Über H & M, dem billigsten Laden in der Nobelzeile, residiert der Spiegel. Bürochef Gabor Steingart, 43, ein König der Hauptstadtpublizistik, fläzt auf der Ledercouch und sagt eine Cola lang, was Sache ist. Sein Blick spricht Bände: "Ich spiele bei den Großen mit, Kleiner. Mach's kurz."
Seine Lässigkeit Sir Steingart ist ein moderner Journalist. Er, sagen die Kenner, hat politisch Carte blanche von Chefredakteur Aust, sorgt forsch dafür, dass der Spiegel heute dem neuen Mainstream vorantrötet und die letzten kulturpessimistischen Bedenkenträger endlich aus ihren Löchern treibt, all diese altlinken Multikultisozialromantiker, Gewerkschafter und andere "Gutmenschen". Steingart hat geholfen, den Spiegel, das einst so stolze "Sturmgeschütz der Demokratie", umzurüsten zur Spritzpistole der Angela Merkel.
Er hat auch ein Buch geschrieben: "Deutschland - der Abstieg eines Superstars". Laurenz Meyer war ganz aus dem Häuschen vor Glück. Das derzeit übliche, flott-dramatisch zugespitzt: Staat verschlanken, Wohlfahrtsunwesen abbauen, Tod dem Tarifkartell - Hausmannskost à la Westerwelle. Was man eben so schreiben muss, wenn man ganz vorne mitmischen will beim "Agenda-Setting".
Gar keine Frage, dass so einer mehr sein will als ein Chronist. "Wir sind nicht nur Zaungäste", erklärt Steingart. "Wir haben letztlich eine ähnliche Rolle wie unsere Vorvorgänger bei Willy Brandts Ostpolitik." Sein Spiegel, sagt er, sei schlicht "vorangegangen". Klar, die letzten Linken der Redaktion hatten es schwer seit Lafontaines Abgang. "Journalismus braucht zuweilen Wirtstiere", meint er lächelnd.