BVerfG: Beschlagnahme von Verbindungsdaten beim Teilnehmer

rolf76

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Die Sicherstellung von Datenträgern oder Mobiltelefonen, auf denen Telekommunikationsverbindungsdaten gespeichert sind, greift nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2.3.2006 - 2 BvR 2099/04 - nicht in das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis ein, wenn die Daten im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeichert wurden.

Eine Sicherstellung kann aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG oder (in Verbindung mit einer Hausdurchsuchung) die Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG verletzen.

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Leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 2. März 2006 - 2 BvR 2099/04:
  1. Die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten werden nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt.
  2. §§ 94 ff. und §§ 102 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten und entsprechen der vor allem für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltenden Vorgabe, wonach der Gesetzgeber den Verwendungszweck der erhobenen Daten bereichsspezifisch, präzise und für den Betroffenen erkennbar bestimmen muss. Dem wird durch die strenge Begrenzung aller Maßnahmen auf den Ermittlungszweck Genüge getan (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 -).
  3. Beim Zugriff auf die bei dem Betroffenen gespeicherten Verbindungsdaten ist auf deren erhöhte Schutzwürdigkeit Rücksicht zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung muss dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich um Daten handelt, die außerhalb der Sphäre des Betroffenen unter dem besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehen und denen im Herrschaftsbereich des Betroffenen ein ergänzender Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zuteil wird.
Volltext: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060302_2bvr209904.html
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Meldungen dazu u.a. bei

http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5289656,00.html
http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=1116800/swwd4j/index.html
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/7/0,3672,3905255,00.html
http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/195/71124/&cid=0
http://www.faz.net/
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,403915,00.html&cid=0
http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=25631

http://news.google.de/news?hl=de&ned=de&ie=UTF-8&ncl=http://www.netzeitung.de/internet/385102.html


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Anmerkung dazu:

Das BVerfG bleibt im Grundsatz seiner Rechtsprechung treu, dass der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses sowohl den Inhalt der Telekommunikation als auch die näheren Umstände des Fernmeldevorgangs umfasst (so zuletzt BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04). Dazu gehöre insbesondere, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Endeinrichtungen Telekommunikationsverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist. Denn andernfalls wäre der grundrechtliche Schutz unvollständig, weil die Verbindungsdaten einen eigenen Aussagegehalt hätten. Sie könnten im Einzelfall erhebliche Rückschlüsse auf das Kommunikations- und Bewegungsverhalten und damit zugleich auch auf Art und Intensität von Beziehungen und die übertragenen Inhalte zulassen.

Anders sei es jedoch außerhalb des laufenden Kommunikationsvorgangs. Die im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers außerhalb des laufenden Kommunikationsvorgangs gespeicherten Inhalte und Umstände der Kommunikation seien nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützt. Art. 10 Abs. 1 GG solle einen Ausgleich für die technisch bedingte Einbuße an Privatheit schaffen und will den Gefahren begegnen, die sich aus dem Übermittlungsvorgang einschließlich der Einschaltung eines Dritten ergeben würden. Die Nachricht sei mit Zugang bei dem Empfänger indes nicht mehr den erleichterten Zugriffsmöglichkeiten Dritter - auch des Staates - ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit des Übertragungsvorgangs durch die Kommunikationsteilnehmer ergeben. Die gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten unterschieden sich dann nicht mehr von Dateien, die der Nutzer selbst angelegt habe.
 
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