Der Jurist
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Identitätsdiebstahl
"Und plötzlich war ich Ladenbesitzerin"
Von Frank Patalong
Wahre Hammerpreise bietet er diese Woche, der Eushop-Online: Digitalkameras der Spitzenklasse zum halben Preis. Die angebliche Betreiberin des Shops lebt in München - nur wusste sie bisher gar nicht, dass sie Ladenbesitzerin ist. Die Polizei ermittelt - und kann nur wenig unternehmen.
Nur vordergründig professionell gemacht: Dieser Webshop ist wahrscheinlich eine Falle
Seit Freitagvormittag weiß Alexandra B., dass sie Betreiberin eines Online-Shops in Amerika ist. Da rief dieser Mann an, Mathias B., fragte nach, so "richtig mit Fangfragen": Nach den tollen aktuellen Angeboten, nach ihrer Person. Schließlich, ob sie die Betreiberin des Eushop-Online sei?
"Was für ein Shop?", fragte sie ihn, "ich fiel ja aus allen Wolken."
Der Anrufer wusste eine ganze Menge über sie: ihren Namen, ihre vollständige Adresse, dazu eine Telefonnummer, die aber gar nicht ihre sei. "Die gehört meinem Lebensgefährten, und die ist gar nicht öffentlich. Ich habe keine Ahnung, wie die an diese Nummer gekommen sind!"
"Die", das sind die Leute, die die Internetadresse "eushop-online.com" unter Alexandra B.s Namen beim amerikanischen Internet-Registrar Enom anmeldeten. Der verkaufte die Domain dann angeblich an Alexandra B., die ihre Adressdaten und besagte Telefonnummer seitdem über die internationalen "Whois"-Datenbänke der Internet-Registrare einsehen kann. So hatte auch der Anrufer Kontakt zu Alexandra B. gefunden.
Falsch, falscher, Dumpingshop
Hinterlegt ist die Seite, die von sich behauptet, aus Portugal zu kommen, in Houston, Texas. Doch das alles heißt gar nichts: Der nur auf den ersten Blick professionell gestaltete Shop glänzt vor allem durch schlechtes Englisch, zahlreiche Tipp- und Grammatikfehler.
Ein seltsamer Shop, der da hochpreisige Gerätschaften zu Dumpingpreisen feilbietet: Er hat eine Eignerin in München, die davon nichts weiß, eine Mutterfirma in Portugal, die nirgendwo zu finden ist, und Webserver in den USA. Ein schlechter Scherz, um Alexandra B. Ärger zu machen?
Wohl weit mehr als das. Immerhin, sagt Alexandra B., "versuchen die ja schon, Kunden-Kontaktdaten gleich mit Kreditkartennummer abzufragen".
Der Gang zur Polizei: Notwendige Selbstversicherung
Kurz nachdem Alexandra B. von "ihrem" Shop erfuhr, wandte sie sich an die Münchner Polizei. "Die konnten mir erst gar nicht helfen und sagten, es sei ja auch kein richtiger Schaden entstanden." Später dann bekam Alexandra B. Kontakt zur Münchener Internetstreife, die bundesweit als eine der bestinformierten Polizeidienststellen in Sachen Internet gilt.
Dort verstand man ihr Problem sofort. "Ein Beamter riet mir, förmlich Anzeige gegen unbekannt zu erstatten." In hektische Betriebsamkeit, meint Alexandra B., sei wegen ihres Falles aber niemand verfallen.
Aus gutem Grund, denn unternehmen kann die Münchner Polizei zunächst wenig: Auf dem Amtsweg eine Einstellung der Website auf einem Server in Houston, Texas, zu erwirken, dürfte dauern. Bis dahin aber macht der Eushop-Online weiter seine sonderbaren Sonderangebote, fragt Kreditkartennummern ab.
"Vorsichtigen" Kunden in den USA, die sich auf die Kreditkartenzahlung nicht einlassen wollen, bietet Eushop-Online auch die Barzahlung an - per Vorkasse. Empfänger des Geldes ist ein Mann in Porto, Nordportugal, der zwar über eine Adresse verfügt, über Telefonverzeichnisse aber nicht zu finden ist.
Sein (amerikanischer) Name ist im Web dagegen nicht ganz unbekannt: Der Gute hängt als verdienstvoller Basketball-Trainer in der "Hall of Fame" des Basketballverbandes Illinois, USA. Nicht unmöglich, dass auch diese Identität "geliehen" ist.
Die Warnung geht durchs Web
Das alles sei kein Einzelfall, glaubt Mathias B., der Alexandra B. über ihr angebliches Engagement in den augenscheinlichen Betrugsfall informiert hatte. Seit Freitag letzter Woche beteiligt sich B. auch an Online-Diskussionen zum Thema, warnt vor dem Eushop-Online. Denn Mathias B. hat seine Erfahrungen gemacht, hatte bereits im Vorjahr einen ähnlichen Shop mit ähnlichen Angeboten als "Powerseller" bei eBay kommen und gehen sehen.
Gerade bei eBay sind solche Dinge tatsächlich nicht selten. Nach einer Statistik des Landeskriminalamtes Sachsen stieg die Zahl der angezeigten eBay-Betrügereien im letzten Jahr um 132,8 Prozent auf jetzt 2305 aktenkundige Fälle. Neben zahlreichen Klein-Betrügereien (Ware verkaufen, nie liefern) kommt es dabei immer wieder zu notorisch Sonderverkaufsauktionen mit hochpreisigen Waren: Besonders gern werden Digitalkameras und Apple-Computer angeboten. Für kurze Zeit schöpfen die Betrüger Überweisungen ab - und setzen sich dann ab. Doch im Gegensatz zum Fall Eushop-Online operieren die meisten dieser Trickbetrüger mit Phantasienamen und lenken die Gelder oftmals über Scheinadressen in mehreren europäischen Ländern.
Alexandra B. hingegen ist echt, was die Glaubwürdigkeit des windigen Angebotes potenziell erhöht. Noch weiß man nicht, ob bereits Internet-Surfer auf den Betrug hereinfielen. Das wird sich erst in einigen Wochen herausstellen, wenn geprellte Kunden beginnen, nach der nicht gelieferten Ware zu fragen.
Das Nachspiel könnte ärgerlich werden
An wen die sich dann wenden könnten, schwant Alexandra B. so langsam: Während sich der Impressum-Link auf der Shop-Website per Klicktest als Fälschung erweist, ist ihre Adresse und Telefonnummer ja korrekt angegeben. "Aber", sagt sie, "ich handele definitiv nicht mit Kameras!" Jetzt steigt die Angst. Alexandra B.: "Die haben mir schon bei der Polizei gesagt, dass es sogar passieren könnte, dass Anzeigen aus den USA erfolgen. Das ist dann zwar alles beweisbar, dass ich keine Schuld habe, aber den ganzen Ärger habe erst einmal ich!"
Diese Gefahr ist am Wochenende tatsächlich gestiegen. Nachdem bereits nach nur zwei, drei Tagen im Web die sensationellen Angebote des Eushop in Diskussionsgruppen von Hobbyfotografen in Frage gestellt wurden, reagierten die Macher der Webseite am Sonntag: Sie veränderten die Texte der Website und lieferten ihren "Besuchern" eine Erklärung für die unglaublichen Sonderangebote.
Jetzt kooperiert Eushop-Online angeblich mit dem amerikanischen Roten Kreuz, dem "30 Prozent aller Profite" zufließen sollen, um "krebskranken Kindern in Afrika" zu helfen.
Alexandra B. fürchtet nun, dass vielen potenziellen Kunden mit dieser Erklärung die Dumpingpreise plausibel gemacht werden könnten: "Die verkaufen sich jetzt als eine Art Wohltätigkeitsveranstaltung."
So richtig erschreckt hat sie an der ganzen Sache aber vor allem eines: "Das kann jedem passieren. Einfach so."
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