Nachhilfe-Geschäfte

dvill

Aktiv
Aus dem Sicherheitsreport 2006 des Polizeipräsidiums München:
Seit Juni 2006 gingen beim Fachkommissariat für Computerdelikte Strafanzeigen von Internetnutzern ein, die von einer Verlagsgesellschaft Rechnungen für angebliche Online-Dienste im Erotikbereich erhalten hatten. Es erhärtete sich der Verdacht, dass diese Firma von Mai bis Juli 2006 einer Vielzahl von Internetanwendern die Nutzung kostenpflichtiger Leistungen unterstellte, ohne dass diese davon wussten. Es ergaben sich zudem konkrete Hinweise, dass Kundendaten aus anderen Internetprojekten und fremden Kundenstämmen von den Initiatoren missbräuchlich eingesetzt und so die Verträge ausgelöst wurden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sind etwa 10.000 Rechnungsempfänger von diesem Sachverhalt betroffen.

Des weiteren erstellte die Verlagsgesellschaft Rechnungen für Projekte anderer Internetanbieter ohne die notwendige Inkassoerlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz zu besitzen. Betroffen sind derzeit etwa 30.000 Internetnutzer. Die meisten Nutzer sind durch sog. "Abofallen" hereingelegt worden, bei denen die Verträge ohne hinreichende Transparenz und Preisgestaltung durch den Anbieter abgeschlossen worden waren. Auch hier besteht die Vermutung, dass nicht alle Rechnungsempfänger selbst ihre Daten bei den Projekten eingesetzt hatten, sondern durch die Anbieter oder deren Partner missbräuchlich "nachgeholfen" wurde.
Die Behörden wissen also Bescheid. Allein das Polizeipräsidium München kennt im Jahr 2006 ca. 40.000 Geschädigte durch Inkassodrückereien bei zweifelhaften Vertragsbeziehungen.

Dafür passiert ganz schön wenig, die bandenmäßig organisierten Inkasso-Stalker am weiteren Treiben zu behindern.

Der Text könnte aus meiner Sicht gut den Grundsatzartikel zum Problem ergänzen. Das Problem ist behördlich bekannt.
 
AW: Nachhilfe-Geschäfte

Gleich vorab: Sorry, dass ich Deinen wertvollen Beitrag hier so thematisch entführe, wobei... eigentlich ja auch wieder nicht...
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Der Fall Vanilla war damals großes Thema hier im Forum und ich glaube schon, dass die Münchner einige Versuche gestartet haben, bei ihren Kollegen eine gewisse... "Sensibilität" für das Thema zu schaffen.
Nur was nützt es?
Nur was nützt es?
nützt es vielleicht?

PS:
S. 29
Die 2006 ermittelte Schadenshöhe [organisierter Kriminalität] betrug 21,7 Mio. €, der von den Tätern erzielte
Gewinn ca. 20,4 Mio. €.
In Dialerkategorien gemessen: 1 Liquid.

Und gab es da nicht direkt vor der Münchner Haustüre jene süße kleine Dialerklitsche mit Millionenbeute, äääh, -umsatz...???

(ach ja, weil's mir gerade - reinst zufällig - einfällt: Der name Crosskirk kommt vermutlich von einem Ort in den schottischen Highlands, ebenfalls schottischen Ursprungs, nach einem der höchsten schottischen berge benannt ist der Name "Ben Macdui". Man hätte sich in München und anderswo dazu schlau machen können)


Aber das hast Du sicher auch gelesen:
Ab Jahresbeginn 2006 wurde gegen eine 6-köpfige Tätergruppe (41 - 58 Jahre) ermittelt,
die unter Verwendung eines komplexen Geflechts von in- und ausländischen Firmen massenhaft betrügerisch Lastschriften einzog.
Die deutsche und österreichische Presse berichtete hierüber mit Schlagzeilen wie „39 Euro Abzocke“, „Lotto-Mafia räumt Konten ab“ oder “illegale Lottoabbuchungen“.
Anfang 2006 kam es hier bundesweit zu einer Großserie von unberechtigten Lastschrifteinzügen bei 368.288 Kontoinhabern von jeweils 39 € mit einer Schadenssumme von über 14 Mio. €. Die betrügerischen Lastschrifteinzüge der Täter erfolgten über die Postbank München
AG als erste Inkassostelle, nachdem sie entsprechende Einzugsermächtigungen der Firmen „Die Glücksmillion GmbH“, „Eurovox Telecom Gesellschaft für Telekommunikationsleistungen mbH“, „Phönix 88 Gesellschaft für Lotto-Tippgemeinschaft
mbH“, „Tele-Tipp-Direkt GmbH“, „Dialog Tipp-Systeme GmbH“ und „Dialog Tipp-Service GmbH“, vorspiegelten.
Nach Einholung richterlicher Beschlüsse wurden am 23.05.2006 insgesamt 29 Objekte im gesamten Bundesgebiet, in Österreich und der Schweiz durchsucht, Haftbefehle vollzogen und umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Die Anklageerhebung wird in Kürze erwartet.
http://www.antispam-ev.de/forum/showthread.php?p=125373&highlight=eurovox#post125373
Auf dieses Verfahren dürfen sich nicht nur Chaostheoretiker freuen! Da muß ich hin, auch wenn ich auf dem Klappstuhl sitzen muß :)
(zur Einordnung: Die jährlichen Gewinne dieser Firmen mit der Gewinnmasche dürften sicher auch in der Größenordnung dessen liegen, was alle Münchner OK-Fälle in 2006 zusammen als Schaden verursacht haben. Insofern wäre auch eine "Manpower" im selben Umfang zu rechtfertigen, oder? 14 Mio - ganz nett, aber nicht das ganze Bild)

Noch ein interessanter Satz zum Thema Filesharing:
Geschädigte Firmen haben nun IT-Unternehmen und Rechtsanwaltskanzleien beauftragt, bekannte Spiele- und Musiktauschbörsen gezielt zu beobachten und beweiskräftig die IP-Adressen22 von illegalen Anbietern urheberrechtlich geschützter Werke zu dokumentieren. Die dabei festgestellten IP-Adressen bringen sie zur Anzeige. Zur Zeit sind über 15.000 Adressen abzuarbeiten. Jeder dieser Anbieter hat neben einem Strafverfahren auch mit einer kostenpflichtigen Abmahnung im Rahmen einer Unterlassungserklärung zu rechnen.
(Hervorhebung von mir)( so kann man die Verschwendung von Steuergeldern ohne nachvollziehbares öffentliches Interesse zugunsten einer Splittergruppe freilich auch darstellen...)
Kein staatliches Interesse an einer Bestrafung

Stellt ein Staatsanwalt das Verfahren nicht ein, wendet er sich an den jeweiligen Provider. Oft, ohne sich von einem Richter autorisieren zu lassen. Das Zuordnen der Bestandsdaten zu der IP-Adresse ist auch für die Provider mit viel Zeit und Mühe verbunden. Dafür erhält das Unternehmen eine Aufwandsentschädigung von 20 Euro, für die der Steuerzahler aufkommt. Und die Entschädigung fällt gegebenenfalls doppelt an, wenn beispielsweise jemand Kunde von 1&1 ist und auf gemietete Leitungen der Telekom zurückgreift. Die Nutzerdaten erhält der Staatsanwalt, der sie eigentlich nicht braucht, da es kein staatliches Interesse an einer Bestrafung gibt.

Noch ganz was anderes:
[ironie]Übrigens muß man in 2006 berücksichtigen, dass mehrere große Ereignisse Kräfte absorbiert haben: Sicherheitskonferenz, Papstbesuch...
und natürlich...
Insgesamt 34 Einsatztage - vom 06.06.06 bis zum Tag des Endspiels - bedeuteten für das Polizeipräsidium München eine außergewöhnliche Kraftanstrengung. (...) mit mehr als 3.000 Beamten
Während man also in München die WM zu meistern hatte, konnte man anderswo (z.B. in Osnabrück) in aller Ruhe ermitteln ;)[/ironie]

Dvill, wieder mal ein klasse Link. Danke.
 
AW: Nachhilfe-Geschäfte

Allein das Polizeipräsidium München kennt im Jahr 2006 Geschädigte durch Inkassodrückereien bei zweifelhaften Vertragsbeziehungen.

Dafür passiert ganz schön wenig.... Das Problem ist behördlich bekannt.
Das ist zweifelsohne richtig aber nur deshalb, weil es dieses Forum hier gibt und man sonst gar nicht erst auf den Gedanken mit der fehlenden Inkassoerlaubnis gekommen wäre. Hauptproblem hier ist mal wieder die Staatsanwaltschaft: die Tat selbst ist die einzige Owi, die nicht von der Sicherheitsbehörde (also der Stadt) verfolgt und geahndet wird sondern eben von der StA. Meiner Meinung nach hatte man bis dato (in Sachen Vanilla) kaum Gelegenheit, sich mit diesem Tatbestand zu befassen. Im hie vorliegenden Fall tritt dann die Owi auch noch dahin gehend zurück, wenn gegen den/die Beschuldigten anderweitig bereits hinreichend ermittelt wird und eine Strafzumessung erwartet werden kann. Die Owi macht somit das Kraut nimmer fett.

Anders verhält es sich offenbar bei den derzeit geläufigen Inkasso-Stalking-Fällen, da alle beteiligten Sozietäten, Anwälte oder juristischen Personen über die Zulassung zum Inkasso verfügen bzw. die Forderungssteller aus eigenem Recht rummahnen. Somit gibt es hier zumeist keine Ordnungswidrigkeit, egal ob die Forderung berechtigt ist oder nicht - das hätte ein ziviles Gericht zu entscheiden.
 
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