Sammelklage ?

drboe

Mitglied
Sammelklagen gibt es nicht, heißt es immer wieder. Nun lese ich unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,374784,00.html

SpOn schrieb:
Bei der bundesweit ersten Sammelklage gegen Gaspreiserhöhungen haben Energiekunden einen Teilerfolg verbuchen können.
Klar, auch der Spiegel kann irren. Aber:

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schreibt es: http://www.vzbv.de/start/index.php?page=termin&id=49

Die Stiftung Warentest weiß davon: http://www.stiftung-warentest.de/online/umwelt_energie/meldung/1246415/1246415.html

Bei der Hamburger Dependance, wo der Prozess läuft, kommt der Begriff vor: http://www.vzhh.de/~upload/rewrite/TexteEnergieBauen/Gas_Argumente.aspx

Der Mieterverin in Hamburg hängt sich 'rein: http://www.mieterverein-hamburg.de/...preise_tariferhoehungen-preissteigerungen.htm

und "Mieter helfen Mietern" auch: http://www.mhmhamburg.de/data/aktuelles/index.php

Der Bund der Energieverbraucher (BDE) e. V.: http://www.energienetz.de/print.php4?pre_cat_open=2&id=131&subid=1382&subsubid=1400&

Die "Welt" berichtet: http://www.welt.de/data/2005/08/11/758234.html
und die "WamS" desgleichen: http://www.wams.de/data/2005/09/11/773231.html

Das "Hamburger Abendblatt" aus dem gleichen Hause kann da natürlich nicht fehlen: http://www.abendblatt.de/daten/2005/04/06/417901.html

Der NDR macht es: http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID1771662_REF2436,00.html

Kann man die Zeitungsberichte, vor allem die von heute, vielleicht noch auf dpa schieben, wie kommt es, dass auch Organisationen, für die ein Gerichtssaal kein unbekannter Ort sein dürfte, von Sammelklage sprechen? was also ist da los? Denn das heute 52 Klagen verhandelt wurden, glaube ich nicht. Denn das hätte man ja auch schreiben können.

M. Boettcher
 
Captain Picard schrieb:
da einer vom anderen abpinnt, macht es das nicht richtiger,
...
PS: Ein naher Verwandter (Jurist) bekommt regelmäßig entweder Bauch- oder Lachkrämpfe bei
Darstellungen juristischer Sachverhalte in den Medien.
Für Medien (Zeitungen, Fernsehen) ist das - inkl. von dpa abschreiben - gekauft. Aber auf Stifung Warentest, Bundesverband der Verbraucherzentralen, Mieterverband trifft das sicher nicht zu. Und die kennen sich aus, was Streit vor Gericht angeht. Vermutlich geht die Berichterstattung sogar von den Pressemeldungen der genannten Organisationen aus, so dass die Medien (diesmal) nahezu schuldlos sind.

Captain Picard schrieb:
bin kein Jurist, vermute,
dass es sich um eine Streitgenossenschaft oder Verbandsklage? handelt:
http://forum.computerbetrug.de/viewtopic.php?t=1474
Das habe ich auch gedacht. Dann würde aber z. B. die Verbraucherzentrale Hamburg klagen, die mit Aktionen und Musterbriefen den Stein mehr oder weniger ins Rollen brachte. Und das würde man m. E. so auch berichten können, zumal Frau Costello ja recht bekannt ist. Dagegen spricht m. E., das die Verbraucherzentrale Hamburg selbst den Begriff Sammelklage benutzt.

M. Boettcher
 
Ich denke mal, die unreflektierte Übernahme eines US-amerikanischen Begriffs sollte uns Aufgeklärte nicht verwirren - der SPIEGEL hat es (nicht durchgehend, aber dann) sauber dargestellt:

Auszug aus SPIEGEL-Online schrieb:
Mit ihrer von der Verbraucherzentrale unterstützten Klage wollen die 52 Kunden erreichen, dass sie die Preiserhöhungen von E.on Hanse nicht zahlen müssen. Das aus der Fusion der drei Regionalversorger Schleswag, Hein Gas und HGW HanseGas hervorgegangene Unternehmen mit Sitz in Quickborn hat die Preise nach Angaben der Verbraucherschützer in drei Schritten seit vergangenem Oktober um insgesamt 25 Prozent erhöht. E.on begründet die Anhebungen mit der Bindung des Gaspreises an den Ölpreis, der erheblich gestiegen ist. Von den Gaspreiserhöhungen seien 500.000 Kunden in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern betroffen.

Nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg sind 20.000 Kunden der Aufforderung gefolgt, die Preiserhöhungen nicht zu zahlen. Bei ihrer Musterklage argumentieren die Kunden, dass es in den Verträgen mit Verbrauchern keine Ölpreisbindung gebe. Auch seien die Gas-Einkaufspreise nicht gestiegen. Bundesweit wird geschätzt, dass eine halbe Million Gaskunden Preisanhebungen der jeweiligen Energieversorgungsunternehmen verweigerten. Nach Angaben des Bundesverbandes der Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) haben bislang weniger als 0,1 Prozent der Erdgas-Kunden die Zahlung der erhöhten Rechnungen verweigert.
 
http://www.konlus.de/musterverfahren.html
Musterverfahren
Musterprozesse sind angesichts des immer hektischeren, handwerklich unsauberen und immer schärferen Agierens des Gesetzgebers im Labyrinth des Steuerrechts ein immer beliebter werdendes Instrument von Interessenvertretern und Bürgern, Steuergesetze – vor allem auf den verfassungsrechtlichen - Prüfstand zu stellen.
cp

PS: ganz offen, ich blick da nicht durch, was was ist
 
"Musterverfahren" sind im Gesetz nicht geregelt, ausserdem gelten Urteile erstmal nur zwischen den Parteien. Wenn es um eine bestimmte Rechtsfrage geht ist es jedoch ökonomisch sich mit der Gegenseite zu einigen ein Verfahren "bis zum Ende durchzuziehen" und die anderen gleichartigen Verfahren ruhen zu lassen um nicht allein wegen der sonst einzuhaltenden Fristen die Gerichte mit unzähligen Verfahren zu behelligen.
 
"Sammelklagen"

Hallo,

ich hoffe, ich kann etwas zur Aufklärung beitragen.

Bei den sogenannten Sammelklagen handelt es sich um Klagen, die die Verbraucherzentralen lediglich koordinieren. Der Begriff der Sammellage hat sich hier eingebürgert. Im juristischen Sinne handelt es sich selbstverständlich um keine Sammeklage, da es diese in Deutschland (noch) nicht gibt. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Anläufe, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass eine entsprechende Regelung - wie es sie bspw. in den USA gibt - auch in Deutschland einzuführen. Bisher hat es der nationale Gesetzgeber abgelehnt.
Die Verbraucherzentralen koordinieren also die Klagen. Juristisch klagt jeder einzelne Verbraucher. Die Verbraucherzentralen sammeln Kläger und sorgen dafür, dass diese in einer Klage zusammen sind. Dies machen die Verbraucherzentralen deshalb, um den Streitwert eines Landgerichtes zu erreichen. Würde jeder einzeln gegen seinen Gasversorger klagen, würde er vor dem Amtsgericht landen. Beginnt man beim Landgericht, besteht die Chance, dass eine Klage vor dem BGH landet, und dieser entscheidet, ob das Gasversorgungsunternehmen verpflichtet ist, seine Kostenkalkulation offenzulegen, wenn der Nachweis der Billigkeit durch den Kunden verlangt wird.
Da die Verbraucherzentralen nicht selbst klagen, sind die Kunden Kläger und damit auch Kostenschuldner. D.h. grundsätzlich tragen sie das Kostenrisiko. Geht die Klage verloren, müssen Sie die Kosten des Verfahrens tragen - wenn nicht jemand die Kosten übernimmt. Dies geschieht im Hamburg bspw. über Spenden.

Eine Verbandsklage durch eine Verbraucherzentrale würde nicht weiter helfen. So können im Rahmen einer Verbandsklage durch die Verbraucherzentralen lediglich allgemeine Geschäftsbedingungen und Wettbewerbsverhalten geprüft werden. Das neue Recht der Verbraucherzentralen sogenannte Abtretungsklagen führen zu können geht ebenfalls nicht. Das Recht geht nur, wenn ein Verbraucher einen (Rück-)Zahlungsanspruch an eine Verbarucherzentrale abtritt. Einen solchen haben die Kunden der Gasversorger aber nicht, da sie die Preiserhöhung nicht bezahlt haben.
Die Verbraucher wollen ja "nur" festgestellt haben, dass die Preiserhöhung unbillig war. Dies geschieht im Rahmen einer sogenannten negativen Feststellungsklage. Und genau eine solche Klage dürfen Verbraucherzentralen nicht für die Verbraucher führen. Somit handeln diese "lediglich" als Koordinatoren.

Alles klar ?

Wenn im Rahemn dieser Verfahren entschieden wurde das die Preiserhöhung eines gasversorgers unbillig war, heißt dies allerdings noch nicht, dass die Preierhöhung anderer Gasversorger ebenfalls unbillig (unangemessen) waren. Diese Kunden müssen dann die Offenlegung der Kalkulation verlangen und prüfen, inwieweit Unangemessenheit vorliegt. Für diese Kunden der anderen Gasversorger helfen die Verfahren die Frage zu klären, ob der Gasversorger zur Offenlegung seiner Kalkulation verpflichtet ist. Dies wird ja einhellig durch die Gasversorger bestritten.
 
AW: "Sammelklagen"

RReichertz schrieb:
Es gab in der Vergangenheit immer wieder Anläufe, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass eine entsprechende Regelung - wie es sie bspw. in den USA gibt - auch in Deutschland einzuführen. Bisher hat es der nationale Gesetzgeber abgelehnt.
http://forum.computerbetrug.de/showthread.php?t=27882
http://de.wikipedia.org/wiki/Sammelklage
Situation in Deutschland
In Deutschland sind Sammelklagen in der Form der Class action nicht zulässig. Verfassungsrechtler gehen davon aus, dass die Sammelklage auch verfassungswidrig wäre. Die Zivilprozessordnung (ZPO) regelt die zulässigen Klagen bei einen Zivilprozess. Eine Sammelklage würde gegen Vorschriften der ZPO verstoßen. Zum einen gibt es in Deutschland nur in sehr begrenztem Maße präjudizielle Entscheidungen. Selbst wenn ein Gericht ein Urteil spricht und eine Rechts- oder Tatsachenfrage in einer bestimmten Weise beantwortet, sind andere Gerichte hieran nicht gebunden. Zum anderen ist dem deutschen Recht eine Gruppenbetroffenheit fremd. Jeder Kläger muss seine individuelle Betroffenheit, seinen individuellen Schaden und die Kausalität zwischen beidem darlegen und nachweisen.
Die Sammelklage in Sinne der "class action" ist in Deutschland wohl nicht denkbar.

Was hier immer wieder abgeschmettert wird, ist eben genau die Frage danach sich im Stil
einer Kondolenzliste eintragen zu können.
Dies ist IMHO nach wie vor völlig außerhalb jeder Realität.

cp
 
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