Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

118xx

Mitglied
Zum Sachverhalt: Am 01.04.06 bucht irgendwer per Internet eine Flugreise unter Verwendung der Daten des Beklagten. Die Reise wird weder angetreten noch gezahlt, der Beklagte bestreitet die Eintragung vorgenommen zu haben.
Die Fluggesellschaft haut ca. 50,- Euro Bearbeitungskosten auf den Flugpreis und gibt die Sache an ein Inkassobüro die weitere ca. 60,- Euro Kosten aufschlagen. Der Beklagte ruft beim Inkassobüro an, der Inhalt dieses Gespräches ist umstritten.
Fluggesellschaft tritt Forderung ab an Inkassobüro, die klagen mit der Begründung: Wo sollen wir sonst die ganzen Daten aus dem Anmeldeformular herhaben wenn nicht vom Beklagten selbst, ausserdem habe er ja angerufen und zugegeben gebucht zu haben. Beweismittel: Aussage der Inkassomitarbeiterin


4 C 357/06
Verkündet am 23.05.2007

AMTSGERICHT Krefeld
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit
Klägerin,Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagten,Prozessbevollmächtigte:

hat das Amtsgericht Krefeld
auf die mündliche Verhandlung vom 02.05.2007
durch die Richterin am Amtsgericht xy
für RECHT erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen,
2. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand gem. § 313 a Abs. 1 ZPO

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin kann weder den ihr abgetretenen Anspruch auf Entgelt aus einem Beförderungsvertrag/ Werkvertrag noch die weiteren Schadensersatzkosten geltend machen. Es ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass am 01.04.06 ein Beförderungsvertrag zwischen der Zedentin, der Firma xy und dem Beklagten geschlossen wurde. Die Klägerin macht geltend, dass unter dem Namen und der zutreffenden Anschrift des Beklagten am 01.04.06 Flüge für den xy und xy Oktober 2006 für die Strecke xy / xy gebucht wurden. Auf das Bestreiten des Beklagten, dass er diese Buchung vorgenommen habe, hat die Klägerin den Beweis für einen Vertragsschluss mit dem Beklagten nicht geführt. Zeugen, die aus eigener unmittelbarer Anschauung bestätigen könnten, dass der Beklagte die Buchung getätigt hat, sind nicht vorhanden. Auch ein Urkundsbeweis ist der Klägerin nicht möglich. Die Vorlage des Reservierungsreports ist kein Beweismittel im Sinne der ZPO. Der Report ist weder eine öffentliche noch eine private Urkunde im Sinne des § 416 ZPO. Er ist nicht vom Aussteller unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet. Der Report kann vielmehr von jeder x-beliebigen dritten Person in der Form wie vorgelegt erzeugt worden sein.
Der Beweis für den Vertragsschluss ist auch nicht durch die Aussage der Zeugin xy erbracht worden. Die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung angegeben, sie habe am 13.06.06 mit dem Beklagten telefoniert, hierbei habe der Beklagte zu keinem Zeitpunkt angegeben oder eingeräumt, dass er die strittige Buchung selbst getätigt oder veranlasst habe. Die Zeugin hat auf der andren Seite deutlich gemacht, dass sie selbst auf Grund des Telefongesprächs durchaus den Eindruck gewonnen hat, dass der Beklagte die Buchung vorgenommen hat. Sie hat dies damit begründet, dass der Beklagte nach Erhalt der Mahnung offenkundig genau wusste, um welche Forderung es ging, dass er sodann im Gespräch äußerte, die Buchung habe sein minderjähriger Sohn getätigt, dass er auf ein laufendes Insolvenzverfahren verwies und dass er schließlich versucht habe, den geltend gemachten Betrag –wenigstens- zu mindern. Das Gericht hält die Angaben der Zeugin auch für glaubhaft und diese persönlich für glaubwürdig. Es ist in keiner Weise der Eindruck entstanden, dass die Zeugin die Unwahrheit sagen würde. Auf ihre Angaben kann aber gleichwohl nicht die ausreichende, an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gestützt werden, dass der Beklagte die Buchung getätigt hat und dies jedenfalls mittelbar in dem Telefongespräche bestätigt hat. Der Beklagte hat eine Verantwortlichkeit gerade nicht eingeräumt, er hat vielmehr mit allen möglichen Argumenten und „Ausreden“ versucht, die Forderung zu entkräften. Dass er hierbei unter anderem auch Einwendungen benutz hat, die den Verdacht auf eine eigene Verantwortlichkeit begründen, ist für die Erbringung des vollen Beweises, der der Klägerin obliegt, nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist immerhin, dass der Beklagte ausländischer Herkunft ist und zwar fließend, aber nicht perfekt deutsch spricht, und dass er möglicherweise in Verkennung rechtlicher Zusammenhänge alle Argumente anbrachte, die ihm halbwegs plausibel erschienen. Einen sicheren Belegt für seine Verantwortung kann das aber nicht darstellen.
Weitere Belege oder Angebote zum Beweis von Tatsachen, die mittelbar oder unmittelbar für eine Verantwortlichkeit des Beklagten sprechen, liegen nicht vor. Die Klägerin hat nicht substantiiert behauptet und unter Beweis gestellt, dass nur der Beklagte als Verursacher der Buchung in Betracht komme, weil die im Rahmen der Buchung angegeben Daten ihm sämtlich zuzuordnen seien und die Fülle der angegebenen persönlichen Daten dafür spreche, dass nur der „Datenträger“ selbst diese Angaben gemacht haben könne. Der Beklagte hat hinsichtlich der angegeben Kontobeziehung und der im dem Report angegeben Telefonverbindung mit Nichtwissen bestritten, dass er der Berechtigte aus diesen Verbindungen gewesen sei oder ihm diese Verbindungen zur Verfügung gestanden hätte. Er hat dies zulässig damit begründet, dass die Kontoverbindung sowie der Telefonvertrag inzwischen beendet seien und die Unterlagen von ihm vernichtet worden seien. Darauf hin hat die Beklagte Beweis dafür, dass es sicht tatsächlich um ein Konto und eine Handynummer des Beklagten gehandelt habe, nicht angetreten.
Die Beklagte (muss wohl heißen Klägerin) hat auch nicht durch Beleg weiterer Sicherheitsdaten den Nachweis dafür erbracht, dass der Beklagte die Buchung veranlasst hat. Der Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es der Klägerin durchaus möglich wäre, weitere Sicherungskomponenten in den Buchungsvorgang einzuführen, zu denken ist hier etwa an die Abfrage weiterer persönlicher Daten oder die Sicherung durch Durchführung einer Online-Anzahlung. Wenn die Zedentin dies aber nicht für erforderlich hält, so trägt sie, bzw. die Klägerin den Nachteil des nicht erbrachten Beweises.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
 
AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

Die Geschichte liest sich so, als ob es beinah schief gegangen wäre wegen des Gesprächs mit dem Inkassobüro.

Was lernen wir daraus liebe Kinder ?
Nie mit fremden Onkels und Tanten sprechen, schon gar nicht vom Inkassobüro, die drehen einem sonst das Wort im Munde um.

Der Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es der Klägerin durchaus möglich wäre, weitere Sicherungskomponenten in den Buchungsvorgang einzuführen, zu denken ist hier etwa an die Abfrage weiterer persönlicher Daten oder die Sicherung durch Durchführung einer Online-Anzahlung. Wenn die Zedentin dies aber nicht für erforderlich hält, so trägt sie, bzw. die Klägerin den Nachteil des nicht erbrachten Beweises.
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AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

Zeugen, die aus eigener unmittelbarer Anschauung bestätigen könnten, dass der Beklagte die Buchung getätigt hat, sind nicht vorhanden. Auch ein Urkundsbeweis ist der Klägerin nicht möglich. Die Vorlage des Reservierungsreports ist kein Beweismittel im Sinne der ZPO. Der Report ist weder eine öffentliche noch eine private Urkunde im Sinne des § 416 ZPO. Er ist nicht vom Aussteller unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet. Der Report kann vielmehr von jeder x-beliebigen dritten Person in der Form wie vorgelegt erzeugt worden sein.
Das passt auf alle bekannten Kostenfallen im Internet, die mit Inkassodrückereien Rechtsunkundige zur Zahlung pressen wollen.

Es gibt im klassischen Sinne keine Urkunde und keinen Beweis, welche Informationen am Bildschirm zu lesen waren, wie die Datenübertragung zum Zielserver ausgelöst wurde und mit welchem Inhalt ein Vertrag geschlossen sein könnte.

Wer flüchtige Daten über ein HTML-Formular einsammelt, bietet Vertragsschlüsse an, die er rechtssicher niemals beweisen kann.
 
AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

Aus dem Artikel:
Auch ließe die IP-Adresse nicht unbedingt den Schluss zu, dass auch der jeweilige Anschlussinhaber Filesharing betrieben hat, meint Kokott. Das könne sogar ohne sein Wissen geschehen, wenn er beispielsweise ein unzureichend gesichertes lokales Funknetz betreibt oder wenn sein Rechner von Dritten über das Internet übernommen wurde

Jedenfalls wird hier ansatzweise mal über die Funktionsweise des Internets nachgedacht und mit einbezogen. In der Form habe ich das das erste Mal gelesen.
 
AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

Es gibt auch Wege, IPs (und Zuordnung) zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu bekommen über eine (ich behaupte!) formale strafrechtliche Vorgehensweise. Ich hoffe, dass man davon demnächst öffentlich lesen können wird. Heis(s)es Thema...?
 
AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

Aus dem Artikel:
Auch ließe die IP-Adresse nicht unbedingt den Schluss zu, dass auch der jeweilige Anschlussinhaber Filesharing betrieben hat, meint Kokott. Das könne sogar ohne sein Wissen geschehen, wenn er beispielsweise ein unzureichend gesichertes lokales Funknetz betreibt oder wenn sein Rechner von Dritten über das Internet übernommen wurde.

An diesem heute noch in Frage gestellten Rechtszustand wird wegen "fortzuschreibender" Abrechnungswünsche der meisten IP-Dienstleister aus dem Telco-Bereich "gearbeitet. Vgl. dazu:
http://www.vatm.de/content/vortraege/galerie_21/galerie.html

Einig waren sich die Teilnehmer des Workshops (vom VATM) darüber, dass bei der Nutzung von Mehrwertdiensten in einer All IP-Welt für den Verbraucher wieder eine Nutzung ohne Registrierung und ohne Eingabe sensibler Daten wie etwa Kreditkartenangaben möglich sein muss. Die Abrechnung in Anspruch genommener Dienste sollte dabei über bereits existierende Rechnungsbeziehungen mit TK-Anbietern erfolgen.

Eine Lösung für die Nutzeridentifikation und Abrechenbarkeit von Mehrwertdiensten in NGN (= auf Grund der IP-Adresszuweisung des selbst ausgewählten Accessproviders und ggf. seiner AGB) könnte eine übergreifende Datenbank sein, die es erlaubt, die vom Verbraucher genutzten Dienste mit dem dabei von ihm verwendeten Anschluss zu verknüpfen. Dieser Vorschlag soll in den kommenden Wochen und Monaten hinsichtlich technischer Voraussetzungen und Umsetzbarkeit intensiv überprüft werden.

Anstelle auf personenbeziehbare Legitimationsgrundlagen zu setzen (z.B. über separate Bezahlkonten oder Kreditkarten), die nichts mit technischen Übertragungsidentifizierungen (Teilnehmerrufnummer etc.) zu tun haben, versuchen die Diensteanbieter, wie bei der Verfügung zum OFFLINE-Billing, wieder über die Bundesnetzagentur ihre Rechtsansichten gegen die Allgemeininteressen von TK-Nutzern durchzusetzen.
 
AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

Hallo,

der erste Versuch, IP-Billing einzuführen, war glücklicherweise im Sande verlaufen. Ich will schwer hoffen, dass auch der jetzige ebenso verläuft.

Das Missbrauchspotential ist um Längen höher als Dialer und als die momentane "social engineering"-Phase mit angeblich kostenlosen Diensten.

Mehrere Möglichkeiten zum Missbrauch liegen auf der Hand:
1. Trojaner
2. Offene interne Netze (Router, WLAN..., Firmenzugänge)
3. Verseuchte Rechner welche zu Bot-Netzen gehören. Das wäre m.E. die größte Gefahr.
4. Wie soll bei IP-Billing überhaupt ein Vertrag überprüfbar zustandekommen ?

Ich war vor vielen Jahren bei einem Elekrizitätsversorger in der Zählerabteilung tätig. Jeder Zähler dort wird regelmäßig geeicht, zudem wird er im Haus plombiert. Wie soll sowas bei IP-Billing funktionieren? Auf dem Wochenmarkt muss jede Waage geeicht sein, aber zur Abrechnung von Dienstleistungen über Telefon gibt es schon jetzt keine eichfähige Schnittstelle mehr. Jeder Zigarettenautomat und sogar Glückspielgerät wird amtlich überprüft. Ein Hersteller von Glücksspielgeräten ist wegen Softwaremanipulation sogar schonmal bestraft worden. Mich würden mal Urteile in dem Zusammenhang interessieren. Ich persönlich werde, wenn ich selbst mal Opfer werden sollte, diese Sache mal bis zu Ende durchboxen. Vertragsabschlüsse müssen m.E. transparent bleiben.

Wenn man sich zum IP-Billing explizit abmelden müsste, fänd ich persönlich das als Skandal, so ähnlich, wie dass schon bei Rückruftricks ist.

Wenn ich dort schon lese "Mehrwertdiensteanbieter" *würg* .
Wenn das IP-Billing tatsächlich kommen sollte, ist das der Todesstoss für Internet in Deutschland. Ach ja, dann werden Proxyserver im Ausland interessant...

Die Truppe in dem Workshop strotzte sicher vor Seriösität. Wenn später die ersten Beschwerden wegen unberechtiger Forderungen kommen, verstecken sie sich alle wieder hinter den gleichen Worthülsen: "Ja, da müssen Sie sich direkt mit dem Anbieter xyz Ltd. auf den niederländischen Antillen auseinandersetzen, Ihr Geld ziehen wir trotzdem ein..."

Scheint ein typisch deutsches Problem zu sein, funktionierende Infrastrukturen entweder direkt zu zerstören oder durch "innovative Dienste" .


<träum>
Ich wünsche mir eine Welt, in der "Mehrwertbetrugsanbieter" sich in Luft auflösen
</träum>


Viele Grüße,
Jens

... heute irgendwie in Kotzbrockenlaune ...
 
AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

@webwatcher:
Danke für den Hinweis, war schon leicht off-topic

Wobei die Sache IP-Billing ohne Frage in Verbindung mit der Zuordnung IP zum Nutzer zu sehen ist.

Nach der jetzigen Rechtslage kann nur die Staatsanwaltschaft den Nutzer hinter einer IP ermitteln. Durch das IP-Billing wäre dieser Schritt unnötig, da die Provider die Daten bereits haben und bereitwillig das Inkasso für die "Mehrwertbetrugsanbieter" übernehmen. Es würde auch nichts dagegen sprechen, wenn z.B. Rechteanbieter sich mit der "virtuellen Einzugszentrale" verbrüdern und online jeden Filesharer abrechnen *grusel* .

IP-Billing als Mittel zum Zweck vielleicht ?!

Rechtlich m.E. alles noch etwas wackelig.

Viele Grüße,
Jens
 
AW: Beim Internetdienst eingetragene Daten beweisen i.d.R. nichts

Es ist immer wieder der selbe Unsinn bei allen Mehrwertabrechnungssystemen. Weshalb soll der Anbieter von "Mehrwertleistungen" ein schutzwürdiges Vertrauen darauf haben das derjenige der bei ihm anruft/mit meinem Computer rumsurft mehr darf als ausschliesslich zu surfen/telefonieren. Wenn meine Tochter telefonisch zehn Bücher von Harry P. bestellt werde ich doch nicht Vertragspartner nur weil es mein Telefon war. Beim IP-Billing ists m.E. nicht anders.
 
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