Widerruf von Lastschriften - die "6-Wochen-Mär"

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KatzenHai

Scyliorhinus stellaris
Einer Lastschrift vom eigenen Konto kann man nur 6 Wochen lang widersprechen!
... ist das wirklich so?


Man liest es immer wieder - wenn vom Konto abgebucht wurde, und man ist mit der Abbuchung nicht einverstanden, so hat man 6 Wochen Zeit, die Abbuchung zurück zu nehmen. Anders herum: Versäumt man diese 6-Wochen-Frist, ist die Abbuchung nicht mehr rückgängig zu machen, das Geld ist dauerhaft weg.

Selbst Bundeszentralen von Verbraucherschutzorganisationen satteln dieses Pferd, ohne nachzusehen, ob es überhaupt ein Pferd ist - es stimmt nämlich so nicht.

Was stimmt denn?

Nun, bauen wir es zunächst einmal rechtlich-logisch auf, in drei Schritten, die man auch "Grundsätze" nennen könnte. Danach versuche ich einmal, es plakativ zusammen zu fassen.

1. Grundsatz
"Lastschriften sind vorläufig, bis dass sie genehmigt werden."


Das ist seit mehreren Jahrzehnten durchgängige Rechtsprechung der Obergerichte. Der Hintergrund ist klar - da meldet sich eine dritte Bank und behauptet, vom Konto des Kunden Geld beanspruchen zu können. Die Hausbank des Kunden bedient diesen Wunsch, ohne dass ihr der eigene Kunde eine Weisung erteilt hätte. So rechtlos darf der Kunde wohl kaum in Sachen des eigenen Geldes bleiben - also schwebt die ganze Sache, bis dass der Kunde diese Abbuchung seines Geldes genehmigt.

2. Grundsatz
"Schweigen im Rechtsverkehr hat keinen Aussagegehalt".


Wer nichts sagt, sagt nichts, erst recht nichts falsches. Das ist erst einmal so.

Wenn also die Banken und Sparkassen eine rechtsgeschäftiche Erklärung haben wollen, dass eine Lastschrift genehmigt wird, so müssen sie warten, bis der Kunde ihnen diese gibt.

Nun ist uns allen bekannt, dass wir nicht andauernd zur Bank oder Sparkasse rennen und unsere Lastschriften genehmigen - das wäre auch wirklich nicht praktisch.

Wie wird das nun gelöst?

3. Grundsatz
"Allgemeine Geschäftsbedingungen können Erklärungen unter Umständen fingieren".


Nachdem die Obergerichte mehrere Versuche der Banken und Sparkassen zurück gewiesen haben, aus Schweigen eine Erklärung zu stricken, hat der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen den jetzigen Zustand der Allgemeinen Bedingungen genehmigt:

- Urteil vom 06.06.2000, XI ZR 258/99:
Die damaligen Bedingungen reichen nicht ganz, so lange nicht für Lastschriften etwas ausdrückliches, eigenes notiert ist. Ansonsten aber: Es könnte gehen ...

- Urteil vom 25.10.2007, IX ZR 217/06:
So, wie es jetzt inzwischen geregelt ist, geht's. Die Banken und Sparkassen haben seit der 2000er-Entscheidung nachgepflegt, und zwar richtig.

Sie haben nämlich dieses geregelt:
AGB Sparkassen schrieb:
7.4 Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften

Einwendungen gegen eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, muss der Kunde unverzüglich schriftlich oder, wenn im Rahmen der Geschäftsbeziehung der elektronische Kommunikationsweg vereinbart wurde (z.B. Homebanking), auf diesem Wege erheben (Nr. 20 Absatz 1 Buchst. g). Hat er eine im darauf folgenden Rechnungsabschluss enthaltene Belastungsbuchung nicht schon genehmigt, so gilt die Genehmigung spätestens dann als erteilt, wenn der Belastung nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses widersprochen wird. Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch innerhalb von sechs Wochen abgesandt worden ist. Auf die Genehmigungswirkung wird die Sparkasse bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen.
Aha.

AGB Banken schrieb:
7. Rechnungsabschlüsse bei Kontokorrentkonten (Konten in laufender Rechnung);
Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften

(...)
(3) Genehmigung von Belastungen aus Lastschriften
Hat der Kunde eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, nicht schon genehmigt, so hat er Einwendungen gegen diese im Saldo des nächsten Rechnungsabschlusses enthaltene Belastungsbuchung spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zu erheben.
Macht er seine Einwendungen schriftlich geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung der Belastung. Auf diese Folge wird die Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen.
Soso.

Also: Sechs Wochen zum Widerspruch mit Belehrung, sonst wird die Genehmigung (rechtswirksam) unterstellt.


Äh, Moment - dann haben ja doch alle Recht, die ständig von "sechs Wochen" reden und schreiben?

;)
Nein.​

Der erste Satz im Zitat der AGB Sparkassen (vergleichbares gilt bei den Banken) lautet sinngemäß:
"Einwendungen gegen eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, muss der Kunde unverzüglich schriftlich (...) erheben".

Die Unterstreichung ist von mir - und genau darauf kommt es an:
Die 6-Wochen-Frist gilt nur für Lastschriften, bei denen tatsächlich eine Einzugsermächtigung vorlag!
Sie gilt nicht für Abbuchungen, bei denen keine Einzugsermächtigung vorlag!

Wenn also irgendwer einfach so Geld vom Konto abbucht, kann ansatzweise unbeschränkt "die Genehmigung versagt werden", also der Abbuchung widersprochen werden.

Die allgemeine Verjährungszeit von drei Jahren dürfte eine Grenze darstellen - hierzu gibt es aber bisher (soweit ich es gefunden habe) keine Rechtsprechung.

Falls die Verbraucherschützer das nicht glauben wollen - egal. Es stimmt trotzdem.


Plakative Zusammenfassung:
(in dieser Verkürzung natürlich nicht für alle denkbaren Fälle ausreichend):​

1. Abbuchungen müssen genehmigt werden - bis dahin können sie zurück gerufen werden. Hierfür sind keine Gründe anzugeben.

2. Wurde eine Einzugsermächtigung erteilt, stellt es eine Genehmigung dar, wenn nach einem Bankabschluss 6 Wochen lang nicht widersprochen wurde. Das gilt aber nur dann, wenn auf diese Wirkung im Abschluss hingewiesen wurde.

3. Wurde keine Einzugsermächtigung erteilt, gibt es keine Genehmigungsfiktion - der Widerruf kann auch nach deutlich mehr als 6 Wochen noch wirksam erfolgen.
 
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