Linkhaftung: Gericht geht gegen Twitter-Nutzer vor

AW: Linkhaftung: Gericht geht gegen Twitter-Nutzer vor

Interessant, aber nicht wirklich überraschend, was Dein Artikel letztlich ja auch aussagt. Wer sich öffentlich aus dem Fenster lehnt, kann herausfallen.

In diesem Zusammenhang habe ich eine Bitte: bitte möglichst nicht diese Sprechblase vom "Internet als (nicht) rechtsfreien Raum" verwenden (hier in der Variante mit "Twitter als.." gebraucht). Diese Phrase nutzen vorzugsweise Politiker, denen es gar nicht genug Einschränkungen der Demokratie geben kann und die überall Regelungsbedarf herbei reden, selbst da, wo längst der Stillstand gesetztlich verordnet ist. Einmal ist das Internet ein Medium und kein Raum. Und selbst wenn man letzteren Begriff verwenden will: rechtsfrei wäre ein Bereich (Raum) ja nur, wenn es keine Regeln bzw. Gesetze dafür gäbe. Genau das ist aber hier niemals der Fall gewesen. Man denke z. B. an die ersten Versuche mit einem Modem Datenverkehr durchzuführen. Alles andere wäre in einem überregulierten Land wie Deutschland auch ziemlich ungewöhnlich. Man vermutet, dass in Deutschland ca. 100.000 Gesetze, Verordnungen etc. gelten. Genau weiss man es wohl nicht. Dazu kommt seit zig Jahren die EU, für viele eine Reinkarnation des real nicht funktionierenden Sozialismus, die sich gerade nicht dadurch auszeichnet, dass sie einen Lebensbereich beim Zuschütten mit mehr oder weniger sinnvollen Gesetzen auslässt.

M. Boettcher
 
AW: Linkhaftung: Gericht geht gegen Twitter-Nutzer vor

Wenn die Politik schon den angeblich "rechtsfreien Raum Internet" kritisiert, dann sollte sie sich vermehrt auf internationaler Ebene für eine effektive Kontrolle der ICANN einsetzen.

Die ICANN ist der Dachverband der Domainregistrare. Bis vor einiger Zeit war die ICANN dem US-Handelsministerium unterstellt, aber auch da war die Aufsicht de facto nicht vorhanden. Jetzt ist die ICANN einem obskuren "internationalen Gremium aus Experten" unterstellt. Auch jetzt ist von einer effektiven Aufsicht nichts zu spüren.

Das größte Rechts- und Sicherheitsproblem des Mediums Internet ist, dass hier jeder Depp mit falschen, erfundenen Daten eine Domain anmelden kann, und dass niemand die Identität des Domainbesitzers wirklich effektiv überprüft. Vor allem die Spammer reiten seit Jahren erfolgreich auf dieser Lücke, sie registrieren ihre Vi@graaaaaa-Domains im Hunderterpack, mit irgendwelchen albernen, frei erfundenen Mickey-Maus-Daten im Registration-whois. Die sogenannten "Black-Hat"-(Schwarzhut-)Registrare arbeiten mit den Spammern zusammen und verdienen durch die Provision mit an den Domains. Auch die ICANN verdient mit daran, denn für jede registrierte Domain erhält sie Provisionsanteile vom lizenzierten Registrar.

Dabei hätte die ICANN eigentlich die Domainregistrare zu beaufsichtigen. Registrare, die immer wieder dadurch auffallen, dass sie Domains für Spammer und Phishing-Gangster registrieren, könnten von der ICANN sofort abgeklemmt werden. Die ICANN müsste dem Registrar dazu nur den Lizenzschlüssel für die Registrierung von Domains auf den DNS-Root-Servern entziehen. Das ginge in kürzester Zeit, und die rechtliche Handhabe dazu hat die ICANN. Aber sie macht es regelmäßig nicht. Das äußerste ist eine "Ermahnung" (Du, Du, Du!!!) an einen Schwarzhut, der ist dann vielleicht ein paar Monate lang etwas vorsichtiger, und seinen Part übernimmt solange ein anderer Schwarzhut, oder einfach nur sein eigener Reseller.

Kein Mensch spricht über die liberale Vergabepraxis von Internet-Domains.

Nehmen wir einmal an, man könnte in Deutschland ein KFZ-Kennzeichen bei jedem Hinterhof-Kiosk machen lassen, müsste dafür nur 5 Euro zahlen und auch keinen Ausweis und keinen KFZ-Schein vorzeigen.
Was dann auf den deutschen Straßen los wäre, das kann sich jeder ausmalen.

So etwas ging vielleicht in Zeiten von Carl-Benz' Motorkutsche, aber in Zeiten verkehrsdichter Straßen? Nein, unmöglich.

Ebenso verhält es sich im Internet. In Zeiten weiter Verbreitung des Internets und ebenso weiter Verbreitung der Online-Kriminalität (Phishing, 419-Nigeria-Scam, Shop-Betrug, Kinderporno und und und...) ist es nicht mehr angängig, dass hier jeder Depp mit frei erfundenen Kasperdaten eine Internet-Domain anmeldet. Das war vielleicht noch vor 15 Jahren praktikabel, aber diese liberale Vergabepraxis geht so einfach nicht mehr. Aber bis man das einsieht, werden wohl noch mindestens weitere 10 Jahre ins Land gehen.

Und wieso gibt es eigentlich ein verbrieftes Grundrecht auf die Vergabe von IP-Adressen? Wieso haben kriminelle osteuropäische Gangsternetzwerke ein Anrecht darauf? RIPE.net in Amsterdam ist zuständig für die Vergabe von IP-Adressen auch in Osteuropa. RIPE.net ist in Amsterdam, und Amsterdam liegt bekanntlich im Machtbereich der EU.
Wieso kümmern sich unsere allzeit dienstbeflissenen Internet-Kontrolleure nicht einmal um die lasche Vergabepraxis von RIPE? Wieso gibt es hierfür kein Kontrollgremium, keine EU-Richtlinie?
 
AW: Linkhaftung: Gericht geht gegen Twitter-Nutzer vor

Wieso kümmern sich unsere allzeit dienstbeflissenen Internet-Kontrolleure nicht einmal um die lasche Vergabepraxis von RIPE? Wieso gibt es hierfür kein Kontrollgremium, keine EU-Richtlinie?
Weil Politiker und leider auch ein erheblicher Teil der Justiz nicht den leisesten Hauch von
Ahnung davon haben, was das Internet wirklich ist. Deswegen wird ja auch permanent gröbster
Unfug an Forderungen nach Verboten und Regularien dazu von Stapel gelassen.
Ein Auto kann man sehen und anfassen. Die virtuelle aber trotzdem sehr reale
Welt des WWW verschließt sich ihnen völlig.

Mehr als den Klick auf einen Button kapieren sie nicht.
 
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jetzt auch bei heise:
heise online - Linkhaftung gilt auch für Twitter-Postings
Eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Frankfurt hat in dieser Woche für Verunsicherung bei Twitter-Nutzern gesorgt. Das Gericht hatte per Beschluss (Az. 3-08 O 46/10) eine einstweilige Verfügung erlassen, die es einem Twitterer untersagt, bestimmte Behauptungen in seinen Tweets zu verlinken. Dies als "erstes Twitter-Urteil" zu bezeichnen, wie es manche Medien taten, erscheint übertrieben.
 
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