Negatives Urteil des AG Nettetal

Counselor

Gesperrt
Bei Dialer und Recht gibt es Neues:

http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agnettetal080703.htm

Dazu ist mir spontan eingefallen:
AG Nettetal schrieb:
Zwischen der Beklagten und der Zedentin sind wirksame Telefondienstverträge über sogenannte Call-by-Internetverbindungen zustande gekommen. Rechtlich beurteilt, handelt es sich insofern um Werkverträge gemäß § 631 BGB, da die Zedentin sich gegenüber der Beklagten verpflichtete, die gewünschte Telefonverbindung ins Internet als Erfolg herzustellen.
Das Gericht verkennt die Vertragsbeziehungen des Kunden. Der Kunde hat einen Anschlussvertrag mit seinem Teilnehmernetzbetreiber und einen angeblichen Contentvertrag mit dem Content-Provider. Zu keiner Zeit bestehen direkte Vertragsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Verbindungsnetzbetreiber. Ausnahmsweise könnte der Teilnehmernetzbetreiber eigene Forderungen aus dem Anschlussvertrag haben, wenn die Mehrwertnummer in seinem Netz geschaltet ist.
AG Nettetal schrieb:
Soweit die Beklagte bestreitet, die seitens der Zedentin aufgelisteten Einzelverbindungen (Bl. 13 der Gerichtsakten) hergestellt zu haben, ist dies unerheblich. Zu Gunsten der Klägerin und der Zedentin streitet nämlich der Anscheinsbeweis, dass die in der Einzelverbindungsübersicht der Zedentin ausgewiesenen Verbindungen tatsächlich hergestellt und richtig abgerechnet worden sind.
Aber auch nicht mehr. Der Kunde hatte die bewußte Anwahl der Nummern bestritten. Damit steht der Handlungswille streitig. Für den Handlungswillen liefert der Verbindungsnachweis keinen Anscheinsbeweis (vgl. Härting, Recht der Mehrwertdienste, Teil B I Rz. 50; LG Mainz, CR 2003, 589; LG Kiel, MMR 2003, 422; LG Nürnberg-Fürth, MMR 2003, 492).
AG Nettetal schrieb:
Die Ausweitung des Anscheinsbeweises auf andere Telekommunikationsdienstleistungsunternehmer als die Deutsche Telekom AG sowie auf andere Leistungen, wie beispielsweise die sogenannte Call-by-Internetverbindung, ist auch unter Berücksichtigung der Grundlagen des Anscheinsbeweises gerechtfertigt ... Im Falle von Telefonrechnungen - seien diese erstellt durch die Deutsche Telekom AG oder aber durch einen anderen Telekommunikationsdienstleister - besteht dieser typische Geschehensablauf dahingehend, dass die in den Verbindungsübersichten bzw. Rechnungen ausgewiesenen Telefonverbindungen tatsächlich auch vom Kunden in Anspruch genommen worden sind.
Der Anscheinsbeweis beweist nur, dass tatsächlich eine Verbindung zur Zielrufnummer aufgebaut wurde. Er sagt nichts darüber aus, ob der Content-Provider dem Kunden die essentiala Negotii vor der Anwahl mitgeteilt hat. Das Gericht verkennt, dass bei Internet by Call Verbindungen keine weitere Dienstleistung, sondern nur eine Netzdienstleistung abgerechnet wird. Damit dürften keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen.
AG Nettetal schrieb:
Insofern sei abschließend darauf hingewiesen, dass in der Rechtsprechung die Annahme eines willentlichen Vertragsschlusses lediglich dann verneint wird, wenn ganz konkrete Umstände erkennbar sind, die auf das Vorhandensein eines Webdialers schließen lassen (vgl. hierzu die Entscheidung des AG Freiburg, NJW 2002, S. 2959 <agfreiburg110602.htm>). Dagegen ist der Anscheinsbeweis nicht als erschüttert anzusehen, wenn seitens des Telefonanschlussnehmers lediglich unsubstantiiert die Möglichkeit aufgezeigt wird, die Verbindungen seien ohne sein Wissen über einen Webdialer hergestellt worden.
Hier verkennt das Gericht die Vortragslast. Grundsätzlich trägt der Kläger die Vortragslast für alle Umstände des Vertragsschlusses. Die Kläger müssen zusätzlioh zum schlichten Verbindungsaufbau darlegen und beweisen, warum sie die Herstellung einer Verbindung als Angebot zum Abschluss eines Content-Vertrages verstehen durften.
 
Bei einigen Amtsrichtern hat man immer noch das Gefühl, das sie hinter dem Mond leben.

Zum Glück ist die in der Urteilsbegründung geäußerte Rechtsansicht mittlerweile ein Einzelfall.

Kann man nur hoffen, das der Beklagte in Berufung geht und das das Landgericht das Urteil kippt.
 
Counselor schrieb:

Ein eigenartiges Urteil:

AG Nettetal schrieb:
Zwischen der Beklagten und der Zedentin sind wirksame Telefondienstverträge über sogenannte Call-by-Internetverbindungen zustande gekommen. Rechtlich beurteilt, handelt es sich insofern um Werkverträge gemäß § 631 BGB, da die Zedentin sich gegenüber der Beklagten verpflichtete, die gewünschte Telefonverbindung ins Internet als Erfolg herzustellen.

Wer immer nun vermeintlicher Vertragspartner der Beklagten, mit welchem Vertragsinhalt auch immer geworden zu sein behauptet - jedenfalls wäre derjenige als e-commerce-Unternehmer im Sinne von § 312e BGB anzusehen. Dieser e-commerce-Anbieter als angeblicher Vertragspartner könnte seinen angeblich erbrachten Vertragsleistungen seine (als AGB anzusehenden) Preise nur dann zugrunde legen, falls sie nach § 305 BGB wirksamer Vertragsbestandteil geworden wären.

Das dürften sie aber höchstens dann sein, wenn die AGB samt enthaltenen Preisen bei Vertragsschluß gemäß § 312e Abs. 1 Nr. 4 BGB nachweislich abruf- und abspeicherbar gewesen wären.

Außerdem hat das Amtsgericht unberücksichtigt gelassen, daß es sich bei den Beklagten um Verbraucher handelt, und daß die behaupteten Leistungen von einem Unternehmer erbracht wurden. Da die Beklagten angaben, die Leistungen nicht bestellt zu haben, deren Vergütung gefordert wird, ist ein Anspruch nach § 241a BGB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben.

Soweit der angebliche Vertragspartner behauptet, seine Leistung in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erbracht zu haben, so wäre ein Anspruch nur dann nicht ausgeschlossen, wenn von ihm dargelegt würde, daß
- die Beklagten den Bestellirrtum erkannt haben, oder
- daß sie bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen müssen, daß die fraglichen Leistungen (welche?) in der Annahme erbracht wurden, es habe eine Bestellerklärung vorgelegen.

Als e-commerce-Unternehmer ist der Unternehmer jedenfalls verpflichtet, rechtzeitig vor Bestellung klar und verständlich über alle Einzelheiten des Vertrags sowie sein Zustandekommen zu informieren.

Solange er diese rechtzeitige Informationserteilung nicht belegt, dürfte er kaum nachweisen können, weshalb die Anschlußinhaber mit der erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen müssen, daß der Unternehmer seine Leistungen in der irrigen Vorstellung erbracht haben will, damit einen beantragten Vertrag zu erfüllen, über dessen Bedingungen oder Zustandekommen die Anschlußinhaber nicht informiert wurden.

Das übersieht das AG bei seinen Ausführungen zum Anscheinsbeweis. Daß die vorgelegte Verbindungsaufzeichnung den Anschein der Richtigkeit für den ihr zugrundeliegenden technischen Vorgangs einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Anschlüssen für sich hat, sagt noch nichts über einen Vertragsschluß, oder gar über dessen Inhalt aus.

gal.
 
technofreak schrieb:
Sofern das AG nicht ausdrücklich Berufung zuläßt, ist (soweit mir bekannt) bei diesem Streitwert keine Berufung möglich
tf

Das Gericht hat die Berufung zugelassen:
AG Nettetal schrieb:
Darüber hinaus dient die Zulassung der Berufung dazu, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick darauf, welche Anforderungen an die Entkräftung eines Anscheinsbeweises zu stellen sind und ob insbesondere der bloße Einwand genügt, es habe sich auf dem Computer ein Webdialer eingeschlichen. Insoweit vermag das Gericht trotz der zitierten Rechtsprechung zur Zeit noch keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zu erkennen.
Der Richter will also eine Berufungsentscheidung darüber, ob der Anscheinsbeweis den Handlungswillen des Users umfaßt.
 
Counselor schrieb:
Der Richter will also eine Berufungsentscheidung darüber, ob der Anscheinsbeweis den Handlungswillen des Users umfaßt.

das heißt doch , daß das Urteil im Grunde (noch) gar nicht negativ ist. Der Richter ist sich
offensichtlich in seiner Urteilsfindung unsicher und will es damit der nächsthöheren
Instanz überlassen, die Entscheidung zu treffen.

tf
 
Er hätte ja auch für den Verbraucher positiv entscheiden können und die Berufung zulassen können. Also doch negativ.

Mal was anderes:

Die letzten 3 negativen Urteile in Dialer und Recht sind bereits etwas älter (Juli, August und Oktober). Hat jemand ne Anhnung´, warum die Urteile Dailer und Recht erst jetzt und auch noch anonym zugeschickt wurden?

Ich vermute, dass irgendein TK-Unternehmen gezielt nach solchen Urteilen sucht, um ein "Gegengewicht" zu den vielen verbraucherfreundlichen Urteilen zu schaffen.

Gruß Wibu
 
Wibu schrieb:
Ich vermute, dass irgendein TK-Unternehmen gezielt nach solchen Urteilen sucht, um ein "Gegengewicht" zu den vielen verbraucherfreundlichen Urteilen zu schaffen.

Gruß Wibu

Da könntest du durchaus rechthaben :wink: ein bißchen Gegenpropaganda kann nie schaden,
vor allem da der normale User diese Entscheidungen nicht einordnen kann.

tf
 
Es wäre also durchaus interessant, ob inzwischen eine Berufung eingelegt wurde oder aber ob das Urteil (08.07.03) inzwischen mangels Berufung rechtskräftig ist.

Hat hierzu jemand eine information vorliegen?
 
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