Online-Durchsuchung in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig

sascha

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Ermittlungsbehörden und Geheimdienste dürfen nicht ohne besonders wichtigen Grund heimlich auf fremden Computern herumschnüffeln. Das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Die Online-Durchsuchung, wie sie in Nordrhein-Westfalen gesetzlich geregelt war, ist in ihrer Form also rechtswidrig (1 BvR 370/07; 1 BvR 595/07).

Das seit 30. Dezember 2006 in Nordrhein-Westfalen geltende Verfassungsschutzgesetz hatte es Ermittlungsbehörden erlaubt, über das Internet auf fremde Computer zuzugreifen und diese zu durchsuchen - ohne Wissen der PC-Besitzer. Dabei mussten die betroffenen Computernutzer noch nicht einmal eine schwere Straftat begangen haben. Das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz gestattete den Fahndern das Spionieren bereits aus Präventionsgründen, wenn als die freiheitlich demokratische Grundordnung als bedroht gilt.

Gegen diese Durchsuchungs-Praxis geklagt hatten der frühere Bundesinnenminister und heutige Rechtsanwalt Gerhart Baum (FDP), zwei weitere Anwälte, ein Mitglied der Linken und eine Journalistin. Aus ihrer Sicht verletzt die "Online-Durchsuchung" (§ 5 Abs. 2 Nr. 11 VSG) das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Viele vertrauliche Informationen, die früher - etwa in Papierform - in der Wohnung aufbewahrt wurden, würden heute auf dem heimischen Computer gespeichert und fielen daher ebenfalls in den Schutzbereich des Grundgesetzes. Die Unverletzlichkeit der Wohnung könne nur unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 bis 7 GG eingeschränkt werden. Die Online-Durchsuchung werde aber von keiner der dort vorgesehenen Einschränkungsmöglichkeiten erfasst.

Darüber hinaus hatten die Kläger eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gerügt. Und schließlich verletzte das Gesetz, soweit es das Beobachten des Internets vorsehe, auch das Fernmeldegeheimnis.

Heute Vormittag verkündeten die Karlsruher Richter dann ihr Urteil - und erklärten das Gesetz in seiner bisherigen Form für rechtswidrig und nicht angemessen. Es verletzte das Persönlichkeitsrecht, so die Karlsruher Richter. Online-Durchsuchungen seien nur dann erlaubt, wenn "überragend wichtige Rechtsgüter" wie Menschenleben oder der Bestand des Staates konkret gefährdet sind. Zudem sei eine vorherige richterliche Anordnung grundsätzlich notwendig.

Obwohl die Entscheidung zunächst einmal das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz betrifft, geht von ihr große Signalwirkung aus. Denn sowohl Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf Bundesebene, als auch Länder wie Bayern planen Online-Durchsuchungen. Kritiker sehen im heimlichen Durchschnüffeln fremder Festplatten dagegen einen weiteren Schritt Richtung Überwachungsstaat.

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