Handyabo: Klagerücknahme beim AG Krefeld 5 C 244/10

118xx

Mitglied
Der Angelegenheit liegt folgender Sachverhalt zugrunde.

Die Beklagte musste feststellen, dass sich auf ihren Handyrechnungen stets eine Position „Leistungen Dritter“ bzw. „Leistungen von xy Ltd.“ befand. Hier wurden offensichtlich im Rahmen eines Abos regelmäßige Abbuchungen über den Netzbetreiber der Beklagten vorgenommen. Die Beklagte -die kein Abo abgeschlossen hatte- rügte dies gegenüber dem Netzbetreiber und kürzte die Rechnungen um die Beträge der Dienstanbieterin xy Ltd. Die Netzbetreiberin forderte sodann die Beträge der Drittanbieter weiterhin, verwies jedoch hinsichtlich eventueller Einwendungen und Fragen jeweils an die Dienstanbieterin. Eine Abtretungsurkunde wurde von der Netzbetreiberin ebenso wenig vorgelegt wie ein Nachweis darüber, wie die angebliche Forderung überhaupt entstanden sein soll. Durch die Dienstanbieterin wurde mitgeteilt, dass angeblich ein Handyabo im Internet (wohl im Zusammenhang mit einem IQ-Test) gebucht worden sei. Nachdem die Beklagte weiter Zahlungen verweigerte kündigte die Netzbetreiberin den laufenden Mobilfunkvertrag und machte Schadensersatz statt der Leistung für die restliche Vertragslaufzeit geltend . Aus der ursprünglichen Forderung von knapp 60,- Euro wurden so über 300,- vermeintliche Forderung. Da auch diese Beträge von der Beklagte nicht gezahlt wurden, wurde die Forderung zunächst über ein Inkassobüro eingefordert und sodann an das Inkassobüro abgetreten. Dieses klagte die einbehaltenen Entgelte sowie die vermeintliche Schadensersatzforderung ein.
Dabei berief sich die Klägerin auf den Anscheinsbeweis der Richtigkeit einer Telefonabrechnung. Die Beklagte verteidigte sich (außer mit einem Widerruf nach Fernabsatzregeln) mit dem nachfolgenden Schriftsatz, die Klage wurde nunmehr zurückgenommen.

Leider kann dadurch die spannende Frage, ob und wie (über das Internet gebuchte) Handyabos wirksam zustande kommen und inwieweit diese über die Telefonrechnung abgerechnet werden können, nicht geklärt werden.

AG Krefeld 5 C 244/10

Wir werden beantragen, die Klage wird abgewiesen.
Des weiteren beantragen wir, nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Begründung:
Die Klage der Gegenseite ist völlig ohne Substanz. Auch die Besonderheiten des Telekommunikationsrechts entbinden die Klägerin nicht davon im Einzelnen vorzutragen, für welche Leistungen eine Vergütung verlangt wird und wie diese Vergütung Vertragsinhalt geworden sein soll. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, wo gar keine Telekommunikationsleistungen strittig sind. Der klägerische Vortrag bezüglich der angeblichen Leistungen erschöpft sich in folgendem Satz: „In der Folgezeit erteilte die Zedentin über ihre Leistungen folgende Rechnungen“.Im weiteren Text teilt die Klägerin dann allerdings zutreffend mit, dass strittig aus diesen Rechnungen alleine die Position „Leistungen Dritter“ sind, die in der Rechnung jeweils noch mit dem weiteren Zusatz „Leistungen von xy Ltd.“ versehen sind. Um welche einzelnen Leistungen es sich handeln soll und weshalb diese vergütungspflichtig sind, wird nicht mitgeteilt. Vielmehr wird im Folgenden dann auf den angeblichen Anscheinsbeweis der Richtigkeit von Telefonrechnungen verwiesen (Blatt 5 der Klageschrift).
Diese Vorgehensweise entspricht einer neuen Tendenz/ Geschäftsmodell im Telekommunikationsbereich.Nachdem der Gesetzgeber im § 45 i TKG eine Rügefrist (mit der Folge der Beweislastumkehr bei Versäumen der Frist) aufgenommen hat und darüber hinaus in bestimmten Konstellationen tatsächlich ein Anscheinsbeweis - zwar nicht pauschal für die Richtigkeit von Telefonrechnungen jedoch für die Richtigkeit der durch automatisierte Gebührenerfassungsanlagen erfassten Daten besteht - werden immer mehr telekommunikationsfremde Leistungen einfach in die Telefonrechnung aufgenommen. Technisch wird dies so realisiert, dass den jeweiligen Dienstbetreibern Zugriff auf die Abrechnungssysteme gewährt wird und diese dann, ohne dass ein Telekommunikationsvorgang statt gefunden hat, Belastungen einbuchen können.Im vorliegenden Fall soll es sich um ein Abo handeln, welches im Internet abgeschlossen wurde (ohne dass, wie vorgetragen, ein Telekommunikationsvorgang stattgefunden hat) und nur über die Telefonrechnung abgerechnet wird. Für derartige Abrechnungsmodelle besteht natürlich kein wie auch immer geartet Anscheinsbeweis der Richtigkeit der Telefonrechnung, da die Abrechnung nicht auf automatisierten Erfassungsanlagen sondern auf „Zuruf“ der Dienstanbieter erfolgt. Die vermeintlichen Forderungen der Dienstanbieter werden dann im Rahmen von sogenannten Premium-Large-Account-Verträgen an die Zedentin zu einem bestimmten Prozentsatz des Nennbetrages verkauft. Die Zedentin zieht diese Forderungen dann wie eine eigene Forderung ein, sperrt bei Nichtzahlung die SIM-Karte, kündigt den Vertrag und beauftragt Inkassofirmen.
Wir regen an der Klägerin gemäß § 421 ZPO aufzugeben, die Verträge zwischen Zedentin und Dienstanbietern vorzulegen.
Des weiteren wird bestritten, dass vorliegend überhaupt eine Abtretung der angeblichen Forderung der xy Ltd. erfolgte, die Klägerin mag gemäß § 410 BGB die Abtretungsurkunde im Original vorlegen.
Weiterer Vortrag bleibt vorbehalten, wenn die Klägerin ihren Vortrag substantiiert hat. Da der Sachverhalt aber schon außergerichtlich umfangreich erörtert worden ist, hätte die Klägerin bereits in der Klageschrift darauf eingehen müssen, wie die angeblichen Leistungen der xy Ltd ( worin auch diese immer bestanden haben mögen) Vertragsinhalt geworden sind.

Bezüglich der geltend gemachten Inkassokosten gilt folgendes. Nachdem durch die Beklagte mehrfach beispielsweise mit Schreiben vom ... sowie ... Einwendungen erhoben wurden, war für die Klägerin ohne weiteres ersichtlich, dass die Forderung nicht bestand. Zudem hat die Zedentin trotz ausdrücklicher Anforderung im Schreiben vom ... eine Abtretungsurkunde nicht vorlegt.

Soweit im außergerichtlichen Schriftwechsel an mehreren Stellen von Premium-SMS die Rede ist, beruht dies auf einem Missverständnis. Welche Leistungen hier angeblich erbracht wurden, ist gerade nicht klar. Es wurden aber jedenfalls keine Premium-SMS versandt, weshalb auch die Gegenseite bis heute keinen Einzelverbindungsnachweis vorlegen konnte,

Letztlich beantragen wir noch, wegen der besonderen Bedeutung der Angelegenheit die Berufung zuzulassen. Die Frage, ob und wie Telekommunikationsanbieter auch telekommunikationsfremde Forderungen für Leistungen von Drittanbietern geltend machen kann und darf, ist bisher gerichtlich nicht endgültig entschieden. Das Unterschieben von ungewollten Abos hat sich zudem zu einem Geschäftszweig mit hunderttausenden von Opfern im Jahr entwickelt. Schon aus diesem Grunde ist die Berufung zuzulassen. Letztlich weisen wir noch darauf hin, dass die Firma xy Ltd. (wohl unstrittig) Teil der Firmengruppe um die Firma xxx ist. Diese ist wiederum weltweit im Zusammenhang mit betrügerischen IQ-Tests (insbesondere über die Plattform Facebook) aufgefallen. In England und der USA wurden z. B. Strafen in Millionenhöhe gegen xxxx und die Helfer bei den Mobilfunkunternehmen verhängt. In Deutschland beruft man sich dagegen auf einen angeblichen Anscheinsbeweis der Richtigkeit der Abrechnung, um die Forderungen von derartigen Firmen durchzusetzen.“
 
AW: Handyabo: Klagerücknahme beim AG Krefeld 5 C 244/10

Leider kann dadurch die spannende Frage, ob und wie (über das Internet gebuchte) Handyabos wirksam zustande kommen und inwieweit diese über die Telefonrechnung abgerechnet werden können, nicht geklärt werden.

Leider, leider...
Aber so kennen wir doch die Baggage. Bevor man sich eine Klatsche fängt, den Schwanz einziehen.

Da man noch nichts über diese Verhandlung im Web findet, wäre es doch sicherlich gut, den Namen des Anwalts der Beklagten zu erfahren. Er scheint kompetent zu sein und könnte weiteren Geschädigten sicherlich helfen, aus den Fängen der [Eigenzensur] zu entkommen.
 
AW: Handyabo: Klagerücknahme beim AG Krefeld 5 C 244/10

Aus der Denkweise des "Verbindungsnetzbetreibers" ist durchaus logisch, dass sie vor einer gerichtlichen Klärung der Frage letztendlich zurückgeschreckt haben. Die wollen auf keinen Fall in einem Urteil stehen haben, dass bei dem illustren Geschäftsmodell keine Zahlungspflicht besteht. Dann wäre das Geschäftsmodell schwer beeinträchtigt.

Trotzdem zeigt das Urteil, dass die Verbindungsnetzbetreiber kneifen, wenn es ernst wird.

Evtl. hätte man hier sogar auch noch das BGH-Urteil vom 28. Juli 2005 - III ZR 3/05 bringen können. Nach diesem Urteil ist der zwischengeschaltete Verbindungsnetzbetreiber (solange er die Forderung nicht abgetreten bekommen hat, und das konnte er ja auch in diesem Fall nicht glaubhaft machen...) nicht Vertragspartner des TK-Endkunden, und hat daher kein Anrecht auf Inkassierung der "Mehr"wert-Entgelte für die fremde Leistung (welche das auch immer sein soll). Wenn man so will, könnte man also schon die Aktivlegitimation des klagenden Verbindungsnetzbetreibers bestreiten, solange der keine gültige Abtretungserklärung vorlegt. Und der weiß selbst auch ganz genau, warum er gerade das besser nicht macht.
 
Zurück
Oben