Grundlagen zur Bindung an Online-Abos/Vertragsfallen/versteckte Kosten

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rolf76

Winkel-Abokat
Grundlagen zur Bindung an Online-Abos

SMS-Versand vom PC, Hausaufgaben, Vornamen, Usenet-Download, Warenproben - der Markt für Online-Abos ist vielfältig.

Ob eine unerwartete Rechnung für ein Online-Abo gerechtfertigt ist, hängt von zwei Fragen ab:
  1. Besteht ein bindender Vertrag mit dem behaupteten Inhalt?
  2. Kann ich mich von dem Vertrag durch Widerruf, Anfechtung, Kündigung oder Rücktritt wieder lösen?
Die folgenden Ausführungen sollen hierzu einen Überblick geben, können aber eine individuelle Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen. Rechtsberatung erhält man bei den Verbraucherzentralen und bei Anwälten.
 
Besteht ein bindender Vertrag?

Besteht ein bindender Vertrag?
  • Darf der Anbieter mein eigenes Verhalten als Anmeldung für einen kostenpflichtigen Dienst verstehen?

    Verträge sind in der Regel formfrei und können schriftlich, mündlich oder auch durch sonstiges Verhalten geschlossen werden. Im Internet können Verträge per E-Mail oder durch schlichtes Anklicken von Buttons zustande kommen. Voraussetzung ist aber, dass der Empfänger die Erklärung als ein Vertragsangebot verstehen darf.
Wenn ein Anbieter aufgrund der Gestaltung seiner Homepage nicht davon ausgehen darf, dass der Kunde mit einer Anmeldung ein kostenpflichtiges Abo eingehen möchte, dann kann sich der Verbraucher darauf berufen, dass kein Vertrag geschlossen wurde.
Im Streitfall muss der Anbieter den Abschluss eines Vertrages beweisen, wenn er seine Vergütung einfordert. Wird z.B. nur versteckt auf die Kostenpflichtigkeit hingewiesen, ansonsten aber mehrfach mit "gratis" geworben, darf der Anbieter nicht davon ausgehen, dass der Verbraucher mit der Anmeldung ein kostenpflichtiges Abo eingehen möchte.

Solche Auslegungsfragen behandeln z.B. die Entscheidungen Amtsgericht München, Urt.v. 25.07.2005 (Az: 163 C 13423/05), Amtsgericht München vom 16.1.07, AZ 161 C 23695/06 und Amtsgericht München, Urt.v. 04.10.2007 - 264 C 13765/07.

Eine eigene Willenserklärung gebe ich auch dann ab, wenn ich - z.B. aus Bequemlichkeit - meine 5jährige Tochter einen Button anklicken lasse oder meinen Mann ein Formular ausfüllen lasse. Hier habe ich die konkrete Entscheidung getroffen und überlasse lediglich die Ausführung einem sogenannten Erklärungsboten.​
  • Können Dritte mich wirksam für einen Dienst anmelden?
Anders ist es, wenn nicht ich die Anmeldung selbst vorgenommen oder konkret veranlasst habe, sondern ein Dritter in meinem Namen als Vertreter gehandelt hat. Ein Vertragsschluss durch einen Vertreter erfordert - zusätzlich zu den oben skizzierten übereinstimmenden Willenserklärungen - eine im Voraus oder im Nachhinein erteilte Vollmacht. Wenn also ein Dritter ohne mein Wissen in meinem Namen einen Vertrag geschlossen hat, kann ich entscheiden, ob ich den Vertrag genehmige. Bis zur Genehmigung kann auch der Anbieter den Vertrag widerrufen. Erteile ich keine Vollmacht, kann sich der Anbieter an den vollmachtlosen Vertreter wenden, aber regelmäßig nicht an mich.​
  • Können sich Minderjährige für einen kostenpflichtigen Dienst anmelden?

    Minderjährige von 0 bis 6 sind geschäftsunfähig. Wenn sie sich eigenmächtig mit ihrem Namen für einen Dienst anmelden, entsteht dadurch keine vertragliche Bindung.

    Minderjährige zwischen 7 und 17 sind beschränkt geschäftsfähig. Sie können zwar im eigenen Namen Verträge abschließen. Die Wirksamkeit des Vertrags hängt aber von einer im Voraus oder im Nachhinein erteilten Zustimmung des Sorgeberechtigten ab. Grundsätzlich ist dabei eine allgemeine Einwilligung der Sorgeberechtigten in Verträge mit geringer Verpflichtung denkbar, z.B. der Kauf von Lebensmitteln, Spielsachen etc. mit dem Taschengeld. Bei Geschäften größeren Umfangs und insbesondere bei Verträgen mit dauerhafter Bindung wird eine solche Einwilligung allerdings regelmäßig fehlen. Wird die erforderliche Zustimmung ausdrücklich verweigert, ist der Vertrag endgültig unwirksam.

    Zur Frage, ob der Anbieter bei ungenehmigter Anmeldung durch Minderjährige Schadensersatz verlangen kann, siehe die Diskussion ab hier (einschließlich Folgepostings).
 
Kann ich den Vertrag widerrufen?

Bei im Internet geschlossenen Verträgen steht Verbrauchern regelmäßig ein Widerrufsrecht nach 312d Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB zu.

Der Widerruf kann innerhalb einer Widerrufsfrist von 14 Tagen in Textform (Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Ware erklärt werden. Dabei genügt die rechtzeitige Absendung (§ 355 Abs. 1 BGB). Erfolgt die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss, beträgt die Widerrufsfrist einen Monat. Der Unternehmer muss im Streitfall beweisen, dass und wann die Widerrufsbelehrung erfolgt ist.

Die Widerrufsfrist beginnt erst dann, wenn dem Verbraucher alle der nachfolgend aufgelisteten Informationen in klarer und verständlicher Weise in Textform mitgeteilt wurden:
  • Eine Widerrufsbelehrung (§ 355 Abs. 2 BGB), die
    • deutlich gestaltet ist, sich also durch Farbe, Buchstabengröße, Sperrschrift oder Fettdruck vom restlichen Text in nicht übersehbarer Weise abhebt,
    • in dauerhafter Weise in Textform erfolgt, so dass ein Exemplar der Belehrung beim Verbraucher verbleiben kann. Dies erfordert keine Zusendung per E-Mail, es reicht aus, wenn der Verbraucher z.B. online in nicht zu übersehender Weise zum Speichern oder Ausdrucken aufgefordert wird
    • Name und Anschrift desjenigen enthält, demgegenüber der Widerruf zu erklären ist,
    • auf den Fristbeginn hinweist und darauf, dass der Widerruf in Textform erfolgen kann und keine Begründung erfordert,
    • darauf hinweist, dass der Widerruf auch durch Rücksendung der Ware erfolgen kann und
    • darauf hinweist, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genügt.
Das Widerrufsrecht erlischt und kann nicht mehr ausgeübt werden:
  • Bei Warenlieferungen spätestens sechs Monate nach Eingang der Ware, sofern der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt wurde, § 355 Abs. 3 BGB;
  • Bei Dienstleistungen, wenn der Anbieter mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers mit der Dienstleistung begonnen hat oder der Verbraucher die Ausführung selbst veranlasst hat (§ 312d Abs. 3 BGB; die Einzelheiten hierzu sind jedoch unter den Juristen umstritten.).
Kein Widerrufsrecht besteht in folgenden Ausnahmefällen:
  • § 312b Abs. 3 BGB: Fernunterrichtsverträge (Sonderregeln im FernUSchG), Teilzeit-Wohnrechteverträge (§ 481 BGB), Bank- und Versicherungsverträge, Grundstücksverträge, Verträge über Lebensmittellieferung, Hotelverträge, Automatenverträge und Verträge über die Benutzung öffentlicher Fernsprecher.
  • § 312b Abs. 4 BGB: insbesondere speziell für den Kunden angefertigte Waren und verderbliche Waren, vom Verbraucher entsiegelte CDs, DVDs etc., Zeitungen, Zeitschriften, Illustrierte, Wett- und Lotteriedienstleistungen, Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB (Achtung: Ebay-Auktionen u.ä. sind keine Versteigerung in diesem Sinne!)
 
Kann ich den Vertrag einfach kündigen?

Kündigen kann ich nur dann, wenn ein Kündigungsgrund besteht:
  • Häufig wird ein vertragliches Sonderkündigungsrecht eingeräumt, z.B. in Form eines zweiwöchigen Schnupper- oder Testzugangs. Wenn nicht innerhalb dieser Frist gekündigt wird, kann der Vertrag meistens erst wieder zum Ablauf der Mindestvertragsdauer ordentlich gekündigt werden. Anders als beim Widerruf kann für die Kündigungserklärung in den AGBs eine bestimmte Form festgelegt werden (zu den Grenzen siehe hier).
  • Viele Verträge verlängern sich automatisch auf unbestimmte Zeit oder um die Mindestvertragsdauer, wenn der Vertrag nicht rechtzeitig und nicht in der vorgeschriebenen Form zum Ende der Mindestvertragsdauer ordentlich gekündigt wird. Eine Kündigung zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt ist jederzeit nach Vertragsschluss möglich. Welche Form für die Kündigung verlangt werden kann siehe hier.
  • Eine außerordentliche Kündigung bzw. ein Rücktritt ist dann möglich, wenn der Anbieter seine Leistung trotz Abmahnung wiederholt schlecht oder gar nicht erbringt (§ 314 BGB, § 323 BGB). Auf die vielfältigen Fragen der Gewährleistung und der denkbaren Pflichtverletzungen kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.
 
Kann ich den Vertrag anfechten?

Zusätzlich kann ich einen Vertrag anfechten, wenn einer der folgenden Anfechtungsgründe vorliegt:
  • In Betracht kommen vor allem die Anfechtungsgründe des § 119 BGB wegen Irrtums:
    • Ich war im Irrtum darüber, dass ich mit dem Anklicken eines Buttons eine rechtlich verpflichtende Erklärung abgebe, weil ich z.B. dachte nur an einem Gewinnspiel teilzunehmen oder
    • Ich habe mich über den konkreten Vertragsinhalt geirrt, z.B. wenn ich davon ausgehe, das Angebot koste deutlich weniger oder gar nichts.
Wenn anzunehmen ist, dass ich den Vertrag bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht geschlossen hätte, kann ich in diesen Fällen wegen Irrtums anfechten. Die Anfechtung muss ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem ich von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt habe (§ 121 BGB). Bei einem Irrtum über die Kostenpflichtigkeit eines Angebots muss ich also möglichst rasch nach Empfang der Rechnung anfechten, wenn ich erst durch die Rechnung bemerke, dass das Angebot kostenpflichtig sein soll. Dabei genügt es, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

Wenn dem Anbieter durch die Anfechtung ein Schaden entsteht und er diesen konkret beweisen kann, hat der Anfechtende diesen zu ersetzen. Ersatzfähig sind aber nur die Schäden, die dadurch entstehen, dass der Anbieter auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hat, § 122 BGB. Der Schadensersatzanspruch kann nicht höher sein als das vertragliche Entgelt. Die Schadensersatzpflicht tritt aber nicht ein, wenn der Anbieter damit rechnen musste, dass der Kunde sich bei der Anmeldung irren würde, also wenn er z.B. damit rechnen musste, dass der Kunde von einem Gratis-Angebot ausgehen wird.​
  • Anfechten kann aber auch derjenige, der den Vertrag aufgrund einer arglistigen Täuschung oder einer Drohung geschlossen hat (§ 123 BGB). Die Anfechtung einer nach § 123 BGB anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen, § 124 BGB. Die Jahresfrist beginnt mit der Entdeckung der Täuschung bzw. dann, wenn die durch die Drohung entstandene Zwangslage aufhört. Eine Schaden des Täuschenden oder Drohenden ist nicht zu ersetzen.
 
Und was mache ich jetzt?

Vertrag bestreiten (oder als Eltern nicht genehmigen), Widerruf, Kündigung, Anfechtung - wer sagt mir jetzt, was ich machen soll?
  • Beweise sichern: Alle Korrespondenz sichern, soweit möglich die Gestaltung der Anmeldeseiten zum Zeitpunkt der Eingabe der Daten sichern (Screenshots). Die Erinnerung schriftlich fixieren: wann kam ich wie auf welche Anmeldeseite, an welche Inhalte und eingebenen Daten kann ich mich erinnern. Was mir jetzt noch im Gedächtnis ist, kann in wenigen Wochen schon verblassen.
  • Wenn ich den Eindruck habe, dass mir ein Vertrag auf unlautere Weise aufgezwängt wurde, kann ich möglichst schnell folgende Erklärungen als Einschreiben/Rückschein oder als Telefax an den Anbieter senden, um alle Fristen zu wahren:
    • Bestreiten, dass mit der Anmeldung ein kostenpflichtiger Vertrag zustande gekommen ist (Beweislast trägt der Anbieter) und
    • Bei Minderjährigen zudem Verweigerung der Genehmigung des Vertragsschlusses durch den/die Sorgeberechtigten und
    • hilfsweise Erklärung des Widerrufs und
    • hilfsweise Erklärung der Anfechtung wegen Irrtums und
    • hilfs-hilfsweise ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin.
"Hilfsweise" gebe ich die Erklärungen deshalb ab, weil ich ja bereits bestreite, dass ein Vertrag zustande gekommen ist. Widerruf, Anfechtung und Kündigung setzen aber einen Vertrag voraus. Indem ich die das Bestreiten des Vertrages vorsorglich ergänzenden Erklärungen "hilfsweise" abgebe, betone ich, dass meiner Meinung nach "eigentlich" schon kein Vertrag besteht.
  • Danach besteht zunächst kein weiterer Handlungsbedarf. Der Anbieter (insbesondere der "dubiose" Anbieter) dürfte zunächst mit Mahnschreiben, Schreiben von Inkassounternehmen und anwaltlichen Schreiben eine Drohkulisse und eine stets wachsende Forderung aufbauen, um mich zur Zahlung zu bewegen.
  • Ein Handlungsbedarf besteht erst dann wieder, wenn ich einen gerichtlichen Mahnbescheid (näher hier ) erhalte. Diesem sollte ich widersprechen und einen Anwalt einschalten. Durch den Widerspruch gegen den gerichtlichen Mahnbescheid kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, in der zum ersten Mal ein Richter den Sachverhalt rechtlich würdigen wird. Gerade Anbieter mit fragwürdigen Geschäftsmodellen dürften aber in letzter Minute einen Rückzieher machen und auf die Forderung im Einzelfall verzichten. Denn ein für sie negatives Urteil könnte dazu führen, dass keiner ihrer "Kunden" mehr bezahlt (vgl. z.B. hier).
Ob diese Maßnahmen im konkreten Einzelfall wirksam sind, sollte in Zweifelsfällen durch Einholung von Rechtsrat geklärt werden. Diese Ausführungen können nur einen Überblick geben, eine individuelle Rechtsberatung im Einzelfall aber nicht ersetzen. Rechtsberatung erhält man bei den Verbraucherzentralen und bei Anwälten.

Noch ein Hinweis: Viele "Opfer" von irreführenden Angeboten überlegen sich, ob sie den jeweiligen Anbieter mit einer Strafanzeige "stoppen" können. Effektiver ist regelmäßig eine Beschwerde bei einer Person oder Einrichtung, die zur wettbewerbsrechtlichen Abmahnung befugt ist. Siehe dazu "Wer verfolgt Verstöße gegen das UWG?" (blaue Schrift anklicken)
 
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