AW: Ein Anwalt und seine Sicht der Dinge
Aber Sie sehen sicher auch, dass man vor Gericht nicht konkrete Paragraphen durch das Argument des "gesunden Volksempfindens" ersetzen kann.
Da, wo Paragraphen eindeutig und konkret sind, ok. Aber wo im Internetrecht ist das der Fall?
Da wären wir sonst nämlich wieder bei der Willkür.
Genau da sind wir doch! Nur ein paar Stichworte: Widerrufsbelehrung, Telefonnummer im Impressum, Glücksspiel im Internet, Haftung des Admin C, Haftung des Forenbetreibers, Abmahnmissbrauch usw. usf. Die Liste ist endlos.
Die unklare Rechtslage bewirkt, dass jeder Richter nach Gusto und Tagesform entscheidet.
Im Strafrecht kann sich die Justiz auch nicht hinter der Ignoranz und Unfähigkeit des Gesetzgebers, Insbes. des BMJ verstecken.
Wenn es um die Belange des Staates geht, ist die Justiz nämlich äußerst kreativ darin, Gesetze (incl. Grundgesetz) so zu verbiegen, dass es passt.
Man komme mir also nicht mit der Besorgnis der Willkür.
Willkür ist übrigens auch ein dehnbarer Begriff. Darunter fällt für mich auch folgende Konstellation:
Armin Armesau geht in den Supermarkt, schubst die Kassiererin und greift 100 EUR aus der Kasse. Wenn er vergessen hat, vorher sein Taschenmesser vom Schlüsselbund abzuklemmen und wegzuschmeißen, stehen für ihn 5 Jahre auf der Rechnung, die sein Pflichtverteidiger nur unwesentlich kürzen wird.
Wenn das LG Frankfurt hingegen in der tausendfachen Abzocke unbedarfter Menschen keine strafbare Handlung sieht, dann ist das für mich schon nicht mehr Willkür, sondern Strafvereitelung. Günstigstenfalls das Eingeständnis der Hilflosigkeit und des Unwissens, also der Kapitulation des Rechtsstaates.
Ein solches Rechtssystem ist keinem halbwegs sozialisierten Menschen vermittelbar. Mir ist aber auch klar, dass die Bewohner der akademischen Elfenbeintürme sich weder für die Lebenswirklichkeit, noch für ethische- und moralische Werte interessieren. Dort ist die Formalie alles und der Mensch zählt nichts.