Verwirrspiel um Telefonrechnungen
Presseinformation der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern
99/ 2002 17. Dezember 2002
Verwirrspiel um Telefonrechnungen
Wer hat was zu sagen auf dem Telekommunikationsmarkt?
Verwirrt bleibt der Verbraucher zurück, wenn er versucht, sich kundig zu machen, wie er sich verhalten soll, wenn seine Telefonrechnung exorbitante Beträge ausweist, die er sich nicht erklären kann.
Das Problem
Seit geraumer Zeit reißen die Beschwerden bei der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern über so genannte Mehrwertdiensteanbieter nicht ab. Dabei geht es vor allem um Forderungen im Zusammenhang mit Dialer-Programmen, die unbemerkt auf den PC gelangen oder ihre Kostenfolge verschleiern, sowie um solche, die durch Irreführung bei der telefonischen Nutzung einer 0190-Nummer entstehen. Das Problem dabei ist, dass die Netzbetreiber die Forderungen der Mehrwertdiensteanbieter zusammen mit der Telefonrechnung einfordern und der Betroffene so erst im Nachhinein erfährt, dass er für eine - angeblich erbrachte - Leistung zahlen soll. Weigert er sich zu zahlen, wird mit Anwälten, dem Gericht und der Sperrung des Telefonanschlusses gedroht.
Die Aussagen
Die oberste Verbraucherschützerin, Ministerin Künast, zur 0190-Geldschneiderei: "Diese unseriösen Praktiken sind verbraucherpolitisch nicht hinnehmbar. Kurzfristig ermuntere ich die Netzbetreiber, allen voran die Telekom, das Inkasso zu verweigern, wenn eine Forderung eines Telefonkunden bestritten ist, und bereits abgebuchte Beträge zurückzuerstatten." Denn, so Künast, Netzbetreiber, die die Leitungen zur Verfügung stellen und damit selbst am Geschäft beteiligt sind, dürfen sich nicht als Inkasso für unseriöse Anbieter missbrauchen lassen.
Das sieht die Telekom anders. Deren Pressesprecher rät bspw. in einem Radiointerview Internetsurfern, die auf eine 0190-Abzocke hereingefallen sind, sich mit dem Anbieter einvernehmlich zu einigen. Und weiter: "Kann eine einvernehmliche Einigung hier nicht zustande kommen, dann geht zunächst einmal der normale rechtliche Weg weiter. Das heißt: Es würde hier zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen. Wir müssen diesen Weg leider gehen, weil wir nach geltender Rechtslage dazu verpflichtet sind, das Inkasso für 0190-Nummern für andere Unternehmen zu übernehmen."
Auch Mitbewerber Talkline möchte am liebsten ohne Wenn und Aber kassieren. Den Hinweis, man könne doch nicht auch noch für offensichtliche Betrüger das Geld eintreiben, wischt das Unternehmen einfach vom Tisch: Eine Einwendung wegen Betruges sei erst dann begründet, "wenn entweder eine rechtskräftige Verurteilung wegen Betruges festgestellt wurde bzw. ein Zivilgericht im Rahmen einer Inzidenterprüfung das Vorliegen des Tatbestandes festgestellt hat."
Noch einen Schritt weiter geht die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post: Zahlen um jeden Preis, so deren Botschaft.
Auf die Tatsache, dass der Nutzer oft erst nach Erhalt der Telefonrechnung mit den Kosten seines Handelns konfrontiert wird, weiß sie nur eine Antwort: "Da er diese Nutzung zu vertreten hat, muss er diese ihm oft unerklärlich entstandenen Verbindungsentgelte bezahlen." Es ist bedauerlich, dass die Behörde diese eigenwillige Auffassung der "Freiwilligen Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V." (FST), der Interessenvertretung der Anbieter, bis heute verbreitet. Dies gilt um so mehr, als sich die FST selbst bereits vor Monaten von dieser extremen, offensichtlich unhaltbaren Formulierung getrennt hat.
Der Rat
Nach Ansicht von Verbraucherschützern starker Tobak, rechtlich zweifelhaft und sehr verwirrend, was da einzelne Akteure des Telekommunikationsmarktes so von sich geben.
Einen einfachen und dazu absolut sicheren Rat kann in Anbetracht der völlig unzulänglichen Gesetzeslage auch die Verbraucherzentrale nicht geben. Nicht verschwiegen werden soll jedoch, dass offensichtlich nicht unbedingt diejenigen am schlechtesten fahren, die sich einfach so verhalten, wie sich Opfer von Betrügern auch außerhalb des Telekommunikationsmarktes verhalten -
Strafanzeige erstatten und nicht zahlen, und zwar weder an die Betrüger, noch an diejenigen, die das Inkasso für die Betrüger zu betreiben versuchen.
Obwohl die Verbraucherzentrale schon seit mehreren Jahren in hunderten von Fällen keinem der Betroffenen mehr geraten hat, sich auf Vergleichsverhandlungen einzulassen oder gar die geforderten Beträge zu zahlen, ist ihr kein Fall bekannt, dass auch nur eines der tatsächlichen oder vermeintlichen Betrugsopfer verklagt worden wäre. Dies gilt insbesondere auch für diejenigen, denen bereits durch Rechtsanwaltskanzleien mit der Klage gedroht worden war. Weitere Informationen gibt es in allen Beratungsstellen der Verbraucherorganisation.
Veröffentlichungen - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe
Ansprechpartner für Redaktionen: Andreas Ptak
email
[email protected] Fax (0381) 4 93 98 30 Internet
www.verbraucherzentrale-mv.de
________________________________________
Joachim Geburtig
http:// :argue: www.geburtig.de