Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

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KatzenHai

Scyliorhinus stellaris
Liebe Forengemeinde,

ich bin gerne Rechtsanwalt und mag meinen Beruf. Als unabhängiges Organ der Rechtspflege habe ich nach ausführlicher Ausbildung u.a. in Staats(bürger)kunde sogar einen Berufseid auf unser Grundgesetz geleistet. Übrigens überzeugt.

Ich lasse mir nicht vorwerfen, dass das Rechtsberatungsgesetz ein Nazigesetz sei. Es stimmt, es wurde 1935 von den Nazis erlassen, um jüdischen Anwälten zu schaden (mindestens).

Aber es wurde 1949 nicht abgeschafft oder außer Kraft gesetzt - im Gegenteil: Bis heute wird es von der Justiz (3. Gewalt) ebenso wie von der Exekutive (2. Gewalt) wie sogar von der Gesetzgebung (1. Gewalt) in unserem demokratischen Staat angewandt, gepflegt, diskutiert, überarbeitet und (vermutlich) demnächst ersetzt.

Denn es dient heute der Qualitätssicherung der Rechtsberatung und -besorgung in Deutschland.

Gerne diskutieren wir darüber, ob solches zeitgemäß und sinnvoll ist. Auch (nicht ganz so gerne) sogar, ob es nicht eher eine Parlamentsalimentierung der Juristen darstellt, unter dem Deckmäntelchen der Qualitätssicherung.

Aber ich diskutiere nicht mehr darüber, wer es wann und warum erlassen hat.


Wer meiner Meinung ist, darf übrigens gerne auf diesen Artikel verlinken. Der Link hierzu lautet: http://forum.computerbetrug.de/showthread.php?t=45611.

Danke für die Aufmerksamkeit.
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

Denn es dient heute der Qualitätssicherung der Rechtsberatung und -besorgung in Deutschland.
Das Gesetz regelt den Zugang zu den rechtsberatenden Berufen, in dem es ihn an bestimmte Vorbildungsvoraussetzungen bindet.

Damit alleine kann man aber die Qualität der Rechtsberatung nicht sichern.

Qualitätssicherung bei Dienstleistungen im Allgemeinen bedeutet regelmäßige Weiterbildung der Berater, Sicherstellung der Prozessqualität und Sicherstellung der Qualität der Beratungsergebnisse auf einen vorher definierten Niveau.
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

Denn es dient heute der Qualitätssicherung der Rechtsberatung und -besorgung in Deutschland.
Angenommen: Ein Ernährungsberater gibt in einem Gesundheitsforum einem User den Rat, mit seinem Magengeschwür nicht weiter zum Arzt zu gehen, sondern das mit Kamillentee und Traubenzucker zu behandeln.
Ist der nun wegen unzulässiger Gesundheitsberatung dran und kann man ihn für die Folgen seiner "Beratung" (z.B. Magendurchbruch) belangen?

Gruß A. John
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

Na ja, aber
www.bundestag.de dort Dokumentensuche schrieb:
Parlamentarische Vorgänge
---
Suchergebnis (Fundstellennachweise):
Treffer Nr. 1 von 1
Ende der Textausgabe erreicht
Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts
Vorgangstyp: Gesetzgebung
Inhalt:
Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts; Rechtsberatung:

Ablösung des Rechtsberatungsgesetzes durch ein Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), Beschränkung des RDG auf außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, Neuregelung der gerichtlichen Vertretung, Erleichterung der Zusammenarbeit von Anwälten mit anderen Berufen, Regelung von Übergangsvorschriften durch ein Einführungsgesetz, Erweiterung der Möglichkeiten zur Erbringung von außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen durch Nichtanwälte, Vereinfachung der Kooperation zwischen Nichtanwälten und Anwälten, Freiheit zur Erbringung einer unentgeltlichen Rechtsdienstleistung durch Personen, Vereine oder Verbände, Sachkundenachweis für Inkassodienstleistungen, Rentenberatung und ausländisches Recht, Einführung eines Rechtsdienstleistungsregisters, Angleichung der Verfahrensordnungen betr. gerichtliche Vertretung im Zivil- und im öffentlichen Recht, geringfügige Liberalisierung der Vertretungsmöglichkeiten in Verfahren ohne Anwaltszwang auf Familienangehörige, Streitgenossen und Volljuristen als Vertreter, Übernahme von bestehenden Regelungen zur Rechtsvertretung durch Gewerkschaften, Verbände etc.; Einführung eines Rechtsdienstleistungsgesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDGEG), Ergänzung §§ 27 und 93 Bundesnotarordnung, Ergänzung, Änderung oder Aufhebung versch. §§ Bundesrechtsanwaltsordnung, Änderung § 3 Beurkundungsgesetz, § 53a StPO, Ergänzung, Änderung oder Aufhebung versch. §§ Patentanwaltsordnung, Zivilprozessordnung, §§ 174 und 305 Insolvenzordnung, § 13 Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, versch. §§ Arbeitsgerichtsgesetz, versch. §§ Sozialgerichtsgesetz, versch. §§ Verwaltungsgerichtsordnung, versch. §§ Finanzgerichtsordnung, §§ 97 und 102 Patentgesetz, §§ 81 und 85 Markengesetz, §§ 139 und 203 Strafgesetzbuch, versch. §§ Gerichtskostengesetz, Kostenordnung, Anlage zur Justizverwaltungskostenordnung, §§ 4 und 4a Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz, versch. §§ Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, § 95 Bundesvertriebenengesetz, § 183 Bundesentschädigungsgesetz, § 25 Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, § 1a Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das arbeitsgerichtliche Mahnverfahren, § 2 Unterlassungsklagengesetz, § 6 Urheberschiedsstellenverordnung, § 140 Flurbereinigungsgesetz sowie von § 23 Treuhandgesetz

Ablauf des Vorgangs (BT = Bundestag; BR = Bundesrat):
BR - Gesetzentwurf Bundesregierung 01.09.2006 Drucksache Drs 623/06
Zuweisung: Rechtsausschuss (federführend), Finanzausschuss, Innenausschuss
BR - Empfehlungen Rechtsausschuss (federführend); Finanzausschuss; Innenausschuss 02.10.2006 Drucksache Drs 623/1/06
Änderungsvorschläge - Rechtsausschuss, Innenausschuss: zus. Stellungnahme
BR - Antrag Bayern 11.10.2006 Drucksache Drs 623/2/06
Stellungnahme
1. Durchgang
BR - Plenarprotokoll 826 13.10.2006 S. 316C-D, 326B-327A/Anl
protokollierte Rede:
Brigitte Zypries, Bundesminister Bundesministerium der Justiz S.326 B-327A/Anl
Beschluss: S. 316D - Stellungnahme: u.a. Änderungsvorschläge - gemäß Art. 76 Abs. 2 GG
BR - Stellungnahme Bundesrat 13.10.2006 Drucksache Drs 623/06 (Beschluss)
BT - Gesetzentwurf Bundesregierung 30.11.2006 Drucksache 16/3655
Anlage: Stellungnahme Bundesrat und Gegenäußerung Bundesregierung
Noch ist es nicht Gesetz.
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

Und wenn es - in jetziger Fassung - Gesetz wird, fällt der Angriffspunkt "Nazigesetz" endgültig weg - der Rest allerdings bleibt mehrheitlich bestehen ...

1. Das RDG führt keine umfassende Rechtsdienstleistungsbefugnis unterhalb der Rechtsanwaltschaft ein.

Eben drum mein Posting.

Denjenigen, die meinen, nach Außerkrafttreten des RBerG könne in Foren (u.a. hier) frei und hemmungslos rechtsberaten werden, folgendes:

Das RDG ersetzt diese konturenlose Begriffsvielfalt durch den einheitlichen, in § 2 Abs. 1 RDG definierten Begriff der Rechtsdienstleistung:

Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind nur noch die Fälle echter Rechtsanwendung allein dem Anwalt vorbehalten. Tätigkeiten, die sich im Auffinden, der Lektüre, der Wiedergabe und der bloßen schematischen Anwendung von Rechtsnormen erschöpft, sind dagegen keine Rechtsdienstleistungen. Dies betrifft etwa

* die allgemeine Aufklärung über rechtliche Hintergründe
Beispiel: Ein Mieterverein klärt durch ein Rundschreiben alle Mieter einer Wohnanlage über die nach dem BGB bestehenden Minderungsrechte bei Modernisierungsmaßnahmen auf.
* die Geltendmachung einfacher Ansprüche
Beispiel: Eine Kfz-Werkstatt rechnet mit der gegnerischen Versicherung nicht nur die Reparaturkosten ab, sondern macht für den Geschädigten gleichzeitig auch die Schadenpauschale geltend.
* die Mitwirkung bei einem Vertragsschluss oder einer Vertragskündigung
Beispiel: Ein Energieberater kündigt für seinen Kunden bestehende Energieversorgungsverträge und schließt neue ab.

Andererseits liegt eine Rechtsdienstleistung nicht erst dann vor, wenn eine umfassende oder besonders tiefgehende juristische Prüfung erforderlich wird. Bereits die juristische Prüfung einfacher Sachverhalte eröffnet den Anwendungsbereich des RDG. In diesen Fällen kann die Rechtsprüfung aber durch Nichtanwälte erfolgen, wenn es sich um eine nach § 5 RDG zulässige Nebenleistung handelt.
Bedeutet: Die drei o.a. Bereiche sind frei gestellt. Wird's konkreter, ist RDG anwendbar. Und die damit beinhaltete Restriktion anzuwenden.

Exorbitant anders ist's heute nicht.
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

Bedeutet: Die drei o.a. Bereiche sind frei gestellt. Wird's konkreter, ist RDG anwendbar. Und die damit beinhaltete Restriktion anzuwenden.
Exorbitant anders ist's heute nicht.
Sprich, der Abmahnwut darauf spezialisierter Anwälte ist nach wie vor Tür und Tor geöffnet,
denn was im konkreten Fall in welche Kategorie fällt, wird mit Sicherheit auch erstmal
(zu exorbitanten Kosten) "ausgetestet" werden.
Auf dem Sektor Abmahnungen hat Deutschland bekanntlich eine weltweit "führende" Rolle.
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

So ist es.

Und das finde ich selbst nicht gut. Nur um das noch einmal zu bekräftigen.
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

ich bin gerne Rechtsanwalt und mag meinen Beruf.
Es ist natürlich erfreulich, wenn jemand seine Berufswahl nicht bereut.

Als unabhängiges Organ der Rechtspflege habe ich nach ausführlicher Ausbildung u.a. in Staats(bürger)kunde sogar einen Berufseid auf unser Grundgesetz geleistet. Übrigens überzeugt.
Und was sagt uns das bzw. denen, die das nicht gemacht haben? Ist ggf. die Überzeugung höher zu werten als bei denen, die anderen Berufen nachgehen? Ich persönlich halte die Verfassung der Bundesrepublik von 1949 für das beste Konzept, das Deutschland je hatte. Der heutigen Verfassung, noch mehr dem, was man auf der Grundlage der Ideen des Grundgesetzes aus diesem Staat gemacht hat, stehe ich nicht mehr so positiv wie früher gegenüber. Damit bin ich sicher nicht allein; im Gegenteil.

Ich lasse mir nicht vorwerfen, dass das Rechtsberatungsgesetz ein Nazigesetz sei.
Dieser Satz geht am Kern der Problematik vorbei. Die Feststellung historischer Tatsachen ist nämlich gar kein Vorwurf an einen einzelnen Anwalt. Allenfalls den Juristen als Ganzes und ihren führenden Vertretern konnte man in den ersten Jahrzehnten der Republik den Vorwurf nicht ersparen, dass sie sich einer Auseindersetzung mit der Geschichte des Berufsstandes verweigerten. Dazu gehört auch die Verdrängung des Kontextes des Rechtsberatungsgesetzes. Hintergründe diese Gesetzes lassen sich unschwer den Seiten des Forschungsprojekts Rechtsberatungsgesetz des Instituts für Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin entnehmen: http://www.rechtsberatungsgesetz.info/gesetzgebung/entstehung.html Es ist m. E. erfreulich, dass es Juristen gibt, die sich dieser Diskussion stellen. Selbstverständlich ist aber niemand aufgefordert, sich eine solche aufzwingen zu lassen. Du prellst hier aber selbst mit dem Thema vor, - warum eigentlich? -, weswegen man Dir wegen

Aber ich diskutiere nicht mehr darüber, wer es wann und warum erlassen hat.
m. E. den Vorwurf machen kann, dass Du Dich ohne Not als Bewahrer eines Anwaltbildes erweist, das m. E. auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Juristen gehörten im sogn. Dritten Reich zu den furchtbarsten Handlangern des Systems. Auch heute flankieren Juristen eine Entwicklung, die teilweise fatale Ähnlichkeiten mit dem Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts aufweist. Meine Hoffnung, dass deutsche Juristen nie wieder einen autoritären Staat stützen würden, ist in den letzten Jahren u. a. deswegen kontinuierlich gesunken. Dabei hilft es übrigens kein Stück, dass die meisten von ihnen vermutlich "aus Überzeugung" auf die Verfassung einen Eid geschworen haben, wenn sie zugleich an deren Demontage mitwirken.

M. Boettcher
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

Du hast mich nicht verstanden.

Ich wollte (und will) nur feststellen, dass ich mich als Anwalt nicht deshalb angreifen lasse, weil das RBerG
a) mich vermeintlich schützt,
b) ein Nazigesetz ist,
und die Verknüpfung zum Totschlagsargument wird: "Anwälte, die sich von einem Nazigesetz schützen lassen, sind moralisch das Letzte."

Dieser Argumentation (und nur ihr) wollte ich entgegen treten. Weil ich sie nicht mehr hören kann und will.

Ich denke nicht, dass ich mich deshalb zum Handlanger der Gesetzeserlasser oder -befürworter mache. Was ich nämlich auch tatsächlich nicht möchte.
 
AW: Persönliche Meinung eines RA zum RBerG

Du hast mich nicht verstanden.

Ich wollte (und will) nur feststellen, dass ich mich als Anwalt nicht deshalb angreifen lasse, weil das RBerG
a) mich vermeintlich schützt,
b) ein Nazigesetz ist,
und die Verknüpfung zum Totschlagsargument wird: "Anwälte, die sich von einem Nazigesetz schützen lassen, sind moralisch das Letzte."

Dieser Argumentation (und nur ihr) wollte ich entgegen treten. Weil ich sie nicht mehr hören kann und will.

Ich denke nicht, dass ich mich deshalb zum Handlanger der Gesetzeserlasser oder -befürworter mache. Was ich nämlich auch tatsächlich nicht möchte.


So gesehen stimme ich Dir ausdrücklich zu. Ich habe Dich in der Tat missverstanden. Mein Fehler!

M. Boettcher
 
Richtig gute Anwälte, von denen es in Deutschland trotz aufwändiger Staatsexamen leider viel zu wenige gibt, brauchen kein RBerG. Ethiklose Zeitgenossen unter den Anwälten gleichen mit diesem geschichtlich belasteten Anwaltsschutzgesetz fehlende Mandate aus, um Umsätze zu generieren. Welches Gesetz schützt ambitionierte Dienstleister vor geldgeilen Abmahnern und Streitwertpushern? Ob diese Anwälte wohl immer noch so engagiert wären, wenn sie nicht mehr streitwertabhängig profitieren würden?
 
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