieb:
Durch das Anklicken des Befehlsfeldes "Verbinden" hat der Beklagte unstreitig die
Dienste in Anspruch genommen.
Der Beklagte hat seine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er sich weder Kenntnis von den AGB's des Dialers verschafft hat ,
noch sich vor Missbrauch, vor dem die Klägerin ausdrücklich gewarnt hatte, beschützt hat.
Der Beklagte war daher antragsgemäß zu verurteilen.

s. § 305 BGB - Einbeziehung von AGB
  • (2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

    1. die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Orte des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
    2. der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

    und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.
Kommentar Palandt hierzu:
  • Die Einbeziehung per Internet erfolgt ausreichend, wenn eine kritische Prüfung ermöglicht wird (Lesbarkeit, ggf. Druckfunktion)- unterlässt der verbraucher die Prüfung, hindert dies eine Einbeziehung nicht (OLG Köln).
    Einverständnis: i.d.R. konkludent, wenn Einbeziehung nach Abs. 2 (s.o.) ordnungsgemäß erfolgt ist und der Kunde weiter fortfährt (BGH).
Dies ist auch grundsätzlich richtig, da sonst ja kaum AGB Vertragsinhalt werden könnten ...
 
Zusammen gefasst (jetzt, wo das Urteil vorliegt):

Wer
  • ... alle Vorsicht und Vernunft fahren lässt (0190-Freischaltung, Nicht-Prüfung der Verbindung, die sich immer wieder aufgehängt hat),
  • ... sich gleichzeitig in anerkannt kritischem Umfeld herum treibt (XXX),
  • ... und dann auch noch des Lesens zu bequem ist (AGB-Ignoranz, Nicht-Lesen des Begriffs "kostenpflichtig" auf den Content-Seiten),
kann sich nicht einfach darauf berufen, nicht zusätzlich gewarnt worden zu sein. Also nicht daraus, dass er nicht zusätzlich gewarnt wurde, die Entgeltpflicht des unstreitig empfangenen Contents wegdiskutieren.

Das Urteil ist im Ergebnis richtig. Denn der vom Beklagten behauptete "Heimlich-Dialer" lag ja wohl tatsächlich auch nicht vor, gell?
 
[ Einverständnis mit der Geltung von e-commerce-AGB ]

KatzenHai schrieb:
Einverständnis: i.d.R. konkludent, wenn Einbeziehung nach Abs. 2 (s.o.) ordnungsgemäß erfolgt ist und der Kunde weiter fortfährt (BGH).[/list]Dies ist auch grundsätzlich richtig, da sonst ja kaum AGB Vertragsinhalt werden könnten ...

Grundsätzlich muß doch der AGB-Verwender die Tatsachen aufzeigen, die ein Einverständnis mit der Geltung von AGB belegen. Entweder müßte er nachweisen, daß der Kunde sein Einverständnis ausdrücklich (z.B. durch einen obligatorischen "Einverständnis"-Klick) oder schlüssig (z.B. durch obligatorische Anzeige der Bestimmungen während des Bestellvorgangs) erklärt hat.

Nach meiner Einschätzung läßt sich ein schlüssiges Einverständnis nicht dadurch nachweisen, daß eine zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestand. Wenn ein Bestellvorgang ohne Einverständnis mit der AGB-Geltung durchführbar ist, dann wird eben nicht aus der Ausführung der Bestellung auf ein konkludent erklärtes Einverständnis geschlossen werden können.

Im Zweifel sollte eine vorsätzlich irreführende, wenigstens aber unsorgfältige Shopgestaltung also nicht dazu führen können, dem Shopnutzer eine "fahrlässige" Einverständnisverweigerung anzulasten, wenn er den Vertrag ohne AGB-Einbeziehung schließen will. Meines Wissens gibt es keine Sorgfaltspflicht, sein Einverständnis mit vorgeschlagenen AGB zu äußern, oder die Entgegennahme von Vertragserfüllungsleistungen abzulehnen, wenn man nicht mit der AGB-Geltung einverstanden war.

gal.
 
galdikas schrieb:
Nach meiner Einschätzung läßt sich ein schlüssiges Einverständnis nicht dadurch nachweisen, daß eine zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestand. Wenn ein Bestellvorgang ohne Einverständnis mit der AGB-Geltung durchführbar ist, dann wird eben nicht aus der Ausführung der Bestellung auf ein konkludent erklärtes Einverständnis geschlossen werden können.
Sorry, gal, ich widerspreche dir bekanntlich selten - hier liegst du falsch.

Deine Einschätzung ist einfach nicht mit der herrschenden Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Guckst du hier:
  • Verwender (Unternehmer) erklärt, nur unter Geltung der AGB Verträge schließen zu wollen - 1. Entscheidung des Käufers
  • gut lesbare AGB, bestenfalls ausdruckbar, jedenfalls les- und prüfbar, liegen von hier aus "nah am Wegesrand" - 2. Entscheidung des Käufers
  • Käufer schließt "dennoch" den Vertrag ab - 3. Entscheidung des Käufers
also, noch weiter muss nicht einmal der ansonsten ja wohl super-doll-strohblöde deutsche Verbraucher geschützt werden.

Oder anders herum: Wer in Kenntnis des "Nur-mit-AGB-"Vertragsschlusswillens des Unternehmers dessen AGB weiterhin ignoriert, ist selbst schuld.

Lies mal im Palandt nach ...
 
KatzenHai schrieb:
Das Urteil ist im Ergebnis richtig. Denn der vom Beklagten behauptete "Heimlich-Dialer" lag ja wohl tatsächlich auch nicht vor, gell?
Auf diesen Punkt bezogen würde ich zustimmen. Das klingt wie eine bloße Schutzbehauptung und ist unschlüssig, womit natürlich fragwürdig wird, ob tatsächlich ein Irrtum über die Kostenpflichtigkeit bestand ...

Was mich aber bedenklich stimmt, ist folgende Begründung:

LG München schrieb:
Weiterhin ist vermerkt, dass eine Freischaltung für kostenpflichtigen Erotik-Bereiche erfolgt. Damit ist für einen durchschnittlichen Computer-Anwender klar, dass nur der Zugang zum neuen Service gratis ist, die Inanspruchnahme jedoch mit Kosten verbunden ist.
Das ist keineswegs klar, wenn dies direkt nach der Anpreisung "gratis-zugang" erfolgt. Man würde im Gegenteil denken, daß das Angebot darin besteht, daß der normalerweise kostenpflichtige Bereich hier gratis freigeschaltet wird (es heißt ja nicht: "kostenpflichtige Freischaltung"). Was soll hier am Zugang überhaupt gratis sein??? Das ist an den Haaren herbeigezogen, da hier nicht einmal eine Haarspalterei ala "durch die Aktivierung entstehen Ihnen keine Kosten" möglich ist. Das LG Mannheim fand schon letzteres sittenwidrig.

LG München schrieb:
Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Beklagten bewusst war, dass es sich um eine 0190er Nummer handelt, da es allgemein bekannt ist, dass Erotik-Service-Leistungen entgeltpflichtig sind.
Auf welcher allgemeinen Erfahrung soll diese Aussage basieren? Im Puff mag das ja stimmen, aber doch nicht im Internet. Auch hier hat das LG Mannheim treffender geurteilt:

LG Mannheim schrieb:
Wer als Unternehmer entgeltliche Leistungen über das Internet anbietet, darf den Verkehr nicht über den gewerblichen Charakter seines Angebots im Unklaren lassen.
......
Der Beklagte stützt seine Ansicht auf die Behauptung, das Internet könne (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nur entgeltpflichtig benutzt werden. Schon dieser Ausgangspunkt ist, wie die Kammer, deren Mitglieder zu den Benutzern des Internet gehören, aufgrund eigener Erfahrung weiß, unzutreffend.

Und geht es denn wirklich an, den Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit in die AGB zu verstecken? Mich wundert, daß ihr das so hinnehmt. Ich meine, es hieß hier einmal, daß die Preisangabe (die es hier offenbar nicht einmal gab) zu den essentialia negotii gehört, die nicht erst in den AGB genannt werden darf.

Um nicht mißverstanden zu werden: was das Verhalten des Surfers angeht, halte ich das Urteil auch für vertretbar. Aber die (m.E. mangelhafte) Begründung zeigt eben doch, daß dies hier eine Gratwanderung war, - eben weil es ein so extremer und untypischer Fall ist.
 
Hallo Katzenhai,

KatzenHai schrieb:
Guckst du hier:
  • Verwender (Unternehmer) erklärt, nur unter Geltung der AGB Verträge schließen zu wollen - 1. Entscheidung des Käufers


  • Nun stelle ich mich auf den Standpunkt, daß der Unternehmer zunächst zu belegen hat, daß er seinen Willen bekundet hätte, keine Verträge ohne Geltung der AGB schließen zu wollen ( = ausdrücklicher Hinweis auf die (Verwendung der) AGB ). Frühestens dann dürfte eine Annahme (oder Bestellung) als schlüssige Einverständniserklärung des Kunden (Verwendungsgegeners) mit ihrer Geltung aufgefaßt werden.

    Katzenhai schrieb:
    Oder anders herum: Wer in Kenntnis des "Nur-mit-AGB-"Vertragsschlusswillens des Unternehmers dessen AGB weiterhin ignoriert, ist selbst schuld.

    Aber kann allein wegen einer fahrlässigen Unkenntnis vom Inhalt verwendeter AGB in der Annahme/Bestellung schon eine schlüssige Erklärung des Einverstandenseins mit ihrer Geltung liegen? Ich denke, daß eine solche schlüssige Einverständniserklärung nicht schon derjenige abgibt, der (fahrlässige Un-)Kenntnis von einem mitgeteilten Hinweis-Link auf AGB hat (und erst recht nicht schon der, dem der AGB-Inhalt (fahrlässig un-) bekannt ist) - z.B. ersetzt ein deutlicher Aushang ja nicht einen ausdrücklichen Hinweis, sondern nur ausnahmsweise dann, wenn ein ausdrücklicher Hinweis beim Vertragsschluß nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich wäre.

    Man könnte bereits die AGB-Einbeziehungsumstände im e-commerce als "Allgemeine Geschäftsbedingungen" betrachten - dann gingen Zweifel bei ihrer Auslegung eben zu Lasten des Verwendungswilligen, selbst wenn der Kunde fahrlässige Unkenntnis vom Einbeziehungswillen gehabt hätte. Jedenfalls beginnt für einen e-commerce-Kunden, dem beim Vertragsschluß keine elektronische Abruf-/ und Abspeichermöglichkeit der (besonderen) Vertragsbestimmungen sowie (eventuell verwendeter)AGB geboten wurde, die Frist zur Ausübung seines Widerrufsrechts nicht (soweit ihm beim konkreten Vertrag ein gesetzliches Fernabsatz-Widerrufsrecht zustehen würde) - dem Gesetzeswortlaut nach könnte er dann sein Widerrufsrecht 3 Jahre lang ausüben.

    gal.
 
Hörsaalsitzer schrieb:
  • Ein Dialer der holländischen Dutch Web 24 (DW24), der tatsächlich im Verbindungsfenster "Gratis Hot Sex" anzeigte aber keinen Preis. Dafür aber aufrufbare AGB mit den Informationen.


  • Kann jemand bestätigen, dass die "Dutchweb24" über ein paar Ecken den gleichen Leuten gehört wie Q1 inkl. mcn-telecom? Ist es dann nicht anzunehmen, dass der Dialer heute niemals registrierungsfähig wäre, wenn schon die aktuellen Dialer dieser Firma (Securex/Consul Info) gewisse Probleme haben? ("Digital Simplex Inc." plus Dutchweb24 = Securex?)

    Q1 NL

    Dutchweb24

    Hätte der user also im Herbst 2003 bewusst fragwürdige Dialer genutzt, bei denen mit dem Entzug der Registrierung zu rechnen war, was wäre dann passiert? Und anders herum: Was ist, wenn diese Firmen Dialer einsetzen würden, bei denen eigentlich klar ist, dass sie nicht registriert bleiben können? Welchen Vorsatz würden die Richter dann diesen Firmen unterstellen? Soziales Engagement?
 
Qoppa schrieb:
Was mich aber bedenklich stimmt, ist folgende Begründung:

LG München schrieb:
Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Beklagten bewusst war, dass es sich um eine 0190er Nummer handelt, da es allgemein bekannt ist, dass Erotik-Service-Leistungen entgeltpflichtig sind.
Auf welcher allgemeinen Erfahrung soll diese Aussage basieren? Im Puff mag das ja stimmen, aber doch nicht im Internet. Auch hier hat das LG Mannheim treffender geurteilt:
So, wie sich der User verhalten hat, ist das Urteil -in diesem Fall- IMHO gerechtfertigt.
Nur: Wie soll der Richter das begründen? Er kann ja schlecht ins Urteil schreiben: "So viel Dummheit / Dreistigkeit gehört einfach bestraft.
Das die Schmuddelseiten in punkto Seriosität nicht gerade Vorbildcharakter haben, sollte sich auch unter den DAU herumgesprochen haben. Insofern halte ich die Begründung des Gerichts, ebenfalls bezogen auf diesen Fall, für richtig. Man kann das IMHO nicht mit dem Fall des LG Mannheim vergleichen.

Gruss A. John
 
Anonymous schrieb:
Kann jemand bestätigen, dass die "Dutchweb24" über ein paar Ecken den gleichen Leuten gehört wie Q1 inkl. mcn-telecom?
Warum? Q1 Deutschland AG ist Mehrheitseigner der mcn tele.com. Die Holländische Q1 hat damit eher weniger zu tun, obwohl es bestimmt einige Parallelen gibt.
Dutchweb24 und Securex gehören anscheinend zur Consul-Info BV und die wiederum hat enge Kontakte nach Köln - das läuft nur als Spezlwirtschaft zu den o.g . Unternehmen.
Anonymous schrieb:
Hätte der user also im Herbst 2003 bewusst fragwürdige Dialer genutzt, bei denen mit dem Entzug der Registrierung zu rechnen war, was wäre dann passiert?
Der Verurteilte hatte den Dialer bereits ein Jahr zuvor benutzt - damals gab es noch keine Dialerregistrierung. Und er hat ihn absolut mit Absicht verwendet, da er schlichtweg sich nicht die Mühe machte, die verfügbaren AGB seinem Surfverhalten zu unterwerfen. Er wollte ES unbedingt wissen und ein Gericht erklärte es ihm später. Er war in vollem Bewusstsein mit der 0190er Nummer gesurft, von der er hätte ausgehen müssen, dass die mehr als "gratis" kostet. Außerdem hatte ihn sein Telefonunternehmen, die M"Net, rechtzeitig auf das Problem hingewiesen, doch der User scherte sich nicht um die Warnungen und erhielt mEn letztlich zu Recht die Quittung für sein stures Fehlverhalten.

Siehe auch: http://www.dialerhilfe.de/news/040907_02.php
 
Re: Gericht: Surfer muss Dialer-Kosten für Sexseiten bezahle

Spiegelleser schrieb:
5844 Euro für Besuch "kostenloser" Sexseiten

Das Versprechen "Gratiszugang", befand das Münchner Landgericht in einem Urteil, muss man nicht glauben, wenn es um "Sex-Dienstleistungen" geht.

Das OLG München verwarf die Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts:

Sueddeutsche Zeitung schrieb:
Die Richter waren der Meinung, dass der Beklagte selbst die Einwahlsoftware, den Dialer, herunter geladen dann die Verbindung zu dem Erotikservice aufgebaut habe.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/756/38718/

Das ist wieder hübsch unpräzise formuliert. Entscheidend für die Begründung eines Vergütungsanspruchs (von wem auch immer, wofür auch immer) ist, daß beim Vertragspartner eine bewußte und gewollte Bestellung einer Vertragsleistung Dienstleistung eingeht, durch deren Erbringung die vertragliche Vergütungsforderung entstanden sein soll.

Daß der Beklagte sich nicht bewußt gewesen wäre, daß zwischem seinem Rechner und dem des Anbieters der unter der Domain ""gratis-zugang.de" Inhalte eine (von einem Dialerprogramm aufgebaute) Telekommunikations-Verbindung bestand, ist aber weder zweifelhaft, noch für sich genommen schon vergütungsanspruchsbegründend. Entscheidend ist immer, ob eine vertragliche Vereinbarung über eine entgeltliche Leistungserbringung zwischen Vertragspartner und Kunde zustande gekommen ist.

Suedeutsche Zeitung schrieb:
Der ernüchterte Sex-Freund argumentierte vor Gericht: "Ich war der Meinung, dass es sich um einen kostenlosen Service handelt, der durch Sex-Werbung finanziert wird."

Dementgegen muß der vermeintliche Vertragspartner dann belegen, daß ein wirksamer Vertrag über die vergütungsanspruchsbegründende Erbringung seiner Sex-Dienstleistungen zwischen ihm und dem Kunden geschlossen worden sein soll. Jedenfalls entstehen Gebühren nicht schon quasi "automatisch", solange man nur mit üblicher Sorgfalt diese Folge einer "automatischen" Gebührenentstehung dadurch verhindern könnte, daß man keine Verbindungsherstellung veranlaßt. Von einem solchen "Gebührenautomatismus" (vor dem es sich durch Sorgfalt zu schützen gilt) geht offenischtlich auch Sascha aus:

Sascha schrieb:
Sein Argument: Er habe nicht gewusst, dass er sich über einen kostenpflichtigen Dialer einwählt.
http://forum.computerbetrug.de/viewtopic.php?t=7220

Nun gibt es aber keine gesetzliche Vorschrift bei Erbringung irgendwelcher Leistungen, wonach eine gesetzliche Vermutung für einen "Vertrag" besteht, solange sich nur ein anderer nicht "sorgfältig" vor dem Entstehen eines vertraglichen Vergütungsanspruchs schützt.

SZ schrieb:
Auch wenn der Dateiname "gratis-zugang.de" missverständlich sei, so ergebe sich "bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" zumindest aus dem weiteren Wortlaut des Internetfensters, dass der angebotene Erotikservice kostenpflichtig sei.

Ich meine: nur wenn der Vertragspartner nachweisen kann, daß er mit dem Kunden einen Vertrag geschlossen hat, kann er seine Dienste vergütungsanspruchsberechtigt erbringen. ( Vermutlich wollte sich das OLG aber wieder einmal um die Frage herumdrücken, mit wem der Kunde hier wie einen Vertrag welchen Inhalts geschlossen haben sollte, aus dem ein Vergütungsanspruchs entstaden sein könnte, und wie nun plötzlich der Netzbetreiber dazu komme, eine Zahlung in Höhe jenes Vergütungsanspruchs gegen den Kunden des Erotikservice-Anbieters geltend zu machen.

Stillschweigend ging das OLG München in zweifelhafter Weise wohl ohne nähere Begründung davon aus, daß "irgendwie" ein eigenständiger Vergütungsanspruch des Netzbetreibers entstanden sein könnte - und daß dies "bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt" dem Kunden nicht hätte verborgen geblieben sein können. )

SZ schrieb:
Hinzu komme, dass der Beklagte auch von M-Net auf die Kosten von Service-Rufnummern hingewiesen wurde, er gleichwohl aber ausdrücklich die Freischaltung beantragt habe.

Das ist offensichtlich absoluter Blödsinn.

Es ist nur vor dem Hintergrund erklärlich, daß die (unzutreffende) Auffassung beibehalten werden soll, die Berechtigung des Netzbetreibers zur Einforderung einer eigenen "Mehrwert-"Vergütung sei nach den gleichen Maßstäben zu prüfen, als habe die "eigentliche" Mehrwertleistung in der profanen Verbindungsherstellung bestanden, oder als habe der Netzbetreiber selbst die inhaltlichen Leistungen erbracht, zusätzlich zu seiner Herstellung der rein technischen Verbindung, über die hinweg zwecks Ausführung der Dienste Kunde und Diensteanbieter miteinander kommunizieren. Eine solche Ansicht mag hinsichtlich der Berechtigung eines Vergütungsanspruchs für die Erbringung reiner (Sprach-)Verbindungsleistungen berechtigt gewesen sein, welche danach bemessen werden dürftel, ob die Anwahl einer bestimmten Nummer bewußt und gewollt gewollt geschehen sei.

Das kann allerdings immer dann nicht das entscheidende Kriterium sein, wenn die "Mehrwert"-Leistung sich nicht in einer (Verbindungs-)Leistung des Anbieters reiner Telekommunikations-Verbindungsleistungen erschöpft, sondern wenn sich die eigentliche vertragliche Dienstleistung als Beratung, Gesprächsführung, Schauspiel, Darbietungen, Aufführungen usw. erweist.

gal.
 
Re: Gericht: Surfer muss Dialer-Kosten für Sexseiten bezahle

galdikas schrieb:
Nun gibt es aber keine gesetzliche Vorschrift bei Erbringung irgendwelcher Leistungen, wonach eine gesetzliche Vermutung für einen "Vertrag" besteht, solange sich nur ein anderer nicht "sorgfältig" vor dem Entstehen eines vertraglichen Vergütungsanspruchs schützt.
Doch. Und wie es die gibt - an zentralen Stellen des Gesetzes:

Guckst du hier:

§ 612 BGB für Dienstverträge bzw. § 632 für Werkverträge.

Jeweils gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Leistung den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Die Vergütung bemisst sich dann im Zweifel nach der üblichen Vergütung.

Vor diesem Hintergrund hat das OLG in dieser Einzelfrage schlicht Recht.
 
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