AG Kempen ''ohne Einzelverbindungsnachweis kein Geld''

118xx

Mitglied
Ohne Einzelverbindungsnachweis gibt’s kein Geld, das Urteil liegt auch der Linie der neueren Rechtsprechung, die Frage nach der technischen Dokumentation gem. §16 TKV stellte sich gar nicht erst da schon der Einzelverbindungsnachweis fehlte.

Gegen das Urteil war zunächst Berufung eingelegt worden( Landgericht Krefeld 1 S 153/04), diese wurde nunmehr zurückgenommen so dass die erstinstanzliche Entscheidung durch Rücknahme der Berufung rechtskräftig geworden ist.

13 C 276/04
AMTSGERICHT KEMPEN
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
In dem Rechtsstreit
...
g e g e n

hat das Amtsgericht Kempen
auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2004
durch den Richter am Amtsgericht ...

für RECHT erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte
(Anmerkung: Dies war ein Versehen des Gerichtes, welches durch Berichtigungsbeschluss korrigiert wurde, die Kosten trägt natürlich die Klägerin)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin stellte der Beklagten einen Telefonfestnetzanschluss unter ihrer im Rubrum genannten Adresse betriebsbereit zur Verfügung. Die durch die Nutzung und Bereitstellung entstandenen Kosten stellte die Klägerin der Beklagten monatlich in Rechnung. Die Parteien streiten um Positionen aus einer Telefonrechnung vom 21.03.2001, in denen die Klägerin insgesamt 704,29 EUR wegen der Anwahl von Mehrwertdienstverbindungen über das Internet mit der Vorwahl 0190 abrechnete. Die Beklagte monierte die Rechnung mit Schreiben vom 21.03.2001 und forderte die Klägerin erfolglos zur Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises aus. Die Klägerin mahnte den Restbetrag aus der streitigen Rechnung unter Fristsetzung auf den 12.05.2002 an.

Die Klägerin behauptet, die Verbindung über einen Internetdialer sei mit Wissen und Wollen des Nutzers des Telefonanschlusses der Beklagten erfolgt, da der PC-Nutzer stets den Verbindungsaufbau aktiv bestätigen müsse.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 704,29 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.5.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und bestreitet im übrigen, eine Anwahl der Mehrwertdienstnummern wissentlich veranlasst zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten vorbereitenden Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der streitigen Position aus der Rechnung vom 23.1.2001. Denn die Klägerin hat ihren vermeintlichen Anspruch bereits nicht hinreichend dargelegt. Aufgrund der von der Beklagten mit Schreiben vom 23.1.2001 erhobenen Einwendung gegen die strittige Position wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihre Forderung unter Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises konkret darzulegen. Gem. § 16 Abs. 1 TKV ist dann, wenn der Kunde Einwendungen gegen die Art und Höhe der ihm in Rechnung gestellten Verbindungsentgelte erhebt, das Verbindungsaufkommen nach den einzelnen Verbindungsdaten aufzuschlüsseln und eine technische Prüfung durchzuführen, deren Dokumentation dem Kunden vorzulegen ist.Derartige Unterlagen hat die Klägerin trotz des ausdrücklichen Hinweises des Beklagtenvertreters in dessen Schriftsatz vom 25.8.2004 weder in den Rechtsstreit eingeführt noch hat sie zu etwaigen Hinderungsgründen vorgetragen. Ferner hat sie auch keinerlei Beweis für den von ihr behaupteten willentlichen Abruf der Mehrwertdienstleistungen durch die Beklagte angeboten oder auch nur die im einzelnen abgerechneten Verbindungsentgelte oder deren Einbeziehung in das Vertragsgefüge dargelegt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre es auch nicht Sache der Beklagten gewesen, einen etwaigen Anscheinsbeweis für den willentlichen Verbindungsaufbau durch Vorlage von Internetverlaufsprotokollen zu entkräften. Denn es ist inzwischen allgemein bekannt, dass sog. Web-Dialer auch selbsttätig die Standarteinwahlverbindungseinträge im PC-Betriebssystem ändern können, so dass nicht allgemein und typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Nutzer einen etwaigen Verbindungsaufbau vorher aktiv durch Tastendruck bestätigen muss. Daher kann nur anhand der Einzelverbindungsnachweise überprüft werden, ob der jeweilige Anbieter eines Mehrwertdienstes einen „sicheren“ Dialer zur Verfügung stellt.

Schließlich trifft auch nicht den Anschlussinhaber sondern den Netzbetreiber das Risiko der heimlichen Installation eines automatischen Einwahlprogramms in einen Computer. Dem Anschlussinhaber obliegt es nicht, Vorkehrungen gegen sogenannte Dialer zu treffen, solange kein konkreter Hinweis auf einen Missbrauch vorliegt (BGH NJW 2004, S. 1590).

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 704,29 EUR
 
:thumb: aber:

warum ist das Gericht nicht auf die Einrede der Verjährung eingegangen? Das war doch eine Forderung aus 2001!

Gruß wibu
 
Forderung aus 2001
Verjährungsbeginn (altes Recht)
1.1.02 bis 31.12.03
Mahnbescheid ergangen, hemmte Verjährung während Mahnverfahren + nach letzter Prozesshandlung (Eingang Widerspruchsnachricht bei Klägerin) noch weitere 6 Monate. Klage aus 7/04 könnte je nach Laufzeit des Mahnbescheides/Widerspruchs grade noch rechtzeitig gewesen sein.
 
Oops, da hab´ ich mich blöde ausgedrückt. Verjährt war´s sicherlich nicht. Mich wundert nur, dass das Gericht gar nicht auf die Einrede der Verjährung eingegangen ist. Wenn sich die Beklagte schon darauf beruft, müsste das Gericht m.E. zumindest mit einem Satz darauf eingehen, z.B. so:

..... die Beklagte kann sich nicht auf die Verjährung berufen, weil....

oder so:

..... es mag dahingestellt sein, ob die Verjährung eingetreten ist oder nicht, weil....

Gruß wibu
 
wibu schrieb:
Verjährt war´s sicherlich nicht.

Öhm, so eindeutig wars nicht, es wäre nur ziemliche Frickelei gewesen zu prüfen ob Verjährung eingetreten ist.

Von der Prüfungsreihenfolge haut es hin. Erst wird geprüft ob die Forderung besteht, und dann im zweiten Schritt,ob sie wegen Verjährung nicht durchsetzbar ist.
Wenn sie schon nicht besteht braucht zu den weiteren Prüfungspunkten nicht Stellung genommen werden.
Wenn das Gericht aber -in einem Fall eindeutiger Verjährung- die Verjährung als Prüfungspunkt vorzieht dann muss ein Satz wie
"Es kann dahinstehen ob die Forderung überhaupt besteht, da sie jedenfalls verjährt ist "
hin.
 
118xx schrieb:
13 C 276/04
AMTSGERICHT KEMPEN

(...)

Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre es auch nicht Sache der Beklagten gewesen, einen etwaigen Anscheinsbeweis für den willentlichen Verbindungsaufbau durch Vorlage von Internetverlaufsprotokollen zu entkräften. Denn es ist inzwischen allgemein bekannt, dass sog. Web-Dialer auch selbsttätig die Standarteinwahlverbindungseinträge im PC-Betriebssystem ändern können, so dass nicht allgemein und typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Nutzer einen etwaigen Verbindungsaufbau vorher aktiv durch Tastendruck bestätigen muss. Daher kann nur anhand der Einzelverbindungsnachweise überprüft werden, ob der jeweilige Anbieter eines Mehrwertdienstes einen „sicheren“ Dialer zur Verfügung stellt.

Haltloses Argument.

Denn wenn ein Anscheinsbeweis hier deswegen nicht in Frage kommt, weil "inzwischen allgemein bekannt" sei, daß dialerveranlaßte Verbindungsherstellungen auch ohne vorherigen Tastendruck möglich seien, dann würde auch die Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises, oder gar der Nachweis der Zurverfügungstellung eines "sicheren" Dialers durch den Mehrwertdienste-Anbieter es nicht rechtfertigen, dem ersten Anschein nach die Tatsache als erwiesen zu betrachten, daß der Verbindungsaufbau willentlich geschehen sein müsse, weil allgemein bekannt ist, daß auch dann noch Verbindungen ohne Tastendruck aufgebaut werden können und auch werden:

computerbetrug.de im März 2005 schrieb:
Unter den teuren Rufnummer 0900990000-929, -930, -931 und -932 werden ... Dialer eingesetzt ... die sich automatisch und ohne Wissen des Betroffenen einwählen.
http://forum.computerbetrug.de/viewtopic.php?t=9505

Die Mehrwertdienste-Anbieter hatten hier (auch) einen "sicheren" Dialer zur Verfügung gestellt, der offensichtlich den Anforderungen der Registrierungsbehörde genügte:

computerbetrug.de schrieb:
Die ordnungsgemäss registrierten Dialer der Newlines AG seien nie von der Reg TP widerrufen worden.

Vor diesem Hintergrund erscheint die stillschweigende Annahme des AG Kempten fragwürdig, daß erst(!) der fehlende technische Prüfbericht/Verbindungsnachweis einen Anschweinsbeweis ausschließe (wegen der nicht möglichen Prüfung auf Zurverfügungstellung eines "sicheren" Dialers).

gal.
 
galdikas schrieb:
Vor diesem Hintergrund erscheint die stillschweigende Annahme des AG Kempten fragwürdig, daß erst(!) der fehlende technische Prüfbericht/Verbindungsnachweis einen Anschweinsbeweis ausschließe (wegen der nicht möglichen Prüfung auf Zurverfügungstellung eines "sicheren" Dialers).
OK, gekauft. Die vom Gericht als Web-Dailer bezeichneten Programme verschwinden nun nicht in der Versenkung, selbst wenn man sie nicht identifizieren kann, sondern sie werden wohl ständig raffinierter. Jedenfalls kann man das annehmen. Das heißt, dass niemand mehr beweisen kann, dass eine Internet-Wählverbindung willentlich aufgebaut wurde. Der Kunde muss es nicht, er bestreitet es vielmehr. Der Carrier kann den Beweis nicht bringen und seine u. U. vorgelegten Einzelverbindungsnachweise taugen nicht dazu den Willen des Kunden zu belegen. Ich vermute sogar, dass eine Folge kurzer 30 EUR teuer Einwahlen im Abstand weniger Minuten eher das Gegenteil belegt. Warum schließlich sollte man auflegen, wenn man eben gerade 30 EUR investiert hat? Etwa um weitere "Spenden" an zweifelhafte Webmaster PP zu veranlassen?

In der Folge kann ein Unternehmen auf das Einklagen von Gebühren eigentlich gleich verzichten, weil sie schlicht keine Chance haben den Beweis für die willentliche Nutzung anzutreten. Daher müßten sie das Risiko bewerten eine Menge Geld zu verlieren, wenn Kunden massenhaft von der Einspruchsmöglichkeit Gebrauch machen. Und wenn sie es nicht tun, dann deren Banken (Basel II ?). Kann man einem Carrier überhaupt noch raten Einwahlen über Mehrbetrugsnummern innerhalb seines Netzes zuzulassen? ;)

M. Boettcher
 
@ Gal
Die Klageabweisung erfolgte in erster Linie weil die Forderung –mangels Vorlage des Einzelverbindungsnachweises- gar nicht ausreichend subtantiiert war.
Es reicht –jedenfalls wenn vom Kunden Einwendungen erhoben werden- nicht aus sich pauschal auf eine Rechnung zu berufen, ohne zumindest darzulegen für welche einzelnen Leistungen das Entgelt überhaupt gefordert wird ( vgl. z.B. OLG Celle NJW RR 97,568).
Dies gilt m.E. unabhängig davon über was für Verbindungsentgelte gestritten wird.

Die weiter Argumentation des Gerichtes zu Dialern spiegelt den Vortrag der Parteien wieder.
Von Beklagtenseite war u.a. vorgebracht worden, dass es ohne Mitteilung der strittigen Rufnummer nicht möglich ist (zB bei Dialerschutz und Computerbetrug) zu prüfen ob zu der Rufnummer illegale Dialer im Umlauf waren ( es geht um Einwahlen aus 2001).

Zutreffend ist, dass das der Begriff „nur“ im Urteil insoweit missverständlich ist.
 
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