BGH: Heimliche Dialereinwahl muss nicht bezahlt werden

sascha

Administrator
Teammitglied
BGH: Heimliche Dialereinwahl muss nicht bezahlt werden

Telefonkunden sind Netzbetreibern gegenüber nicht zur Zahlung von 0190- und 0900-Gebühren verpflichtet, wenn der Dialer sich heimlich einwählte und dem Anschlußinhaber insoweit kein Verstoß gegen seine Sorgfaltsobliegenheiten zur Last fällt. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof entschieden.

Es war das erste Mal, dass sich das höchste deutsche Gericht mit Dialern befasste. Im Jahr 2000 waren bei einer Berlinerin binnen vier Monaten über 17.500 Mark (rund 8750 Euro) an Telefongebühren aufgelaufen. Die Mutter stellte fest, dass ihr damals 16 Jahre alter Sohn sich einen 0190-Dialer eingefangen hatte. Dieser war als „Gratis-Zugangs-Software“ auf einer Webseite beworben worden. Der Dialer veränderte die Standardeinstellungen im DFÜ-Netzwerk des Computers derart, dass sämtliche Verbindungen in das Internet fortan über eine teure 0190-Mehrwertdienstenummer hergestellt wurden. Die Löschung der scheinbar der Datenbeschleunigung dienenden Datei machte diese Veränderungen nicht mehr rückgängig. Die Manipulationen waren bei standardmäßiger Nutzung des Computers nicht bemerkbar.

In erster Instanz war die Frau vom Landgericht Berlin noch zur Zahlung der hohen 0190-Gebühren verurteilt worden. In nächster Instanz entschied das Kammergericht Berlin dann zugunsten der Berlinerin. Es erkannt dem Netzbetreiber lediglich die Beträge zu, die angefallen wären, wenn die Verbindungen in das Internet über die normale Standardnummer angewählt worden wären. Das Kammergericht kam in seinem Urteil zum Schluss, dass der klagende Netzbetreiber, die BerliKomm, sich das unseriöse Vorgehen des spanischen Inhabers der 0190-Nummer zurechnen lassen müsse. Dementsprechend stehe der Vergütungsforderung der Klägerin ein Schadensersatzanspruch der Beklagten entgegen, aufgrund dessen sie so gestellt werden müsse, als ob sich der Dialer nicht eingeschlichen hätte (Dialerschutz.de berichtete).

Der Bundesgerichtshof entschied nun ähnlich und hat die Revision des Netzbetreibers zurückgewiesen. Die BerliKomm habe aus dem Telefondienstvertrag mit der Frau keinen Anspruch auf Zahlung der Verbindungskosten nach den erhöhten 0190-Mehrwertdienstetarifen, erklärte der III. Zivilsenat des BGH. Der Vertrag der Parteien enthielt zwar keine ausdrückliche Bestimmung, die einen Fall wie den vorliegenden regelte. Der Senat hat jedoch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und den Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV herangezogen, wonach den Kunden keine Vergütungspflicht für die Nutzung seines Anschlusses durch Dritte trifft, sofern er diese nicht zu vertreten hat. Da die Klägerin ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Inanspruchnahme der Mehrwertdienste habe – sie muss nur einen Teil des erhöhten Entgelts an andere Netz- und Plattformbetreiber abführen – , sei es angemessen, sie das Risiko eines solchen Missbrauchs der 0190-Nummern tragen zu lassen, den ihre Kunden nicht zu vertreten haben. Der Beklagten und ihrem Sohn falle kein Verstoß gegen ihre Sorgfaltsobliegenheiten zur Last, so die Richter. Sie hatten keinen besonderen Anlass zu Schutzvorkehrungen, da der Dialer nicht bemerkbar war. Auch eine routinemäßige Vorsorge gegen Anwahlprogramme konnte nicht erwartet werden.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ( III ZR 96/03 ) ist aus Verbrauchersicht mehr als erfreulich. Es bestätigt in seinem Tenor eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen der vergangenen Monate. Im vergangenen Jahr hatten viele Amts- und Landgerichte ähnliche Urteile zugunsten von Dialer-Opfern gefällt.

http://www.dialerschutz.de/home/Aktuelles/aktuelles.html
 
Gibt es schon erste Meldungen über Autodefenestrationen von Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern gewisser Unternehmen aus den betroffenen Branchen?
 
Wichtig finde ich die Bemerkung, das eine routinemäßige Vorsorge nicht erwartet werden konnte.

DAS dürfte das Aus für jede Forderung sein, die durch einen Hintergrunddialer verursacht wurde.

Bleibt aber das alte Problem: die Dialer, die per Scriptbefehle illegales Verhalten zeigen, ohne diese aber halbwegs Gesetzeskonform sind.

An die Profis mit sehr guten Programmierkenntnissen: es sollte doch möglich sein, zumindest aus einigen Dateiformaten, eventuell eingebaute Optionen anzuzeigen. Das würde den Kreis der halbwegs legalen Dialer weiter einengen.
 
Endlich gibt es eine höchstrichterliche Entscheidung, die dieses "Sorgfaltspflicht des Internetnutzers"-Argument verwirft.

Obwohl jedem Richter klar sein sollte, dass jegliche Schutzvorkehrungen des users keine 100% Sicherheit gewährleisten können, wurde ja leider vielfach anders entscheiden.
 
Mangels Quelle und Zeit am heutigen Tage habe ich das Urteil und seine Begründung noch nicht in seiner Gesamtheit gelesen. Und deshalb stelle ich mal die Frage in den Raum, die mir zuallererst einfiel, als ich diese Passage las:
Sie hatten keinen besonderen Anlass zu Schutzvorkehrungen, da der Dialer nicht bemerkbar war. Auch eine routinemäßige Vorsorge gegen Anwahlprogramme konnte nicht erwartet werden.
Kann es sein, dass hierbei auch das frühe Datum des Vorfalls (2000) eine Rolle spielte? 2000 war die Dialerproblematik noch längst nicht so breitgetreten und ausgeufert, während sie heute in aller Munde ist und deshalb evtl. davon ausgegangen werden könnte, dass Internetnutzer eigentlich wissen müssten, dass entsprechende Gefahren bestehen.
 
Gute Frage eigentlich. Andererseits sagt das BGH (zumindest laut Pressemitteilung) ausdrücklich, dass es um 0190 und 0900-Dialer geht. Und die gibts ja erst seit 2003. Das ausführliche Urteil liegt übrigens ohnehin noch nicht vor, nur der Tenor.
 
Das dürfte doch eigentlich bedeuten, daß alle "Altfälle", die vor dem 15. Aug.03 von dem Urteil profitieren.

Jetzt wird mir nämlich auch klar, warum ich nach dem gerichtlichen Mahnbescheid mit Widerspruch seit einem halben Jahr nichts mehr von Intrum justicia gehört habe.

Die wollten wohl dieses Urteil abwarten, weil sie ja in vorherigen Urteilen der AG´s abgeblitzt sind. Warten wirs ab.

Gruß Avor
 
Ausgezeichnet!

Das Urteil stärkt die seriösen Dialeranbieter wie Aconti, icom, EasyBilling, etc.

Mallorca und Dänemark hat jetzt ein Problem :lol: tja ... time to say goodby Cross****
 
Na, wenn das nicht zu optimistisch ist:

Das Urteil des 3. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 4. März, das gestern unter dem Aktenzeichen "III ZR 96/03" veröffentlicht wurde, dürfte eine der gefährlichsten und teuersten Plagen im weltweiten Datennetz faktisch komplett beseitigen.

Quelle: WAZ
 
Meine ich auch. Immerhin: Eine abgelehnte Verfassungsbeschwerde gegen das 0190-Gesetz, eine verbraucherfreundliche BGH-Entscheidung, ein Generalschlag gegen die HAS und elf belehnte Kinder-Abzocker binnen einer Woche ist fast schon zu viel des Glücks ;)
 
Eine der wichtigsten Aussagen des BGH liegt in dieser Passage:
Der Beklagten und ihrem Sohn falle kein Verstoß gegen ihre Sorgfaltsobliegenheiten
zur Last, so die Richter. Sie hatten keinen besonderen Anlass zu Schutzvorkehrungen,
da der Dialer nicht bemerkbar war. Auch eine routinemäßige Vorsorge gegen
Anwahlprogramme konnte nicht erwartet werden.

damit sollte die immer wieder von diversen unteren Instanzen vertretene Ansicht,
es sei Sache und Pflicht des Users sich zu schützen vom Tisch (was immer wieder zu Kopfschütteln
zu den Urteilsbegründungen )
geführt hat.

tf
 
Abwarten...

Freut Euch nicht zu früh. Auf den genauen Sachverhalt kommt es an, um zu sehen, welcher Art der Dialer war und vor allem, welche Hinweise er gegeben hatte. Gut dürfte wohl gewesen sein, daß der Schaden sehr hoch war. Denn der Jurist denkt dann: Geschädigter sagt, er habe den Hinweis nicht gesehen; Schädiger sagt, es sei aber doch ein (deutlicher) Kostenhinweis zu lesen gewesen und deshalb habe der "Geschädigte" die Kosten sehenden Auges verursacht; dagegen spricht (prima facie) die Überlegung, daß einen solche Kostenlawine im Zweifel (aber widerlegbar) niemand gewollt lostritt. Ich frage mich: Was wäre gewesen, wenn der Schaden nur 100 Euro betragen hätte? Mir scheint, im konkreten Fall kam vieles zusammen, was seinerzeit den Dialer richtig gemein machte, jetzt aber der Geschädigten zum Vorteil gereicht.

Wichtig aber in jedem Fall, und zwar sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich:

Keinesfalls den Dialer einfach löschen, sondern die Daten sichern. (wenn der Dialer überhaupt - noch oder überhaupt - auf der Festplatte ist)

Für die strafrechtliche Verfolgung sollte sich das von selbst verstehen, aber auch für die zivilrechtlichen Streitigkeiten kann man nie wissen, ob man den Dialer nicht doch noch braucht, um eigene Behauptungen zu stützen bzw. gegnerische zu widerlegen oder jedenfalls zu erschüttern. Die Dialer heute sind einfach raffinierter als die damaligen.

Fallbeil
 
Das Urteil ist schön aber mal einige Fragen in den Raum!

Damals gab es noch kein Gesetz welches Dialer regelte.
Damal war es Usern nicht aufzuerlegen sich davor zu Schützen.
Damal wurde Dialer durch Sicherheiitslücken noch automatisch installiert.
Die heutigen Dialer sind RegTP-Konform. Zumindest sagt dies die RegTP.
Wir beweist man das ein Dialer unbemerkt installiert wurde wenn sie Konform sind. Das ist einer der Schüssel bei dem Urteil.
Ein Gerichtsurteil ist nie auf alle Fälle anzuwenden. Wir sind ja nicht in Amerika.
 
gast schrieb:
Damals gab es noch kein Gesetz welches Dialer regelte.
Nicht direkt aber zur Anwendung kamen auch schon vor dem 15.08.03 das BGB, Fernabsatzgesetz, TDG u. a. Nicht zu vergessen, die alte Fassung des StGB in Sachen Computerbetrug (hier sinnlich): "...wer einem anderen was schlechtes auf den Rechner spielt, das sich bösartig entwickelt und für Schaden sorgt..., wird bestraft!"
gast schrieb:
Die heutigen Dialer sind RegTP-Konform.
Aber nicht alle! Insbesondere nicht diejenigen, die nicht registriert sind oder diejenigen, die den Mindestvoraussetzungen des TKG nicht entsprechen und denen hoffentlich bald die Registrierung wieder entzogen wird.
Hier nochmal der Passus aus der Dialerdatenbank der RegTP: "...der Eintrag in der Datenbank der RegTP stellt kein Gütesiegel dar..."- das heißt, kein Gütesiegel - der registrierte Dialer muss nicht zwingend gut sein! Dialer werden beim Registrieren nicht geprüft, es werden lediglich einfache Plausibilitätsmerkmale abgeklopft, die insbesondere später wieder leicht zu umgehen sind.
 
Gast schrieb:
Damals gab es noch kein Gesetz welches Dialer regelte.
Damal war es Usern nicht aufzuerlegen sich davor zu Schützen.
Damal wurde Dialer durch Sicherheiitslücken noch automatisch installiert.
Jajaja. Früher war alles besser...

Gast schrieb:
Die heutigen Dialer sind RegTP-Konform. Zumindest sagt dies die RegTP.
Zumindest behauptet der Gast, dass die RegTP das sagen würde. Dialer, die heute in der Datenbank zu finden sind, haben alle eins gemein: Ihre Hersteller haben an Eides statt versichert, dass sich die Dialer konform verhalten. Eine Prüfung durch die Regulierungsbehörde findet nicht statt. Daher gibt es keine entsprechende Aussage und die Gastbehauptung steht der Arbeit des BSI in Sachen Dialer & Nummernsperrung ziemlich konträr entgegen. Das BSI sollte daher neben der RegTP-Datenbank immer auch Anlaufstelle für die Geschädigten sein.
Gast schrieb:
Wir beweist man das ein Dialer unbemerkt installiert wurde wenn sie Konform sind.
Bei den heute üblichen Täuschungsversuchen sollte das nicht allzu schwer sein, diesen "Schlüssel" zu finden.
Gast schrieb:
Ein Gerichtsurteil ist nie auf alle Fälle anzuwenden. Wir sind ja nicht in Amerika.
Es lassen sich aber eine ganze Menge Fallgruppen unter dem Tenor dieses Urteils zusammenfassen. Und das finde ich richtig gut so!
 
:((

haudy @ all

welche Absichten haben denn zum Bsp. solche Leut, da muss man doch gleich Ermitteln und nicht warten bis irgendjemand kommt und meint "mein Kind hat.......",
das ist doch Betrug:

tr.....de (und ähnliches)

ps. ich will garnicht wissen, was die da kosten.
und bei meiner Schwester, habe ich keinen HashWert gefunden und den Rechner für Ermittlungen weg geben ? (nee wollten'se nicht)

URL unkenntlich gemacht , siehe NUB tf/moderator
 
Nachfrage

Godzilla schrieb:
und bei meiner Schwester, habe ich keinen HashWert gefunden und den Rechner für Ermittlungen weg geben ? (nee wollten'se nicht)

Nachfrage: WER wollte das nicht? Wollte die Polizei den Rechner nicht haben? Oder wollte die Schwester den Rechner nicht weggeben?
 
Zurück
Oben