Verbraucherschützer: 0190-Gesetz „kein großer Durchbruch“
Vor genau einem Jahr, im August 2003, trat in Deutschland das „Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern“, kurz Mehrwertdienste-Gesetz, in Kraft. Aber sind Dialer, 0190, 0900 und 0137-Nummern jetzt wirklich im Griff? Können Abzocker wirksam bekämpft werden – und seriöse Anbieter vernünftig arbeiten? Anlässlich des Jubiläums hat Dialerschutz.de Verbraucherschützer, Branchenvertreter, Verbraucherministerium und Opposition um Stellungnahmen gebeten. Den Auftakt unserer vierteiligen Interviewreihe macht Carola Elbrecht, Telekommunikationsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) in Berlin.
Dialerschutz.de: Das Mehrwertdienste-Gesetz sollte Verbraucher besser vor Missbrauch schützen. Ist dieses Ziel erreicht worden?
Elbrecht: Das Gesetz enthält einige positive Ansätze. Dazu zählt beispielsweise die Pflicht der Anbieter, bei 0190er und 0900er Rufnummern den konkreten Preis zu nennen – sowohl in der Werbung als unmittelbar vor Inanspruchnahme eines Mehrwertdienstes. Positiv sind auch die Entgeltbegrenzung auf zwei Euro pro Verbindungsminute beziehungsweise 30 Euro bei Blocktarifen, sowie die Zwangstrennung einer Mehrwertdienste-Verbindung nach einer Stunde. Dennoch – der große Durchbruch ist das neue Gesetz nicht. Das zeigen die vielen Beschwerden, die nach wie vor bei den Verbraucherzentralen eingehen.
Dialerschutz.de: Wo sehen Sie die Hauptprobleme der Verbraucher?
Elbrecht: Zum Beispiel hat die Beschränkung der bei der Regulierungsbehörde registrierten Dialer auf die Rufnummerngasse 0900-9 dubiose Diensteanbieter animiert, Verbrauchern über so genannte Auslands- und Satellitendialer das Geld aus der Tasche zu ziehen. Hier ist leider im Gesetz nicht eindeutig geklärt, ob eine Zahlungsverpflichtung der Verbraucher besteht. Außerdem halten wir die bisher praktizierte Registrierung von Dialern für nicht ausreichend, weil sie den Verbrauchern Sicherheit nur vorgaukelt. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation prüft lediglich, ob die Registrierungsdaten vollständig sind – ob der Dialer allerdings tatsächlich missbräuchlich eingesetzt wird, wird nur bei Stichproben geprüft.
Dialerschutz.de: Wo sind Ihrer Meinung nach noch Lücken in der Gesetzgebung?
Elbrecht: Nach wie vor sind wir der Auffassung, dass das Gesetz auf alle Mehrwertdiensterufnummern ausgeweitet werden muss. Das betrifft z.B. die Auskunfts- (118xy) und T-Vote-Call-Rufnummern (0137xy) sowie die Kurzwahlnummern im Mobilfunkbereich. Denn auch bei diesen Nummern war in der Vergangenheit Missbrauch zu beobachten. Wir sehen auch ein Problem mit der Beweislastverteilung im Falle eines Missbrauchs mit einer Mehrwertdiensterufnummer. Streitpunkt ist immer wieder die Frage, wer letztlich beweisen muss, dass ein Mehrwertdienst gar nicht oder nicht bewusst in Anspruch genommen worden ist. Aus unserer Sicht ist die Rechtslage nicht klar genug. Nicht umsonst gab es in den vergangenen Monaten zahlreiche Gerichtsverfahren, um hier Rechtsklarheit zu schaffen. Dennoch zeigt die Vielzahl der in den vergangenen Monaten zugunsten der Verbraucher erstrittenen positiven Urteile die Tendenz, dass nicht der Telekommunikationskunde in die Beweispflicht genommen wird, sondern vielmehr der Diensteanbieter oder gar der Netzbetreiber selbst. Dieser Trend in der Rechtsprechung dokumentiert den dringenden Regelungsbedarf im Gesetz. Letztlich darf es nicht dem Zufall überlassen werden, vor welchem Gericht derartige Streitigkeiten enden. Insofern ist der Gesetzgeber gefordert, eindeutige und klare Beweislastregeln zu treffen.
Der kürzlich vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Entwurf der novellierten TKV sieht diesbezüglich eine Beweislastregel zugunsten der Verbraucher vor. Es wird zu prüfen sein, ob diese aus Verbraucherschutzsicht ausreichend ist. Darüber hinaus beobachten wir seit geraumer Zeit, wie sich Mehrwertdiensteanbieter mit ihren Angeboten verstärkt an Kinder und Jugendliche richten. Aufgrund der damit verbundenen Vielzahl der Verbraucherbeschwerden sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Daher fordern wir unter anderem eine gesetzliche Verpflichtung der Mehrwertdienstleister eine Altersabfrage vorzunehmen. Bei Minderjährigen müssen die Eltern zustimmen, sonst ist ein Vertrag nichtig. Das muss auch für Mehrwertdienste gelten.
Dialerschutz.de: Das Bundeswirtschaftsministerium plant neue Verordnungen, in denen nunmehr auch Aspekte wie Premium-SMS und die Nachweispflicht von Diensteanbietern berücksichtigt sind. Wie beurteilen Sie als Verbraucherschützer diese Vorschläge?
Elbrecht: Zum Einen ist der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, europarechtliche Vorgaben umzusetzen, die zum Ziel haben, den Verbraucher im Telekommunikationsbereich besser zu schützen. Zum Anderen hat der Gesetzgeber die dringende Notwendigkeit erkannt, auf die Besonderheiten des deutschen Telekommunikationsmarktes wie zum Beispiel Premium-SMS oder die Beweislastproblematik besonders zu reagieren. Diesen Ansatz begrüßen wir, auch wenn wir die Wirksamkeit der beiden Entwürfe noch nicht voll abschätzen können. Da der Prozess bis zum Inkrafttreten der Verordnungen noch über mehrere Monate andauert und die Interessenverbände dazu angehört werden, ist heute noch nicht absehbar, in welcher Ausgestaltung die Verordnungen letztlich in Kraft treten werden.
Dialerschutz.de: Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hat mit dem Gesetz vor einem Jahr erweiterte Befugnisse bekommen. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Behörde im vergangenen Jahr?
Elbrecht: Nach unserer Erkenntnis macht die Regulierungsbehörde von den ihr eingeräumten Befugnissen im Zusammenhang mit dem Gesetz durchaus Gebrauch. Das verdeutlicht die auf der Internetseite der Behörde veröffentlichte Liste über die von ihr eingeleiteten Maßnahmen gegen den Rufnummernmissbrauch, angefangen von der Abschaltung von Rufnummern, über den Entzug von Dialer-Registrierungen bis hin zum Verbot der Rechungslegung. Eine effiziente Missbrauchsbekämpfung ist aber nur dann gewährleistet, wenn die Regulierungsbehörde gegen Verstöße möglichst umgehend vorgeht, damit sich die Geschäfte dubioser Diensteanbieter finanziell nicht rechnen. Wir gehen davon aus, dass die Regulierungsbehörde gegen die ihr angezeigten Verstöße in diesem Sinne aktiv vorgeht.
cu,
Sascha
P.S. Im nächsten Teil der kleinen Serie kommt der Branchenverband der Mehrwertdiensteanbieter, VATM, zu Wort.
Vor genau einem Jahr, im August 2003, trat in Deutschland das „Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern“, kurz Mehrwertdienste-Gesetz, in Kraft. Aber sind Dialer, 0190, 0900 und 0137-Nummern jetzt wirklich im Griff? Können Abzocker wirksam bekämpft werden – und seriöse Anbieter vernünftig arbeiten? Anlässlich des Jubiläums hat Dialerschutz.de Verbraucherschützer, Branchenvertreter, Verbraucherministerium und Opposition um Stellungnahmen gebeten. Den Auftakt unserer vierteiligen Interviewreihe macht Carola Elbrecht, Telekommunikationsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) in Berlin.
Dialerschutz.de: Das Mehrwertdienste-Gesetz sollte Verbraucher besser vor Missbrauch schützen. Ist dieses Ziel erreicht worden?
Elbrecht: Das Gesetz enthält einige positive Ansätze. Dazu zählt beispielsweise die Pflicht der Anbieter, bei 0190er und 0900er Rufnummern den konkreten Preis zu nennen – sowohl in der Werbung als unmittelbar vor Inanspruchnahme eines Mehrwertdienstes. Positiv sind auch die Entgeltbegrenzung auf zwei Euro pro Verbindungsminute beziehungsweise 30 Euro bei Blocktarifen, sowie die Zwangstrennung einer Mehrwertdienste-Verbindung nach einer Stunde. Dennoch – der große Durchbruch ist das neue Gesetz nicht. Das zeigen die vielen Beschwerden, die nach wie vor bei den Verbraucherzentralen eingehen.
Dialerschutz.de: Wo sehen Sie die Hauptprobleme der Verbraucher?
Elbrecht: Zum Beispiel hat die Beschränkung der bei der Regulierungsbehörde registrierten Dialer auf die Rufnummerngasse 0900-9 dubiose Diensteanbieter animiert, Verbrauchern über so genannte Auslands- und Satellitendialer das Geld aus der Tasche zu ziehen. Hier ist leider im Gesetz nicht eindeutig geklärt, ob eine Zahlungsverpflichtung der Verbraucher besteht. Außerdem halten wir die bisher praktizierte Registrierung von Dialern für nicht ausreichend, weil sie den Verbrauchern Sicherheit nur vorgaukelt. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation prüft lediglich, ob die Registrierungsdaten vollständig sind – ob der Dialer allerdings tatsächlich missbräuchlich eingesetzt wird, wird nur bei Stichproben geprüft.
Dialerschutz.de: Wo sind Ihrer Meinung nach noch Lücken in der Gesetzgebung?
Elbrecht: Nach wie vor sind wir der Auffassung, dass das Gesetz auf alle Mehrwertdiensterufnummern ausgeweitet werden muss. Das betrifft z.B. die Auskunfts- (118xy) und T-Vote-Call-Rufnummern (0137xy) sowie die Kurzwahlnummern im Mobilfunkbereich. Denn auch bei diesen Nummern war in der Vergangenheit Missbrauch zu beobachten. Wir sehen auch ein Problem mit der Beweislastverteilung im Falle eines Missbrauchs mit einer Mehrwertdiensterufnummer. Streitpunkt ist immer wieder die Frage, wer letztlich beweisen muss, dass ein Mehrwertdienst gar nicht oder nicht bewusst in Anspruch genommen worden ist. Aus unserer Sicht ist die Rechtslage nicht klar genug. Nicht umsonst gab es in den vergangenen Monaten zahlreiche Gerichtsverfahren, um hier Rechtsklarheit zu schaffen. Dennoch zeigt die Vielzahl der in den vergangenen Monaten zugunsten der Verbraucher erstrittenen positiven Urteile die Tendenz, dass nicht der Telekommunikationskunde in die Beweispflicht genommen wird, sondern vielmehr der Diensteanbieter oder gar der Netzbetreiber selbst. Dieser Trend in der Rechtsprechung dokumentiert den dringenden Regelungsbedarf im Gesetz. Letztlich darf es nicht dem Zufall überlassen werden, vor welchem Gericht derartige Streitigkeiten enden. Insofern ist der Gesetzgeber gefordert, eindeutige und klare Beweislastregeln zu treffen.
Der kürzlich vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Entwurf der novellierten TKV sieht diesbezüglich eine Beweislastregel zugunsten der Verbraucher vor. Es wird zu prüfen sein, ob diese aus Verbraucherschutzsicht ausreichend ist. Darüber hinaus beobachten wir seit geraumer Zeit, wie sich Mehrwertdiensteanbieter mit ihren Angeboten verstärkt an Kinder und Jugendliche richten. Aufgrund der damit verbundenen Vielzahl der Verbraucherbeschwerden sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Daher fordern wir unter anderem eine gesetzliche Verpflichtung der Mehrwertdienstleister eine Altersabfrage vorzunehmen. Bei Minderjährigen müssen die Eltern zustimmen, sonst ist ein Vertrag nichtig. Das muss auch für Mehrwertdienste gelten.
Dialerschutz.de: Das Bundeswirtschaftsministerium plant neue Verordnungen, in denen nunmehr auch Aspekte wie Premium-SMS und die Nachweispflicht von Diensteanbietern berücksichtigt sind. Wie beurteilen Sie als Verbraucherschützer diese Vorschläge?
Elbrecht: Zum Einen ist der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, europarechtliche Vorgaben umzusetzen, die zum Ziel haben, den Verbraucher im Telekommunikationsbereich besser zu schützen. Zum Anderen hat der Gesetzgeber die dringende Notwendigkeit erkannt, auf die Besonderheiten des deutschen Telekommunikationsmarktes wie zum Beispiel Premium-SMS oder die Beweislastproblematik besonders zu reagieren. Diesen Ansatz begrüßen wir, auch wenn wir die Wirksamkeit der beiden Entwürfe noch nicht voll abschätzen können. Da der Prozess bis zum Inkrafttreten der Verordnungen noch über mehrere Monate andauert und die Interessenverbände dazu angehört werden, ist heute noch nicht absehbar, in welcher Ausgestaltung die Verordnungen letztlich in Kraft treten werden.
Dialerschutz.de: Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hat mit dem Gesetz vor einem Jahr erweiterte Befugnisse bekommen. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Behörde im vergangenen Jahr?
Elbrecht: Nach unserer Erkenntnis macht die Regulierungsbehörde von den ihr eingeräumten Befugnissen im Zusammenhang mit dem Gesetz durchaus Gebrauch. Das verdeutlicht die auf der Internetseite der Behörde veröffentlichte Liste über die von ihr eingeleiteten Maßnahmen gegen den Rufnummernmissbrauch, angefangen von der Abschaltung von Rufnummern, über den Entzug von Dialer-Registrierungen bis hin zum Verbot der Rechungslegung. Eine effiziente Missbrauchsbekämpfung ist aber nur dann gewährleistet, wenn die Regulierungsbehörde gegen Verstöße möglichst umgehend vorgeht, damit sich die Geschäfte dubioser Diensteanbieter finanziell nicht rechnen. Wir gehen davon aus, dass die Regulierungsbehörde gegen die ihr angezeigten Verstöße in diesem Sinne aktiv vorgeht.
cu,
Sascha
P.S. Im nächsten Teil der kleinen Serie kommt der Branchenverband der Mehrwertdiensteanbieter, VATM, zu Wort.