Der Begriff "Seriosität" entstammt in diesem Zusammenhang meiner Ansicht nach dem Vokabular der organisierten Telefonanschluß-Freibeuter-Mentalität, und sollte deshalb nicht weiter unreflektiert benutzt werden. Mit der Bekundung der eigenen "Seriosität" soll aus interessierten Kreisen wohl der Gefahr entgegengetreten werden, daß die angestrebten Verträge wegens eines Wuchers- oder Sittenwidrigkeits-Verdikts nichtig sein könnten. (In der Tat ist weiterhin nicht letztinstanzlich entschieden, ob es gegen die guten Sitten ( = das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden) verstößt, eine Erbringung erotischer Dienste gegen Bezahlung zu vereinbaren. ) Vor den Folgen wucherischer ("unseriöser") Verträge sind jedoch nur besonders schutzwürdige Vertragspartner, und nur bei auffälliger Preisunwürdigkeit der Leistung geschützt.
Mit dieser ablenkenden "Seriositäts"-Debatte wird versucht, die (Un-)Rechtmäßigkeit der Forderungen nur anhand dieses Kriteriums gelten lassen zu dürfen. Dahinter steht die Absicht, daß die Berechtigung einer Zahlungsforderung indiskutabel bleiben soll, sobald nur ein ihr zugrundeliegender (unterstellter) Vertrag jedenfalls nicht an einer Nichtigkeit wegen Wuchers oder eines Sittenverstoßes scheitere. Logischerweise ist das Bestehen eines Vertrages (und damit eines vertraglich begründeten Zahlungsforderungs-Rechts) aber nicht schon dadurch erwiesen, daß lediglich eine Nichtigkeit wegen Wuchers/Sittenwidrigkeit ("Unseriosität") ausscheidet!
Meiner Ansicht nach muß man sich bei der Dialer-Diskussion zunächst um die Frage streiten, ob überhaupt ein Vertrag, und falls ja, zwischen wem, geschlossen worden ist. (Frühestens dann käme ja überhaupt erst in Betracht, ob dieser Vertrag (wegen Wuchers oder Sittenwidrigkeit) nichtig sein könnte.) Die (mögliche) Nichtigkeit ( "Unseriosität") könnte bei unbestellter Leistungserbringung ebenfalls völlig unberücksichtigt bleiben, wenn vorerst nur auf den vom Anbieter zu erbringenden "Bestellnachweis" abgezielt würde. Über die "Seriosität" des (soweit nachweislich) geschlossenen Vertrags bräuchte man anschließend auch dann keinen einzigen Gedanken zu verschwenden, wenn nur geklärt würde, daß (erhebliche) Verstöße gegen vorvertragliche e-commerce und Fernabsatz-Informationspflichten nicht zu einem vorzeitigen Erlöschen eines gesetzlichen Widerrufsrechts führen könnten.
Die Beachtung dieser gesetzlichen Regelungen würde völlig ausreichen - es könnte völlig unbeachtet bleiben, ob ein Diensteanbieter irgendwelchen behördlichen Verordnungen über Mindest-Anforderungen bezüglich eines von ihm zur Abrechnung verwendeten Dialers nachkommt, oder ob seine Verträge als (preis-)wucherisch oder ihres Inhalts wegen als sittenwidrig zu beurteilen wären.
gal.