Wieder neue Urteile

Wie sieht das eigentlich aus:

es gibt doch da jetzt eine Änderung im Strafrecht. Würde sich da der Dialerhersteller nicht JETZT strafbar machen, wenn er Programme herstellt oder anbietet, die für strafbare Handlungen eingesetzt werden (können)?

Würde da eventuell JETZT ein Urteil gegen den Dialeranbieter anders aussehen?
 
Sie zeigen erneut, dass eine ordnungsgermäße Verteidigung notwendig ist.

Ein paar ausgewählte:
AG Borken, 14.08.2003
  • Die Verteidigung wollte als einzige plausible Begründung für einen Dialerbefall die unterschiedliche Höhe der Telefonrechnungen anführen - das reicht natürlich nicht aus, erst recht nicht, wenn man zunächst gegen die Telefonrechnung keine Einwände vorgetragen hatte.
    Rechtlich zwar nicht ganz up-to-date (auch nicht für August 2003), aber wohl vertretbar.
LG Bielefeld, 15.07.2003
Der von ihr vorgelegte Beweissicherungsbericht des Polizeipräsidiums Bielefeld reicht indes weder zum Beweis noch zur schlüssigen Darlegung dieser Behauptung aus, weil ausweislich dieses Berichts auf dem Computer der Beklagten gerade keine Hinweise auf so genannte Dialerprogramme gefunden wurden, die eine heimliche Verbindung zu den streitgegenständlichen 0190-Servicenummern hätten herstellen können. Im Gegenteil kommt der Beweissicherungsbericht zu dem Ergebnis, dass eine unbeabsichtigte Einwahl mittels eines Dialers nicht festgestellt werden konnte.
AG Achim, 14.10.2003
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass lediglich zu 3 Zeitpunkten am 12.02.2002 und zu einem Zeitpunkt am 13.05.2002 Kosten für die Einwahl in eine 0190-er-Nummer entstanden sind, bei einem unerkannt gebliebenen, also im Hintergrund arbeitenden, Dialer aber bei den zwischenzeitlichen Internetverbindungen auch hätten derartige Kosten entstehen müssen, da sich auch in diesem Fall der Dialer auf den Internetanschluss aufgeschaltet hätte.
  • Kein ganz blödes Argument. Hiergegen hätte wohl etwas vorgetragen werden sollen.
AG Dorsten, 20.01.2004
Der Beklagte hätte den Verbindungsaufbau überwachen müssen und Verbindungen nur bei ausdrücklicher Freigabe aufbauen lassen dürfen. Dies zählt zu den ihn als Internet-Nutzer treffenden Sorgfaltspflichten (AG München, NJW 2002, 2960).
  • Dieses Urteil hingegen halte ich (persönlich) für falsch. Insbesondere Verbindungen nur bei ausdrücklicher Freigabe aufbauen lassen dürfen geht mächtig am Problem vorbei - oder drückt gerade die Forderungen des MWD-Gesetzes aus, welche dann ein anderes Ergebnis hätten bedingen müssen. Einfach blöde gelaufen!
Die anderen Urteile passen zur hier durchgängig vertretenen Rechtsauffassung.
 
[ Neue Dialer-Urteile ]

KatzenHai schrieb:
Sie zeigen erneut, dass eine ordnungsgermäße Verteidigung notwendig ist.

Die Gerichte haben hier meines Erachtens falsch entschieden, und nicht lediglich wegen fehlendem Vortrag zu Gunsten des Dialer-Versenders geurteilt.

Denn wenn eine unbestellte Verbindung zu einer Rufnummer hergestellt und eine unbestellte Dienstleistung über diese Telekommunikationsverbindung erbracht wurde, dann entfällt jeder Anspruch. Ein Anspruch ist nur dann nicht ausgeschlossen, wenn der Dialerbetreiber nachweist, daß der Anschlußinhaber mit der üblichen Sorgfalt davon hätte Kenntnis haben müssen(!), daß die in Rechnung gestellte Dienstleistung vom Dialerbetrüger in der Vorstellung einer vom Anschlußinhaber erfolgten Bestellung erbracht wurde.

Der Anschlußinhaber hat es als Verbraucher aber nicht deswegen an der notwendigen Gewissenhaftigkeit fehlen lassen, weil er keine Vorkehrungen dagegen trifft, daß ihm ein aufdringlicher Mehrwertanbieter ohne Bestellung Anwahlprogramme zusenden und ohne seine ausdrückliche Zustimmung ausführen und Verbindungen zu seiner Mehrwertnummer aufbauen kann. Vielmehr muß nach der gesetzlichen Regelung ein solcher Unternehmer darlegen, weshalb einem Verbraucher nicht hätte unbekannt bleiben können, daß seine unbestellte Erbringung der fraglichen Dienstleistungen auf der -falschen- Vorstellung beruht, der Verbraucher habe diese Dienstleistungen bestellt.

Soweit sich die Gerichte darauf zurückziehen, daß der Anschlußinhaber zu widerlegen habe, weshalb die Tatsache einer unbestellten Dienstleistung über eine unbestellte TK-Verbindung nicht den Beweis des erstens Anscheins für die Richtigkeit einer willentlichen Beauftragung mit der Erbringung einer Mehrwertdienstleistung über diese Verbindung für sich habe, entspricht das nicht dem Gesetz.

gal
 
Stimmt uneingeschränkt.

Nur weiß der durchschnittliche deutsche Amtsrichter das nicht, da er sich mit dieser Materie nicht auskennt. Die gängigen Kommentare liefern als Beispiel für "Anscheinsbeweis" die alten Sprachtelefonieurteile des BGH - mehr findet (und somit kennt) der Amtsrichter im Zweifel nicht.

Wenn dann der Klägervertreter (der immerhin häufig jemanden vertritt, dessen Namen der Amtsrichter schon mal gehört hat) diesen Eindruck durch die allseits bekannten Textbausteine unterstützt - bingo.

Ich möchte den Richtern da noch nicht mal unbedingt einen weiterreichenden Vorwurf machen. Die zeitliche Belastung gerade am AG ist ziemlich hoch, oft kommen Verwaltungsaufgaben im Hause hinzu, wenn mal eine Fortbildung besucht werden darf (das Land die Mittel dafür bereit stellt), dreht sich's um ZPO-Reform, Schuldrechtsmodernisierung oder Mietrechtsänderungsgesetze. Für TDG, TKV etc. ist da wenig Raum...

Was nichts an der Fehlerhaftigkeit der Urteile ändert. Und diese gilt es durch ausführlichen und "belehrenden" (im Wortsinn) Verteidigungsvortrag zu vermeiden - eine gute Verteidigung halt. Erkläre dem Richter (vorsichtig) das Recht und er ist recht einverstanden mit dem Ergebnis. Hilf ihm nicht - und du siehst selbst, ob du in die richtige Rechtsfindung konkret vertrauen durftest oder nicht.

So hatte ich's gemeint.
 
KatzenHai schrieb:
Was nichts an der Fehlerhaftigkeit der Urteile ändert. Und diese gilt es durch ausführlichen und "belehrenden" (im Wortsinn) Verteidigungsvortrag zu vermeiden - eine gute Verteidigung halt. Erkläre dem Richter (vorsichtig) das Recht und er ist recht einverstanden mit dem Ergebnis. Hilf ihm nicht - und du siehst selbst, ob du in die richtige Rechtsfindung konkret vertrauen durftest oder nicht.

Wirklich schön gesagt!

Und darum sollte jeder Ratsuchende hier diese Worte golden eingerahmt überreicht bekommen, neben dem Musterschreiben zur Beweislastumkehr und einigen schönen Urteilen, damit er´s zu seinem Anwalt trägt, und das Ganze Früchte trägt.
 
AG Achim
Weiterhin ist aus den von der Klägerin zur Akte gereichten Einzelverbindungsübersichten auch ersichtlich, dass für die insgesamt in Rechnung gestellten vier Einwahlen in die „0190-er-Rufniummerngasse" 3 verschiedene Rufnummern (019005xxx, 019003xxx und 019008xxx), welche darüber hinaus auch zu unterschiedlichen Tarifen arbeiten, angewählt wurden, was für sich bereits einen unerkannt arbeitenden Dialer weitgehend ausschließt.

Ist m.E. auch technisch Unsinn. Offensichtlich hatte der Beklagte irgendwann ein "Sicherheitszertifikat" bestätigt, welches auch anderen Seitenbetreibern den "Zugriff "auf seinen Rechner ermöglichte. Daher die unterschiedlichen Rufnummern. Von den Rufnummerngassen sieht es ganz nach unseren Freunden aus Mallorca aus.

Amtsgericht Borken
Verteidigung war wohl tatsächlich etwas dünn. Verwunderlich der Verweis auf die 8 Wochen Einwendungsfrist (aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen der DTAG). Entweder ist hier die DTAG beteiligt oder die Gegenseite ist mit der absurden Behauptung, der DTAG Hinweis auf die Frist beziehe sich auch auf die anderen Anbieter auf der Rechnung, durchgedrungen.
Ausserdem hat das Gericht die Frage übersehen (bzw der Beklagte nicht ordentlich vorgetragen) wie die berechneten Tarife überhaupt Vertragsinhalt werden.

Teleton
 
Law-Blog schrieb:
Damit hat sich abermals gezeigt: die Beweislast ist das entscheidende Moment
in Zivilprozessen über Telekommunikationsentgelte. Hier trägt aber auch der Verbraucher eine
gewisse Verantwortung: Wenn er einer Rechnung nicht rechtzeitig (und nachweisbar)
widerspricht, kann dies zu einer Umkehr der Beweislast führen.

Immer wieder der wichtigste Punkt im Zivilrecht: Den (Prozess)Gegner von vorherein in den Zugzwang bringen,
dann trägt er die Beweislast. Ist das Geld einmal in den Klauen des Gegners ist es wesentlich schwieriger,
es zurückzubekommen.
tf
 
Schön, Anna + Mitstreiter - netter Erfolg.

Was ich aber weiterhin nicht verstehe, ist die Formulierung "Umkehr der Beweislast". Eben die liegt m.E. gerade nicht vor.

Grundsätzliche Beweislastregel im Zivilprozess: Wer einen Anspruch behauptet, muss alle notwendigen Parameter beweisen, die für seinen Anspruch stützend notwendig sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Parameter plausibel ("erheblich") bestritten werden.

Bestreitet also der PC-User die gewollte Einwahl, liegt die Beweislast bei dem, der sich auf den bewussten vertragsschluss berufen muss, um sein Geld zu bekommen - also originär beim klagenden Mehrwertdiensteanbieter.

Das ist aber keine "Umkehr", sondern eben gerade nicht: Es ist die "übliche Beweislast".

Sie kehrt sich (ebenfalls "üblich") zwischen den Beteiligten dann um, wenn der Geschädigte auf Rückzahlung klagt - dann muss er alle anspruchstützenden Parameter beweisen, also (meistens) die ungerechtfertigte Bereicherung mangels Vertragsschlusses. Eine "Umkehr der Beweislast" in solchem prozess ist aber auch dies nicht ...

Nur mal so angemerkt ...
 
anna schrieb:
Wieder einmal eine neues Urteil für Dialer-Geschädigte: http://www.law-blog.de/archives/000012.html
(übrigens unter direkter Beteiligung von anna und Weisheiten der Juristen aus dem Forum)
Danke für die Blumen.


@ KatzenHai

Das mit der Umkehr der Beweislast ist entstanden, als die Amtsgerichte noch sehr häufig davon ausgingen, dass die Einwahl auch einen konkludenten Vertragsschluss bedeutete.

Ausgehend von dieser prozessualen Lage bedeutete die Rückkehr zum "normalen" Zivilprozessrecht eine Umkehr.
 
Statt Umkehr der Beweislast müsste es eigentlich "Nichtanwendung des ansonsten im TK Bereich üblichen Anscheinsbeweises" heißen.
Ist aber eher ne akademische Frage.

Teleton
 
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