Streit um Telefonrechnung Gericht entscheidet, ob Kundin 23 000 Euro bezahlen muss
Medium: Berliner Morgenpost
Datum: 26.9.04
Von Michael Mielke
Im Januar 2002 bekam die Invalidenrentnerin Inge F. eine für sie merkwürdige Rechnung: Die Telekom forderte von der 57-Jährigen rund 23 000 Euro. Innerhalb von 44 Kalendertagen, so die genaue Auflistung, soll die Frau aus ihrer Wohnung in der Schöneberger Bülowstraße insgesamt 47 024 Mal eine mit den Zahlen 01379 beginnende Rufnummer gewählt haben. Es ging um Teilnahme-Anrufe zu Glücksspielen beim dafür bekannten Fernsehsender 9Live. Pro Anruf wurden die im Untertext des Senderprogramms stets erwähnten 0,49 Cent berechnet. Inge F. hält diese Rechnung für absurd. "Ja, doch", räumt sie ein, "ich habe manchmal schon mit dem Telefon mein Glück versucht, aber doch nicht in dieser Menge!" Schon körperlich sei sie zu so vielen Anrufen gar nicht in der Lage gewesen. Die Rentnerin ist wegen einer
Knochenerkrankung auf den Rollstuhl angewiesen und nimmt regelmäßig starke schmerzstillende Medikamente.
"Ich kann an manchen Tagen meine Hände gar nicht bewegen", beteuert die Frau.
Außerdem sei ihr Fernsehgerät gerade im genannten Zeitraum mehr als eine Woche in der Werkstatt gewesen. Sie schüttelt erregt den Kopf und beharrt: "Das muss ein Irrtum oder eine Fehlschaltung sein." Inge F. war nach Erhalt der horrenden Rechnung zunächst zur Telekom gefahren, wo ihr bekundet wurde, alles sei rechtens: Ein technisches Versehen bei der Erfassung der Gebühren sei auszuschließen, das wurde ihr später auch schriftlich mitgeteilt. Auch bei der Verbraucherschutzzentrale fand die schwerstbehinderte Frau angesichts dieser Sachlage keinen Beistand. "Die haben gesagt, ich habe keine Chance und soll das in drei Raten zahlen", empört sie sich. Am Ende, erinnert sich die seit 1991 verwitwete Frau, sei ihr dann "König Zufall zu Hilfe gekommen". Bei ihrem Hausarzt fiel ihr die Rechung aus der Tasche. "Auch das noch", will sie geseufzt haben. Der Arzt fragte schließlich nach und informierte anschließend seinen Anwalt über den Vorgang. Wolfgang Thoms, der das Mandat für Inge F. auch postwendend übernahm, sieht gleich mehrere verschiedene Möglichkeiten, gegen die Forderungen der Telekom AG vorzugehen. Zum einen, so Thoms, streite Frau F. ja ab, überhaupt so oft telefoniert zu haben. Aber selbst wenn das nicht zu beweisen wäre, könne sich die Telekom nicht darauf berufen, nur die Zwischenstation in diesem Geschäft, also quasi ein wertneutraler Dienstleister gewesen zu sein. Der Anwalt kritisiert, dass mit der "Unerfahrenheit von vom Spieltrieb gepackten Verbrauchern" Geschäfte gemacht würden. Schließlich lande ja ein beträchtlicher Anteil der zu entrichtenden Telefongebühren, "die weit über die regulären Telefonkosten hinausgehen", in der Kasse der Telekom, betont Wolfgang Thoms. Das wird nun auch sein Hauptargument in einem Prozess vor dem Berliner Landgericht sein. Am Dienstag um 11 Uhr, im Saal 124 am Tegeler Weg. Inge F. wird nicht selbst kommen: "Das schaffe ich nicht mehr." Sie will zu Hause auf den Anruf ihres Anwalts warten und hoffen und beten. "Wenn ich das verliere", sagt sie, "kann ich mir bei meiner kleinen Rente gleich einen Strick nehmen."
[Hervorhebungen von telekomunikacja]