Rentnerin soll 47 024 mal bei 9live angerufen haben

http://dejure.org/gesetze/BGB/762.html
§ 762
Spiel, Wette

(1) Durch Spiel oder durch Wette wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf Grund des Spieles oder der Wette Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.

(2) Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der verlierende Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Spiel- oder einer Wettschuld dem gewinnenden Teil gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis.
 
Haben die Richter überhaupt mal nachgerechnet? Die Frau soll also - wenn man ein paar Stunden Schlaf abzieht - grob gerechnet jede Minute da angerufen haben. 44 Tage lang also nichts anderes gemacht; Essens-, Klo- und sonstige Pausen nicht eingerechnet. Vielleicht sollte im Prozess ein Psychologe herangezogen werden, um zu klären, ob der Dame so was denn wirklich zuzutrauen ist :gruebel:
 
Den Psychologen brauchen wohl eher die Telekomiker und die Richter, das ist doch vom gesunden Menschenverstand her kaum möglich, dass jemand so viel telefoniert haben soll.
 
Counselor schrieb:
Nach einem Bericht von Teltarif hat das LG Berlin einer Zahlungsklage der Deutschen Telekom AG über € 23000 stattgegeben, derzufolge eine berliner Rentnerin innerhalb von 44 Tagen 47024 mal bei 9live angerufen haben soll:
Eine Rentnerin, schwer behindert dazu, soll über 44 Tage 47024 mal telefoniert haben. Das sind rechnerisch 44,5 Telefonate pro Stunde. 24 Stunden am Tag, 44 Tage lang.
Ein Richter, der so etwas glaubt, müsste auf Grund seiner Blödheit sofort der Betreuung durch einen Amtspfleger oder Vormund unterstellt werden.

Eigentlich kann es der Frau egal sein, wenn sie von einer Invalidenrente lebt.
Ich an ihrer Stelle würde die Finger heben und die Telekom bitten, jede Woche den Gerichtsvollzieher vorbeizuschicken. Dann kann sie, auf Kosten der Telekom einmal die Woche ein Schwätzchen abhalten.

Es kann eigentlich nicht sein, dass die Telekom einen Wisch auf den Tisch legt und behauptet, das sei ein unumstößlicher Verbindungsnachweis.
Wenn der genauso korrekt ist, wie ihre Immobilienbewertungen in der Bilanz, wundert mich allerdings nichts mehr.

Anständigkeit oder moralische Skrupel sind gegenüber einer solchen, nennen wir es mal "Gesellschaft", absolut verfehlt und unangebracht.
Vielleicht hat die Dame ja einen Verwandten oder Freund, der die Story exklusiv an ein Boulevardmedium verscherbelt. Kampagnen wie, "Telekom stürzt arme, invalide Rentnerin ins Elend", stoßen immer auf öffentliches Interesse.

Gruss A. John
 
[Ironie an]
Wahrscheinlich hatte sie sich von ihrem Enkel eigens einen Autodialer installieren lassen, der nach Verbindungsabbruch sofort wieder neu wählt...anders war es ja nicht zu schaffen ;) :punk:
 
Es ist in Deutschland leider ein Problem, das Richter praktisch Narrenfreiheit haben.

Gerade bei diesem Urteil wurde ohne Sinn und Verstand geurteilt, allerdings voll im Rahmen der gesetzlichen Lage (Anscheinsbeweis). Auch der Anwalt dürfte mit seiner Argumentation bezüglich § 762 BGB zur Niederlage beigetragen haben, denn er erweckt damit den Anschein, das die Gesprächskosten regulär zustande gekommen sind und die Dame sich jetzt mit juristischen Spitzfindigkeiten vor der Zahlung zu drücken versucht.

So sehr ich auch seine Argumentation nachvollziehen kann, und mir wünschen würde, das dieser Müll a la 9live verboten wird, aber mit dieser Argumentation konnte das nur schiefgehen.
 
Antidialer schrieb:
Es ist in Deutschland leider ein Problem, das Richter praktisch Narrenfreiheit haben.
...
aber mit dieser Argumentation konnte das nur schiefgehen.
Was nun, wer hat da versagt? Der Richter oder der Anwalt? Im Zivilverfahren darf der Richter nur das werten, was beantragt bzw. mit Argumenten belegt wird. Wenn der Anwalt das reguläre Zustandekommen der Gesprächskosten nicht bestritten hat, ist der Richterspruch doch formal in Ordnung. Jeder ist für seinen Anwalt selbst verantwortlich.
 
johinos schrieb:
Was nun, wer hat da versagt? Der Richter oder der Anwalt?
So wie sich das liest, hat der Anwalt zunächst versucht, mit der Anzahl der Telefonate zu argumentieren.
Meist aber schließen sich vor Gericht Lebenswirklichkeit und Formalrecht gegenseitig aus.
Kommt man dazu noch an Richter, die in ihrer geistigen Entwicklung auf der Stufe von Vorschulkindern stehen, bleibt halt nur noch die Hoffnung, sie mit Tricks und Winkelzügen über den Tisch zu ziehen. (Was IMO eher die Regel als die Ausnahme ist).
Oft muss man den Eindruck haben, dass Logik und vernunftbegabtes Denken die Befähigung zum Richteramt verhindern.

Gruss A. John
 
Die Gute muss ja nun auch ansehnlich viel gewonnen haben. Sie allein bringt statistisch genügend Anrufe zusammen, um die Auszahlungsquote nachrechnen zu können. Davon erfährt man leider nichts.

Dietmar Vill
 
Tobias Huch schrieb:

Grüß Gott!

Die MoPo berichtete nicht nur am 24.10.2004 — Rentnerin muß zahlen. Berliner Landgericht: Rechnung der Telekom über 23 000 Euro korrekt, sondern auch schon am 26.09.2004 — Streit um Telefonrechnung. Gericht entscheidet, ob Kundin 23 000 Euro bezahlen muss.

Da stand:

Streit um Telefonrechnung Gericht entscheidet, ob Kundin 23 000 Euro bezahlen muss
Medium: Berliner Morgenpost
Datum: 26.9.04

Von Michael Mielke
Im Januar 2002 bekam die Invalidenrentnerin Inge F. eine für sie merkwürdige Rechnung: Die Telekom forderte von der 57-Jährigen rund 23 000 Euro. Innerhalb von 44 Kalendertagen, so die genaue Auflistung, soll die Frau aus ihrer Wohnung in der Schöneberger Bülowstraße insgesamt 47 024 Mal eine mit den Zahlen 01379 beginnende Rufnummer gewählt haben. Es ging um Teilnahme-Anrufe zu Glücksspielen beim dafür bekannten Fernsehsender 9Live. Pro Anruf wurden die im Untertext des Senderprogramms stets erwähnten 0,49 Cent berechnet. Inge F. hält diese Rechnung für absurd. "Ja, doch", räumt sie ein, "ich habe manchmal schon mit dem Telefon mein Glück versucht, aber doch nicht in dieser Menge!" Schon körperlich sei sie zu so vielen Anrufen gar nicht in der Lage gewesen. Die Rentnerin ist wegen einer Knochenerkrankung auf den Rollstuhl angewiesen und nimmt regelmäßig starke schmerzstillende Medikamente. "Ich kann an manchen Tagen meine Hände gar nicht bewegen", beteuert die Frau. Außerdem sei ihr Fernsehgerät gerade im genannten Zeitraum mehr als eine Woche in der Werkstatt gewesen. Sie schüttelt erregt den Kopf und beharrt: "Das muss ein Irrtum oder eine Fehlschaltung sein." Inge F. war nach Erhalt der horrenden Rechnung zunächst zur Telekom gefahren, wo ihr bekundet wurde, alles sei rechtens: Ein technisches Versehen bei der Erfassung der Gebühren sei auszuschließen, das wurde ihr später auch schriftlich mitgeteilt. Auch bei der Verbraucherschutzzentrale fand die schwerstbehinderte Frau angesichts dieser Sachlage keinen Beistand. "Die haben gesagt, ich habe keine Chance und soll das in drei Raten zahlen", empört sie sich. Am Ende, erinnert sich die seit 1991 verwitwete Frau, sei ihr dann "König Zufall zu Hilfe gekommen". Bei ihrem Hausarzt fiel ihr die Rechung aus der Tasche. "Auch das noch", will sie geseufzt haben. Der Arzt fragte schließlich nach und informierte anschließend seinen Anwalt über den Vorgang. Wolfgang Thoms, der das Mandat für Inge F. auch postwendend übernahm, sieht gleich mehrere verschiedene Möglichkeiten, gegen die Forderungen der Telekom AG vorzugehen. Zum einen, so Thoms, streite Frau F. ja ab, überhaupt so oft telefoniert zu haben. Aber selbst wenn das nicht zu beweisen wäre, könne sich die Telekom nicht darauf berufen, nur die Zwischenstation in diesem Geschäft, also quasi ein wertneutraler Dienstleister gewesen zu sein. Der Anwalt kritisiert, dass mit der "Unerfahrenheit von vom Spieltrieb gepackten Verbrauchern" Geschäfte gemacht würden. Schließlich lande ja ein beträchtlicher Anteil der zu entrichtenden Telefongebühren, "die weit über die regulären Telefonkosten hinausgehen", in der Kasse der Telekom, betont Wolfgang Thoms. Das wird nun auch sein Hauptargument in einem Prozess vor dem Berliner Landgericht sein. Am Dienstag um 11 Uhr, im Saal 124 am Tegeler Weg. Inge F. wird nicht selbst kommen: "Das schaffe ich nicht mehr." Sie will zu Hause auf den Anruf ihres Anwalts warten und hoffen und beten. "Wenn ich das verliere", sagt sie, "kann ich mir bei meiner kleinen Rente gleich einen Strick nehmen."

[Hervorhebungen von telekomunikacja]

Inwiefern man dann überhaupt irgendwelche Anrufwahrscheinlichkeiten berechnen kann, ist fraglich.

Merkwürdig, dass das Forum Glücksspielsucht/ der Fachverband Glücksspielsucht die Artikel auch in seinen News-Index — http://www.forum-gluecksspielsucht.de/aktuelles/news2492.html und http://www.forum-gluecksspielsucht.de/aktuelles/news2446.html — aufgenommen hat.
 
Antidialer schrieb:
Gerade bei diesem Urteil wurde ohne Sinn und Verstand geurteilt, allerdings voll im Rahmen der gesetzlichen Lage (Anscheinsbeweis). Auch der Anwalt dürfte mit seiner Argumentation bezüglich § 762 BGB zur Niederlage beigetragen haben, denn er erweckt damit den Anschein, das die Gesprächskosten regulär zustande gekommen sind und die Dame sich jetzt mit juristischen Spitzfindigkeiten vor der Zahlung zu drücken versucht.
Widerspruch.

9live sagt selbst wiederholt, das staatliche Glückspielmonopol werde gewahrt, weshalb man eben eine "Quizshow" veranstalte, die nicht hierunter fällt.

Genau das bedeutet nach § 763 BGB, dass § 762 BGB Anwendung findet.

Und hier ist ziemlich deutlich geklärt, dass Nebenverträge zur "unvollkommenen Verbindlichkeit" in den Schutzzweck einzubeziehen sind, also das Schicksal des eigentlichen Spiel-/Wettvertrags teilen. Warum dies TK-Kosten nicht unfassen soll, wird die zweite Instanz zu bewerten haben - ich persönlich sehe in der Argumentation des verteidigenden Kollegen einen sehr erfolgversprechenden Ansatz.
 
Das ist alles nicht schön und nicht gut.
Wenn das meine Oma wäre, würde ich ihrem Anwalt schon etwas mehr auf die Finger klopfen. Es ist gefährlich, sich nur auf eine Argumentationskette zu verlassen.
Z.B.:
Von der T. technische Prüfung mit Dokumentation einfordern.
Liefert die T. diese nicht oder kann diese nicht liefern, hat sie schon Pech gehabt.
Einzelverbindungsnachweis genau durchkämmen.
Sind einzelne Verbindungen kürzer als die Zeit, die für die Bandansage mit Kostenhinweis benötigt werden? Überschneiden sich Verbindungen?
Gibt es Zeiten, in denen Oma nachweislich nicht zuhause war, aber angeblich telephoniert hat?
Usw.
Die ganze TKV und das BGB nach Argumenten abklappern.
Aber es ist nicht meine Oma, und deshalb ist mein Gedankengang rein theoretisch und nicht als Rat zu verstehen.
 
@ Katzenhai

Plattenputzer hat einen Teil meiner Meinung schon vorweggenommen.

Du magst zwar Recht haben (und ich würde mich über die runterfallenden Kinnladen bei 9live und co freuen), aber den ganzen Prozess auf diese Argumentation aufzubauen halte ich für höchst riskant. Das ganze erinnert an das Telefonsex Urteil des BGH.

Da sind zunächst die politischen Dimensionen. Kommt die Dame durch, ist 9live pleite, den restlichen Privatsendern gehen Millionen durch die Lappen. Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gehen verloren. Auch wenn die Justitz formal unabhängig ist, so dürfte dies doch ewentuel Einfluss auf die Urteilsfindung haben. Unter der Instanz BGH wird das sicher eh nicht entschieden.

Wie schon Plattenputzer geschrieben hat, wäre es sinnvoller gewesen, erst einmal die Anzahl der Gespräche selbst in Zweifel zu ziehen. Das bei Telefonrechnungen nicht immer alles mit Rechten Dingen zugeht, ist ja bekannt.

Daher verstehe ich den Anwalt nicht, mit einer derartig exotischen Idee vor Gericht zu gehen. Es sei den natürlich, die Gespräche sind tatsächlich geführt wurden.
 
Daher verstehe ich den Anwalt nicht, mit einer derartig exotischen Idee vor Gericht zu gehen. Es sei den natürlich, die Gespräche sind tatsächlich geführt wurden.

Ich denke ohne den Volltext des Urteils nützt alles Rätselraten nichts.
Aus der Meldung ergibt sich m.E. aber schon dass als erste Verteidigungslinie die Anzahl der Telefonate bestritten wurde. Möglicherweise hat die DTAG ja eine technische Prüfung nach §16 TKV durchgeführt die dann erst Grundlage des Anscheinsbeweises war. Bei höheren Beträgen führt die DTAG schon aus Eigeninteresse in der Regel eine "Prüfung der in Rechnung gestellten Kommunikationsentgelte" durch. Nur bei kleineren Streitwerten wird versucht die Prüfung abzuwimmeln,da diese nicht unerhebliche Kosten verursacht.

Und dass eine Verbraucherzentrale wie berichtet gesagt hat "zahlen Sie in drei Raten" halte ich für ausgeschlossen. So eine Geschichte landet dort mit Sicherheit zur näheren Prüfung auf nem Schreibtisch der Fachabteilung.
 
Antidialer schrieb:
Da sind zunächst die politischen Dimensionen. Kommt die Dame durch, ist 9live pleite, den restlichen Privatsendern gehen Millionen durch die Lappen. Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gehen verloren. Auch wenn die Justitz formal unabhängig ist, so dürfte dies doch ewentuel Einfluss auf die Urteilsfindung haben. Unter der Instanz BGH wird das sicher eh nicht entschieden.
Nun, das horizontale Gewerbe ist auch noch nicht pleite gegangen - obwohl die Ansprüche erst seit kürzerer Zeit einklagbar sind ...

Und die nicht nur formal unabhängige Justiz ersetzt nicht den Gesetzgeber - soll der die Gesetze ändern, wenn er 0137-Anrufe klagbar stellen will ...

Im Übrigen zahlen faktisch die allermeisten Nutzer solcher Nummern - also geht da derzeit überhaupt niemand pleite daran.
 
KatzenHai schrieb:
Nun, das horizontale Gewerbe ist auch noch nicht pleite gegangen - obwohl die Ansprüche erst seit kürzerer Zeit einklagbar sind ...
Das liegt mich Sicherheit größtenteils daran, dass die Bezahlung präkopulativ zu erfolgen hat.
 
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