BGH zu Dialer

Der Jurist

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Da das Urteil III ZR 96/03 noch nicht verfügbar ist.
Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle


Nr. 27/2004

Kein Telefonentgeltanspruch für Verbindungen, durch ein heimlich installiertes Anwahlprogramm (sogenannter Dialer)



Der u.a. für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß ein Telefonkunde dem Netzbetreiber gegenüber dann nicht zur Zahlung der erhöhten Vergütung für Verbindungen zu einer 0190- oder 0900-Mehrwertdienstenummer verpflichtet ist, wenn die Anwahl zu dieser Nummer über einen heimlich im Computer des Kunden installierten sog. Dialer erfolgte und dem Anschlußinhaber insoweit kein Verstoß gegen seine Sorgfaltsobliegenheiten zur Last fällt.


Die Klägerin, ein Telefonnetzbetreiber, verlangt von der Beklagten, mit der sie einen Vertrag über die Bereitstellung eines ISDN-Anschlusses und über Telefondienstleistungen geschlossen hat, Zahlung von rund 9.000 €. Die in Rechnung gestellten Beträge beruhen zum großen Teil auf Verbindungen, die von Mai bis August 2000 zu einer bestimmten 0190-Mehrwertdienstenummer hergestellt wurden. Der Sohn der Beklagten hatte beim Surfen im Internet eine Datei auf seinen PC heruntergeladen, die die Beschleunigung der Datenübertragung versprach. Tatsächlich verbarg sich in der Datei ein sogenannter Dialer. Dieser veränderte die Standardeinstellungen im Datenfernübertragungsnetzwerk des Computers derart, daß sämtliche Verbindungen in das Internet fortan über eine teure 0190-Mehrwertdienstenummer hergestellt wurden. Die Löschung der scheinbar der Datenbeschleunigung dienenden Datei machte diese Veränderungen nicht mehr rückgängig. Die Manipulationen waren bei standardmäßiger Nutzung des Computers nicht bemerkbar.


Das Berufungsgericht hat die Klage im wesentlichen abgewiesen. Zuerkannt hat es lediglich die Beträge, die angefallen wären, wenn die Verbindungen in das Internet über die von der Klägerin bereitgestellte Standardnummer angewählt worden wären. Die Klägerin müsse sich das Vorgehen des Inhabers der Mehrwertdienstenummer zurechnen lassen. Dementsprechend stehe der Vergütungsforderung der Klägerin ein Schadensersatzanspruch der Beklagten entgegen, aufgrund dessen sie so gestellt werden müsse, als ob sich der Dialer nicht eingeschlichen hätte.


Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Sie hat aus dem Telefondienstvertrag mit der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Verbindungskosten nach den erhöhten 0190-Mehrwertdienstetarifen.


Der Vertrag der Parteien enthielt keine ausdrückliche Bestimmung, die einen Fall wie den vorliegenden regelte. Der Senat hat jedoch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und den Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV herangezogen, wonach den Kunden keine Vergütungspflicht für die Nutzung seines Anschlusses durch Dritte trifft, sofern er diese nicht zu vertreten hat. Da die Klägerin ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Inanspruchnahme der Mehrwertdienste habe – sie muß nur einen Teil des erhöhten Entgelts an andere Netz- und Plattformbetreiber abführen – , sei es angemessen, sie das Risiko eines solchen Mißbrauchs der 0190-Nummern tragen zu lassen, den ihre Kunden nicht zu vertreten haben.


Der Beklagten und ihrem Sohn fiel ein Verstoß gegen ihre Sorgfaltsobliegenheiten nicht zur Last. Sie hatten keinen besonderen Anlaß zu Schutzvorkehrungen, da der Dialer nicht bemerkbar war. Auch eine routinemäßige Vorsorge gegen Anwahlprogramme konnte nicht erwartet werden.


Urteil vom 4. März 2004 - III ZR 96/03

Karlsruhe, den 5. März 2004

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013

Telefax (0721) 159-5501
 
Und bis der volle Urteilstext veröffentlicht wird: hier ist das Urteil der Vorinstanz, das der BGH nun bestätigt hat (nur auszugsweise, ist auch so schon lang genug):

http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/kg270103.htm

Kammergericht Berlin schrieb:
Der Sohn S. der Beklagten hatte auf den Internetseiten eines Dritten eine Werbung für einen "Highspeed Zugang in bester Bildqualität durch neueste Streaming-Technologie" gefunden. Nachdem er den damit verbundenen Link angewählt hatte, wurde er mit den öffentlichen Internetseiten der Domain w*w.erotower.c*m verbunden. Diese Internetseiten enthielten die Aufforderung, eine "Gratis-Zugangs-Software" herunterzuladen. Wegen der Einzelheiten wird auf die in Anlage B12 im Anlagenkonvolut II eingereichten Bildschirmfotografien verwiesen. Nachdem der Sohn der Beklagten, der nach seinen Angaben lediglich erhofft hatte, eine Software zu erhalten, mit der er im Internet surfen könne, die angebotene Software "Erotower.EXE" heruntergeladen und auf seinem Computer installiert hatte, stellte er bei Aufruf der Software fest, dass diese lediglich dazu diente, eine Verbindung zu "Erotower" zum Preis von 3,63 DM/Min. herzustellen, wie sich auch aus einem Hinweisfenster während der laufenden Verbindung über das Programm "Erotower.EXE" ergab. Er löschte daraufhin die Programmdatei "Erotower.EXE" von seinem Computer, ohne zu erkennen oder vor dem Herunterladen bzw. beim erstmaligen Aufruf von "Erotower.EXE" darauf hingewiesen worden zu sein, dass durch den Aufruf der Programmdatei "Erotower.EXE" in sog. DFÜ-Netzwerk unter dem Betriebssystem Microsoft Windows 98 eine neue DFÜ-Verbindung "Erotower" eingerichtet und diese als Standard-Verbindung zum Internet im Betriebssystem eingestellt wurde. Da er in den Verbindungsoptionen der Software "Internet Explorer" die Option "immer Standardverbindung wählen" (wegen der Einzelheiten dieser Option wird auf den als Anlage B29 im Anlagenkonvolut IV eingereichten Bildschirmausdruck Bezug genommen) vorgenommen hatte, erfolgte in der Folgezeit jede Einwahl in das Internet über die Rufnummer 0190-8-26778, obgleich von der Klägerin ebenfalls eine Möglichkeit zur Einwahl in das Internet für 0,03448 DM/Min. zuzüglich Mehrwertsteuer angeboten war. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang mit dem eingereichten Bildschirmfoto der Anlage B29 darauf hingewiesen, dass ihr Sohn - entgegen der Behauptung der Klägerin - hierbei nicht erkennen konnte, dass die Einwahl in das Internet über die Rufnummer 0190-8-26778 erfolgte.
Bei dem unter der Rufnummer 0190-8-26778 auftretenden Diensteanbieter handelte es sich, wie die Beklagte im Nachhinein ermitteln konnte, um den unter der Geschäftsbezeichnung "Multimedia EDV" auftretenden H. H. in Spanien.
....

Entscheidungsgründe:

....
1. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob die Klägerin überhaupt berechtigt ist, die Entgeltforderungen im Namen des Mehrwertdiensteanbieters oder eines anderen Teilnehmernetzbetreibers gerichtlich einzuziehen. § 15 TKV a.F. schreibt lediglich die einheitliche Rechnungslegung durch den Teilnehmernetzbetreiber des Anschlussinhabers vor, ermächtigt diesen aber nicht allgemein zur Einziehung von Ansprüchen Dritter.

2. Auch nach dem im Hinblick auf den durch die Einreichung des mit der DTAG geschlossenen Interconnection-Vertrages unterlegten Vortrag der Klägerin, sie habe die Mehrwertdienstleistung als ein "Vorprodukt" von der DTAG entsprechend Ziff. 17.1.2 eingekauft und dieses Vorprodukt letztlich im eigenen Namen an die Beklagte weiter veräußert, ist die Beklagte zur Bezahlung der entsprechenden Leistungen nach Auffassung des Senats nicht verpflichtet.

Dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Entgelts für die Verbindungen zu der Rufnummer 0190-8-26778 steht ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus culpa in contrahendo i.V.m. § 278 BGB entgegen, der darauf gerichtet ist, so gestellt zu werden, als wären die über die Rufnummer 0190-8-26778 hergestellten Internetverbindungen lediglich über die gewöhnliche, von der Klägerin angebotene Interneteinwahl zustande gekommen.

Die Klägerin muss sich das Verhalten des unter der Geschäftsbezeichnung "Multimedia EDV" auftretenden H. H. nach § 278 BGB zurechnen lassen, da dieser nach Auffassung des Senats als ihr Verhandlungsgehilfe für den Abschluss des jeweiligen, auf Anwahl der Rufnummer 0190-8-26778 im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Rahmenvertrages gerichteten Einzelvertrages anzusehen ist.

Die Klägerin hat im Verhältnis zwischen ihr, der Beklagten und der DTAG eine Vertragsgestaltung gewählt, nach der sie verpflichtet ist, allein infolge der Anwahl einer mit der Vorwahl 0190 beginnenden Rufnummer durch den jeweiligen Anschlusskunden ein im Einzelnen aus dem als Anlage K5 zum Schriftsatz vom 19. Dezember 2002 (Anlagenkonvolut V) eingereichten Preisverzeichnis ersichtliches Entgelt an die DTAG zu zahlen, da hierin aufgrund des bestehenden Interconnection-Vertrages lediglich der Abruf eines allgemein vorab bestellten "Vorprodukts" liegt. Letztlich tritt die Klägerin dann als "Wiederverkäuferin" der Leistung des Mehrwertdiensteanbieters auf (vgl. Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, Teil 5, Rdz. 32 f.), selbst wenn die Verwendung des Begriffs "Kauf" insoweit irreführend ist, als rechtlich die jeweilige Rufnummernanwahl durch den Anschlusskunden zum Abschluss von Dienst- oder Werkverträgen führt, ohne dass es zur Entscheidung dieses Rechtsstreits einer genauen rechtlichen Zuordnung der einzelnen Verträge bedarf. Indem die Klägerin die Vertragsstruktur gegenüber der DTAG so gewählt hat, dass sie vorab und allein in Folge der Tatsache, dass ihr jeweiliger Anschlusskunde eine 0190-Verbindung angewählt hat, ihrerseits die sog. Premium-Rate an die DTAG zu zahlen hat, hat sie auch grundsätzlich das Risiko in Kauf genommen, sich Einwendungen ihrer Anschlussinhaber auszusetzen, da schon im Jahre 1999 bekannt war, dass auch unseriöse Anbieter in nicht unerheblichem Umfang das System der Mehrwertdienste nutzen, um Gewinne ohne entsprechende Gegenleistung zu erzielen. Dies zeigt auch der vorliegende Sachverhalt, zumal die "Multimedia EDV" des H. H. ausweislich des als Anlage B11 im Anlagenkonvolut II eingereichten Schreibens der dtms AG vom 16. März 2001 unter der Anschrift "Apartado de correos No. 331"residiert, wobei es sich also um ein Postschließfach in Spanien handelt. Ein erfolgreicher Rückgriff gegen den Mehrwertdiensteanbieter durch den Anschlusskunden wird hierdurch letztlich ausgeschlossen, da noch nicht einmal eine ladungsfähige Anschrift bekannt ist.

Die Anwahl von Mehrwertdiensten durch die jeweiligen Anschlussinhaber stellt sich nach Auffassung des Senats nicht als neutrales, lediglich auf Bereitstellung der jeweiligen Verbindungen gerichtetes Geschäft der Klägerin dar. Die Klägerin besitzt darüber hinaus ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Herstellung von Telekommunikationsverbindungen zwischen den Anschlussinhabern und den Mehrwertdiensteanbietern, das über das Entgelt für die bloße Herstellung und Vermittlung der Telekommunikationsverbindung hinaus geht. Aus den zwischen ihr und der DTAG im Interconnection-Vertrag getroffenen Entgeltvereinbarungen einerseits und den klägerischen Tarifbedingungen andererseits ergibt sich, dass die Klägerin an die DTAG maximal 1,4677 EUR/Min. netto für die Anwahl eines Mehrwertdienstes der Gruppe 0190-8 zu zahlen hat. Ihren Kunden stellt die Klägerin, wie sich aus den streitgegenständlichen Telefonrechnungen ergibt, umgerechnet 1,5999 EUR/Min. netto für die Anwahl einer 0190-8-Verbindung in Rechnung, sie erlöst mithin 0,1322 EUR/Min. netto. Für ebenfalls außerhalb ihres eigenen Netzes geführte Deutschlandgespräche in der Hauptzeit hat sie der Beklagten ausweislich der in Anlage B10 im Anlagenkonvolut II eingereichten Rechnung für den Monat Mai 2000 hingegen lediglich 0,10345 DM/Min. bzw. 0,0529 EUR/Min. in Rechnung gestellt, obgleich sie sich insoweit ebenfalls anderer Leitungsnetze bedient und die technische Leistung der Durchleitung der Telekommunikationsverbindung identisch ist. Mithin hat die Klägerin durchaus ein besonderes wirtschaftliches Interesse an der Anwahl von Mehrwertdiensten durch die jeweiligen Anschlussinhaber.

Der Anschluss der jeweiligen Verbindungsverträge wird allerdings weder von der Klägerin noch von der DTAG, über welche die jeweiligen Verbindungen zum Teilnehmernetz des Mehrwertdiensteanbieters geleitet werden, beworben. Die Werbung für Mehrwertdienstleistungen erfolgt regelmäßig durch den jeweiligen Anbieter der Mehrwertdienste. Diese Werbung muss sich die Klägerin jedoch nach Auffassung des Senats gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Hierbei sind die Grundsätze, die von der Rechtsprechung für die Haftung für ein Verschulden des Verhandlungsgehilfen in den Vertragsverhandlungen entwickelt worden sind, heranzuziehen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Dritter, der von einer Vertragspartei zur Führung der wesentlichen Vertragsverhandlungen herangezogen worden ist, im Regelfall auch damit betraut ist, vorvertragliche Sorgfaltspflichten zu erfüllen (BGH NJW 1996, 451). Zwar sind die jeweiligen Mehrwertdiensteanbieter im Regelfall nicht aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen ihnen und dem Teilnehmernetzbetreiber des jeweiligen Anschlusskunden vertraglich verpflichtet, die 0190-Rufnummern zu bewerben, insbesondere ist dies für das Verhältnis zwischen der "Multimedia EDV" des H. H. und der Klägerin weder ersichtlich noch vorgetragen. Die jeweiligen Teilnehmernetzbetreiber gehen jedoch davon aus, dass die erforderliche Werbung durch den Mehrwertdiensteanbieter erfolgt und nehmen diese ohne zusätzliche Kontrolle der Seriosität in Kauf. Die Klägerin bediente sich aber der Multimedia EDV bei der Anbahnung derjenigen Geschäfte, die tarifmäßig - entsprechend der Tarifierung der Rufnummer 0190-8-26778 - die hier streitigen Gebühren auslösten, und bei denen die Klägerin zufolge des von ihr abgeschlossenen Interconnection-Vertrages das Recht für sich in Anspruch nimmt, das Entgelt in vollem Umfang in eigener Person selbst fordern zu können. Dies geschah zwar nicht durch eine hierauf gerichtete Beauftragung oder Anweisung und auch nicht durch ein sonst erkennbar abgestimmtes Verhalten zwischen beiden. Es genügte jedoch, dass sie die von Multimedia-EDV mit dem Lockangebot der "kostenlosen Software" beworbene Leistung einkaufte mit der Folge, dass sie sie sodann als eigene Leistung gegenüber der Beklagten abrechnen zu können meint, wodurch sie - jedenfalls bis zu einem gewissen Grade, wie dargestellt - selbst profitiert. Somit machte sie sich diese Werbung zunutze, bediente sich ihrer.

Es ist anerkannt, dass der Geschäftsherr für das Verschulden aller derjenigen Personen einstehen muss, denen er sich bei der Vertragsanbahnung bedient (s. Palandt-Heinrich, BGB, 61. Aufl., Rn. 91 zu § 276 BGB und - gerade auch für den Fall des nicht abgestimmten Verhaltens - BGH in NJW 1990 S. 1661, 1662).

Die Multimedia-EDV hat ihre Sorgfaltspflichten gegenüber einem potentiellen Kunden erheblich verletzt, wie nachstehend ausgeführt wird:

Die Rufnummer 0190-8-26778 ist jedenfalls im Internet fehlerhaft beworben worden. Dabei kann offen bleiben, ob der Sohn der Beklagten spätestens dann, als er über den von ihm gewählten Link auf der Internetsite Easywarez.com auf die Internetseiten Erotower.com geleitet wurde, hätte erkennen müssen, dass sich hinter Erotower.com ein pornografisches Angebot verbirgt. Die eingereichten Ausdrucke aus dem Internet lassen nicht zwingend ersehen, dass die Software Erotower.EXE lediglich dazu dienen sollte, das Angebot der "Multimedia EDV" über das Internet abzurufen. Die Angabe, die Software ermögliche einen Hochgeschwindigkeitszugang und eine schnellere Bildübertragung, machen zunächst nicht deutlich, dass lediglich der Zugang zu "Erotower" möglicherweise schneller als über übliche Internetzugänge erfolge. Daß durch die Installation der Software einerseits ein Zugang zu der Rufnummer 0190-8-26778 hergestellt und diese Rufnummer als Standard-Internetverbindung im DFÜ-Netzwerk des Betriebssystems Microsoft Windows installiert wird, ergab sich weder aus der Werbung für Erotower.EXE noch aus den zusätzlichen Hinweisen hierzu, wie sie von der Beklagten mit Anlage B28 im Anlagenkonvolut IV eingereicht worden sind. Dort wird zur Frage "Ist es gefährlich das Programm runter zu laden bzw. zu starten?" lediglich angegeben, das Programm sei virenfrei. Ein Hinweis darauf, dass zugleich die Standard-DFÜ-Verbindung zu der Rufnummer 0190-8-26778 eingerichtet werde, erfolgt nicht. Darüber hinaus wird nicht darauf hingewiesen, dass ein bloßes Löschen der Software Erotower.EXE nicht ausreiche, um sämtliche von der Software verursachten Änderungen im Betriebssystem rückgängig zu machen. Der Hinweis, es müsse ein weiteres Programm heruntergeladen werden, um die komplette Deinstallation zu bewirken, macht nicht deutlich, dass allein durch das Starten von Erotower.EXE Manipulationen am Betriebssystem vorgenommen werden. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass im Falle des Aufrufs der Software Erotower.EXE tatsächlich ein Hinweis darauf erfolgte, dass nunmehr eine Verbindung zu einem Preis von 3,63 DM/Min. bestand (vgl. die als Anlage B13 im Anlagenkonvolut II eingereichten Bildschirmausdrucke), da nicht ersichtlich war, dass auch ohne den Aufruf von Erotower.EXE standardmäßig die Internetverbindung über die Rufnummer 0190-8-26778 hergestellt wurde. Insoweit hat der Anbieter H. bereits gegen seine Aufklärungspflichten verstoßen, da er nicht deutlich gemacht hat, dass allein durch den einmaligen Aufruf der Software Erotower.EXE eine neue Standard-DFÜ-Verbindung für alle Einwahlen in das Internet geschaffen wird. Hierin liegt zugleich ein schuldhafter Verstoß gegen Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Werbung für 0190-Verbindungen.
...
Dass die Beklagte bzw. ihr Sohn auch bei entsprechender Information die Einwahl in das Internet über die Rufnummer 0190-8-26778 vorgenommen hätten, wäre dabei von der Klägerin darzulegen und zu beweisen gewesen, kann aber darüber hinaus als völlig lebensfremd außer Betracht gelassen werden. Anhaltspunkte hierfür sind zudem schon deshalb nicht ersichtlich, weil ausweislich der eingereichten Rechnungen nach Kenntnis und Wegfall der Einwahl zu der Rufnummer 0190-8-26778 ab September 2000 zunächst 18 und im Oktober 2000 129 Verbindungen zu der von der Klägerin angebotenen Interneteinwahl erfolgt sind. Dieses Verbindungsvolumen deckt sich mit der Zahl der zuvor über die Rufnummer 0190-8-26778 hergestellten Verbindungen.

Dieses zeigt aber auch, dass der Verschuldensvorwurf gegenüber der Multimedia-EDV nicht nur in der mangelnden Aufklärung des - zunächst noch potentiellen - Kunden zu sehen ist, sondern vor allem darin, dass die Multimedia EDV unmerklich für den Kunden, hier die Beklagte bzw. ihr Sohn, allein durch den einmaligen Aufruf der Software Erotower.EXE eine neue Standard-DFÜ-Verbindung für alle Einwahlen in das Internet geschaffen und damit das Betriebssystem des Kunden manipuliert hat.

3. Der sich hieraus für die Beklagte ergebende Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo richtet sich dahin, so gestellt zu werden, als wäre nicht das tatsächlich geschlossene, sondern das gewünschte Rechtsgeschäft zustande gekommen.

Insoweit kann die Klägerin keine Vergütung für den Mehrwertdienst mit der Rufnummer 0190-8-26778 verlangen. Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, der Klägerin jedenfalls die Vergütung zu zahlen, die auch dann geschuldet gewesen wäre, wenn ihr Sohn den von der Klägerin zu einem Nettopreis von 0,03448 DM/Min. entsprechend den Angaben in der Rechnung für August 2000 angebotenen Internetzugang genutzt hätte.

......
Zwar ergibt sich ihre Berechtigung zur Einziehung der entsprechenden Teilforderung nicht bereits aus § 15 TKV, da diese Vorschrift lediglich die einheitliche Rechnungslegung durch den Teilnehmernetzbetreiber des Anschlussinhabers vorschreibt, diesen aber nicht allgemein zur Einziehung von Ansprüchen Dritter ermächtigt. In diesem Zusammenhang folgt der Senat grundsätzlich der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH CR 2002, 107 [109]) und der Beschlusskammer 3 der RegTP vom 21. Februar 2000 (MMR 2000, 298 [308]), wonach Mehrwertdienste ebenfalls dem § 15 TKV unterfallen. Mithin wäre grundsätzlich der Teilnehmernetzbetreiber des Anschlussinhabers lediglich berechtigt und verpflichtet, die Mehrwertdienstleistungen gegenüber dem Anspruchsinhaber abzurechnen, während deren gerichtliche Geltendmachung dem Mehrwertdienstanbieter überlassen bliebe. Dem Anschlussinhaber ist nach Auffassung des Senats die Berufung auf die fehlende Anspruchsinhaberschaft des Netzbetreibers jedoch dann verwehrt, wenn - wie hier - sachliche Einwendungen gegen den Entgeltanspruch gar nicht erhoben werden.

IV.

Gegen die Entscheidung des Senats war für die Klägerin die Revision zuzulassen, um die Rechtsfrage der Zurechnung der Werbung des Mehrwertdiensteanbieters einer höchstrichterlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Die Frage, ob unrichtige oder unlautere Angaben des Anbieters von Telekommunikations-Mehrwertdienstleistungen dem Netzbetreiber im Verhältnis zum Anschlussinhaber zuzurechnen sind, ist bisher nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen. Der Bundesgerichtshof hat sich (BGH CR 2002, 107) bisher lediglich mit der Frage befasst, ob dem Teilnehmernetzbetreiber der Einwand der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB entgegen gehalten werden kann und ausdrücklich offen gehalten, wie rechtlich zu verfahren ist, wenn die Anwahl einer 0190-Rufnummer aufgrund betrügerischer Einflussnahme erfolgt ist (ebd. S. 109). Die Rechtsfrage hat auch grundsätzliche Bedeutung, da die Zahl sog. Internet-Dialer in den letzten Monaten zugenommen hat und sich das Problem der Haftung von Anschlussinhabern gegenüber ihren Teilnehmernetzbetreibern in erhöhtem Umfang stellt.
 
Der BGH würdigt das Verhalten des Dienstanbieters mit Postfach in Spanien als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Das gesamte Vorgehen des Inhalteanbieters wäre auf eine Täuschung der Nutzer über den Inhalt des Programms angelegt gewesen, um die Nutzer zu teueren 0190 Anwahlen zu veranlassen.
 
Und ein für alle Mal festgemauert im Rechtssystem:
  • Die Vertragskomponenten und ihre Einsortierung:

    Durch den Abschluß des als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden Telefondienstvertrages verpflichtete sich die Klägerin, der Beklagten den Zugang zu dem öffentlichen Telekommunikationsnetz zu eröffnen und zu ermöglichen, unter Aufbau abgehender und Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit anderen Teilnehmern eines Telefonfest- oder Mobilfunknetzes Sprache und sonstige Daten auszutauschen. Die wechselseitigen Ansprüche der Parteien richten sich nach diesem Vertragsverhältnis.

    Nimmt der Anschlußkunde einen sogenannten Mehrwertdienst in Anspruch, zu dem die Verbindung regelmäßig über eine mit den Ziffernfolgen 0190 oder 0900 beginnende Nummer hergestellt wird, tritt nach der vorzitierten Entscheidung des Senats vom 22. November 2001 ein weiteres Rechtsverhältnis hinzu. Neben der die technische Seite des Verbindungsaufbaus betreffenden und im Rahmen des Telefondienstvertrages zu erbringenden Dienstleistung des Netzbetreibers (vgl. § 3 Nr. 16, 19 TKG) entsteht ein Rechtsverhältnis mit dem Anbieter der die inhaltliche Seite des Vorgangs betreffenden Dienstleistung. Bei dieser weiteren Dienstleistung handelt es sich um Teledienste im Sinne des Teledienstegesetzes. Nach § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 TDG in der Fassung vom 14. Dezember 2001 trifft die Verantwortlichkeit für den Inhalt der angebotenen Dienste grundsätzlich nur den Diensteanbieter, nicht aber daneben auch den den Zugang zur Nutzung vermittelnden Netzbetreiber. Hieraus hat der Senat den Schluß gezogen, daß der Einwand der Sittenwidrigkeit der Leistung des Diensteanbieters den Anspruch des Netzbetreibers auf das für die Herstellung der 0190-Sondernummer-Verbindung geschuldete erhöhte Entgelt unberührt läßt. Diese Rechtsprechung hat in der Literatur vielfältige Kritik erfahren.

    Die rechtlichen Erwägungen des Senats in der vorzitierten Entscheidung sind mit Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Änderung der Telekommunikations- Kundenschutzverordnung (TKV) vom 20. August 2002, durch die § 15 Abs. 3 TKV eingefügt wurde, in weiten Teilen obsolet geworden. Nach dieser Bestimmung hat der die Telefonrechnung erstellende Netzbetreiber den Kunden darauf hinzuweisen, daß er begründete Einwendungen gegen einzelne in Rechnung gestellte Forderungen erheben kann. Mit dieser Regelung sollten die Rechte des Verbrauchers gegenüber dem die Rechnung erstellenden Telekommunikationsunternehmen gerade mit Blick auf die Nutzung von Mehrwertdiensten in dem Sinne gestärkt werden, daß sich der Rechnungsersteller über begründete Einwendungen des Rechnungsempfängers nicht hinwegsetzen darf. Allerdings würde sich am Ergebnis, nicht zuletzt unter Berücksichtigung des inzwischen in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001, nichts ändern. Hierauf näher einzugehen, bietet der hier zu beurteilende Fall allerdings keinen Anlaß.

    [Lesbarkeitsüberarbeitungen durch KatzenHai]
Keine weiteren Fragen, Herr Vorsitzender!
 
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