Beweislast bei Onlineverträgen im Zusammenhang mit Strafanzeigen

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Reducal

Forenveteran
Zur angeführten Diskussion habe ich nun folgende Fakten dazu zusammen getragen, auf die ich wieder verweisen werde.

Anbieter von Leistungen im Internet (z. B. Versandhäuser, Onlinehändler, Internet Service Provider) stellen ihre Angebote für Kunden zur Verfügung. Nutzer dieser Angebote geben nicht selten falsche oder Nonsensdaten an, so dass die Vergütung für erbrachte Internetdienstleistungen als Schaden zum Nachteil beim Anbieter zu verbuchen ist.

Nicht selten werden echte Daten von fremden Nutzern zur Bestellung von Artikeln oder zur Anmeldung bei Dienstleistungen verwendet. Rechnungsempfänger ist dann derjenige, dessen Daten missbraucht worden sind. In rein ziviler Hinsicht wurde damit ein Irrtum beim Anbieter erzeugt, wodurch der Vertrag mit dem tatsächlichen Rechnungsempfänger ungültig ist.

Bei vielen Anbietern hat sich ein unbegründete Rechtsauffassung etabliert, durch die der Rechungsempfänger in Beweispflicht genommen wird. Ihm wird vom Anbieter aufgetragen seine Unschuld durch Beweise zu belegen oder gar eine Strafanzeige zu erstatten.
  • vereinfachte Erläuterung dazu
Im geschäftlichen Verkehr über Internetplattformen gelten hinsichtlich des Zustandekommens von Verträgen die allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB. Wer sich hier auf einen wirksamen Vertragsschluss beruft, hat darzulegen und zu beweisen, dass der Rechnungsempfänger Vertragspartner geworden ist und nicht umgekehrt.

Eine konkrete Vorschrift dazu gibt es nicht. Vielmehr ist es im Zivilrecht grundsätzlich so, dass derjenige, der einen Anspruch geltend macht, auch schlüssig darlegen muss, warum und mit wem dieser Anspruch entstanden ist. Dies folgt im Zivilprozess dem s. g. Beibringungsgrundsatz. Eine Beweislastumkehr gibt es in diesen Fällen nicht, so dass sich der Forderungsgegner zunächst darauf beschränken kann, die Forderung zu bestreiten, so dass der Anbieter seinerseits die erforderlichen Schritte als Geschädigter in Betracht ziehen kann.

Da es zumeist an den erforderlichen, hinreichenden Plausibilitätsprüfungen der eingegebenen Daten beim Anbieter fehlt, bleibt diesem letztendlich nur die Möglichkeit, seine selbst protokollierten Verbindungsdaten aus der Bestellung oder Anmeldung als Beweismittel im Rahmen einer Strafanzeige gegen einen unbekannten Täter vorzulegen. Den Strafverfolgungsbehörden ist es dann unter gewissen Voraussetzungen möglich, diese Daten zu analysieren und zumindest den physikalischen Ursprung der Internetsession festzustellen und dort dann weitere Ermittlungen gerichtsverwertbar durchzuführen. Dem geschädigten Anzeigenerstatter obliegt dann die Möglichkeit, sich über seine Rechtsvertretung Akteneinsicht zu verschaffen und unter Umständen zivil gegen den Verursacher vorzugehen. Diese Praxis hat sich heute bereits in vielen Bereichen bewährt, z. B. bei der Aufspürung von Teilnehmern an Daten-Tauschbörsen (Filesharing).

In Anlehnung an die Interpretation eines Beschlusses des LG Ulm vom 04.11.2005, GZ: 2Qs2099/04, kann bei dieser Deliktsform, dem Eintragen fremder oder Nonsensdaten in ein offenes Zahlungssystem, lediglich davon ausgegangen werden kann, dass ein Fälschen beweiserheblicher Daten gem. § 269 StGB vorliegt. Betrug oder Computerbetrug nach §§ 263, 263a StGB scheiden aus, da es an den erforderlichen Tatbestandsmerkmalen mangelt.

Der oft von den Anbietern gehegte Wunsch, dass durch den Rechungsempfänger eine Strafanzeigenerstattung zu erfolgen hat, ist in sich nicht schlüssig, da allein der Anbieter geschädigt ist. Der Rechungsempfänger hingegen hat lediglich die zivile Forderung ggü. dem Anbieter zu bestreiten, wenn der vermeintliche Vertragsschluss seiner Meinung nach nicht gegeben ist.

Da die Klärung ziviler Ansprüche nicht die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist, ist es auch nicht die Aufgabe eines widerspruchsführenden Rechungsempfängers, eine Strafverfolgung für den Anbieter anzustoßen, damit das Forderungsmanagement bzw. Mahnverfahren gegen ihn ausgesetzt werden kann. Die Erstattung einer Anzeige ist nicht dazu geeignet, einen widerspruchsführenden Rechnungsempfänger von der zivilen Forderung des Anbieters zu entlasten, da mit der Einleitung eines Strafverfahrens allein noch kein Beweis über die Erregung eines Irrtums beim Zustandekommen eines zivilen Vertrages vorliegt.

Der Anbieter hat die Möglichkeit selbst Strafanzeige bei seiner örtlich für ihn zuständigen Polizei oder Staatsanwaltschaft zu erstatten. Die Zuständigkeit am Sitz des Anzeigenerstatters begründet sich daher, dass neben dem tatsächlichen Tatort (wenn dieser unbekannt ist) auch der Ort ein weiterer Tatort ist, an dem ein Schaden eingetreten ist – also beim Anbieter. Dabei sollten die Daten-Übertragungsprotokolle als Beweismittel vorgelegt und einen verantwortlicher Mitarbeiter mit ladungsfähiger Anschrift benannt werden, da der Anbieter durch die Tat womöglich in seinem Vermögen geschädigt wurde. Es bleibt hier allerdings zu bedenken, dass ein entgangener Gewinn kein Schaden im Sinne des StGB ist – der Schaden ist bei einer Anzeigenerstattung genau zu definieren.

Der Verweis eines Anbieters darauf, dass der widerspruchsführende Rechungsempfänger eine Kopie einer zu erstattenden Strafanzeige vorlegen soll, entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage. Der geschädigte Anbieter hat keinen Anspruch auf solch ein Verhalten seines Forderungsgegners.
Die Aushändigung der Kopie einer Strafanzeige an einen Zeugen oder Beschuldigten im Strafverfahren, ohne Antrag auf anwaltliche Akteneinsichtnahme durch einen Prozessbeteiligten, ist aus Verfahrensgründen widerrechtlich. Die Akteneinsichtnahme kann nur von der sachbearbeitenden Staatsanwaltschaft gewährt werden, nicht aber von der Polizei. Einem Zeugen steht von Amts wegen her lediglich die Bestätigung über die Erstattung einer Strafanzeige zu, unter Benennung des Aktenzeichens der aufnehmenden Behörde.
  • mein Fazit
Im Grundsatz sind das Stellen und Erfüllen einer zivilen Forderung Angelegenheit zwischen den Vertragspartnern. Sollte der Anbieter irrig in der Annahme sein, einen Vertrag mit einem fremden Rechnungsempfänger zu haben, so besteht zumindest der Verdacht einer Straftat durch einen eingangs unbekannten Täter.

Einem geprellten Anbieter steht es nicht zu, gewisse Obliegenheitspflichten in einem Strafverfahren an einen unbeteiligten Dritten zu delegieren, nur um diesen dadurch unter Druck zu setzten. Üblicher Weise sind viele Anbieter so eingestellt, dass sie eigentlich nicht an einer Strafverfolgung interessiert sind. Als wirtschaftlich arbeitende Unternehmen scheut man den unverhältnismäßig hohen personellen Aufwand (z. B. Belastung in einer Rechtsabteilung) die zeitlichen Einbußen (z. B. aufwendige Gerichtsverfahren) und finanzielles Engagement (z. B. Anwaltskosten) ggü. dem zu erwartenden Ermittlungserfolg. Der Einfachheit wegen oder aus juristischer Fehleinschätzung heraus werden deshalb Widerspruchsführer zur Strafanzeige aufgefordert, um dem Recht des Geschädigten Geltung zu verschaffen – geschädigte Anbieter selbst unterlassen es jedoch i. d. R., sich der bestehenden Strafanzeige anzuschließen, Akteneinsicht zu nehmen und über den Ausgang des Verfahrens Informationen zu beantragen.
Die Aufforderung eines Anbieters zur Anzeigenerstattung durch den Rechnungsempfänger ist prinzipiell als unnötige Drohkulisse im Mahnverfahren zu bewerten, durch die der Rechnungsempfänger letztendlich lediglich zur Zahlung gebracht werden soll. Nach meiner Erfahrung wird Zweiflern dadurch das Gefühl vermittelt, sich durch die Anzeigenerstattung von der Forderung befreien zu können. Nicht selten schlägt diese Gefühl jedoch ins Gegenteil um, wenn sich letztendlich am Ort der Anzeigenerstattung heraus stellt, dass die Bestellung oder die Anmeldung bei einem Projekt aus dem direkten Umfeld des Anzeigenerstgatters durchgeführt wurde – dann nämlich, wenn gegen den Anzeigenerstatter ein Verfahren, wegen dem Vortäuschen einer Straftat nach § 145d StGB, Ermittlungen aufgenommen und womöglich ihm nahestehende Personen oder er selbst kriminalisiert werden.
 
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