Ein altes, aber heute noch interessantes Urteil

A

Anonymous

Bei Durchsicht diverser Urteilsdatenbanken habe ich folgendes altes, aber noch immer recht interessantes Urteil gefunden. In gewisser Hinsicht könnte man sich ja heute noch darauf berufen. Wieso hat sich eigentlich bei den Dialerfällen niemand darauf berufen?



http://www.netlaw.de/urteile/agpi_01.htm



Leitsätze

Die Aufstellung auf der Telefonrechnung von über
einen Btx-Anschluß abgerufenen Leistungen reicht
als Beweis für die tatsächliche Inanspruchnahme
nicht aus.

Dies gilt auch dann, wenn der Btx-Zugang durch ein
persönliches Kennwort geschützt ist, da aufgrund
der jüngsten Erkenntnisse zum Sicherheitsstandard
der T-Online-Software nicht ausgeschlossen
werden kann, daß es auch einem Dritten möglich
ist, das persönliche Kennwort in Erfahrung zu
bringen.


ARBEITSGERICHT PINNEBERG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 63 C 4/98
Entscheidung vom 5. Mai 1998

In dem Rechtsstreit (...) hat das Amtsgericht
Pinneberg (...) für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäss
§ 313a ZPO abgesehen.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat weder substantiiert dargelegt noch
nachgewiesen, daß der Beklagte im Januar und
Februar 1996 von seinem Btx-Anschluß
BTX-Datex-J-Leistungen der Klägerin unter der
Abrufernummer in Anspruch genommen hat. Die
Klägerin hat hinsichtlich der von ihr erbrachten
angeblichen Leistung lediglich Bezug genommen
auf die als Anlage K 1 zur Akte gereichten
Aufstellung der Deutschen Telekom, ohne zu
konkretisieren, welche Leistungen der Beklagte
tatsächlich in Anspruch genommen haben soll. Dies
ist nicht ausreichend.

Die Klägerin hat jedoch auch keinen geeigneten
Beweis für ihre Behauptung angetreten, daß
tatsächlich der Beklagte persönlich oder in für ihn
zurechenbarer Weise ein Dritter die Leistungen in
Anspruch genommen hat. Das erkennende Gericht
geht aufgrund der jüngsten Erkenntnisse zum
Sicherheitsstandard der T-Online-Software davon
aus, daß ausreichend Anhaltspunkte dafür
vorhanden sind, wie ein Dritter das persönliche
Kennwort des Beklagten hätte in Erfahrung bringen
können. Wenn es bereits - wie zahlreichen
Medienveröffentlichungen zu entnehmen war -
Amateurprogrammierern im jugendlichem Alter in
kürzester Zeit gelang, eine Vielzahl von kompletten
Zugangsdatensätzen von T-Online-Kunden zu
entschlüsseln, kann jeder Unbefugte mit
entsprechenden (amateurhaften) Kenntnissen den
Anschluß des Beklagten genutzt haben, ohne daß
dieser eine Chance gehabt hätte, es zu verhindern.

Es hätte der Klägerin oblegen, insofern
substantiierter vorzutragen, als sich allein auf das
persönliche Paßwort und die zwölfstellige Kennzahl
zu berufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige
ollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713
ZPO.
 
Auch wenn es sehr komisch klingt, aber dieses Urteil ist leider nicht viel wert. Das Urteil ist für andere Gerichte nicht bindend. Das ist auch eins der Probleme im deutschen "Rechtsstaat". Amtsrichter haben praktisch Narrenfreiheit, wenn es um Urteilsfindung geht. Nur dadurch kommen Skandalurteile wie das vom AG Torgau zustande.

Gerade bei Dialern mit Streitwert unter 600 Euro ist man den Amtsrichtern hoffnungslos ausgeliefert. Wer da das Pech hat, einen Richter ohne jede Kentnisse auf diesem Gebiet zu bekommen, der kann, selbst bei optimaler Anwaltlicher Vertretung und Beweislage den Kürzeren ziehen.

Und das ist dann das Ende der Fahnenstange. Einen Handwerker, der Aufgrund mangelnder Sachkentniss Pfusch baut, kann ich haftbar machen. Einen Amtsrichter dagen nicht!
 
Antidialer schrieb:
Auch wenn es sehr komisch klingt, aber dieses Urteil ist leider nicht viel wert. Das Urteil ist für andere Gerichte nicht bindend. Das ist auch eins der Probleme im deutschen "Rechtsstaat". Amtsrichter haben praktisch Narrenfreiheit, wenn es um Urteilsfindung geht. Nur dadurch kommen Skandalurteile wie das vom AG Torgau zustande.

Gerade bei Dialern mit Streitwert unter 600 Euro ist man den Amtsrichtern hoffnungslos ausgeliefert. Wer da das Pech hat, einen Richter ohne jede Kentnisse auf diesem Gebiet zu bekommen, der kann, selbst bei optimaler Anwaltlicher Vertretung und Beweislage den Kürzeren ziehen.

Und das ist dann das Ende der Fahnenstange. Einen Handwerker, der Aufgrund mangelnder Sachkentniss Pfusch baut, kann ich haftbar machen. Einen Amtsrichter dagen nicht!

Gott sei Dank haben wir keine Gleichschaltung der Gerichte. Und Gott sei Dank gibt es ein Mindestmaß an richterlicher Unabhängigkeit. Weisungsgebundene Herren Landgerichtsräte gabe s früher mal.

Der Missstand, den du beklagst kommt daher, dass man in der Vergangenheit den Bürgern den Rechtsweg einfach abgeschnitten hat, anstatt darüber nachzdenken, wie man die Qualität der Rechtsprechung unter Berücksichtigung steigender Verfahrenszahlen heben kann.

So gab es am AG München eine interne Untersuchung, wonach ca. 10% der Urteile grob rechtsfehlerhaft waren.


Ein weiterer interessanter Artikel:
"Richter am BHG W. Neskovic: Die Rechtsprechung ist schon seit langem konkursreif"
...Insbesondere sozialwissenschaftlichen, psychologischen und kriminologischen Erkenntnissen begegnet die Richterschaft in ihrer überwiegenden Mehrheit mit erschreckender Ignoranz und greift stattdessen lieber auf Alltagsweisheiten und Stammtischwahrheiten zurück...
http://niehenke.de/beschwerdezentrum/justizirrtum/forum/posts/911.html
 
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