Bekanntlich wurde den Betreibern von Computerbetrug.de eine Klage angedroht:
Das Bundesverfassungsgericht hatte nun zu entscheiden, ob eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz aufgrund einer "geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung" zu Recht erfolgt war.
"Beschluß vom 29. Juli 2004
Was geschäftsmäßige Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ist, bedarf angesichts der generalklauselartigen Umschreibung der Abklärung im Einzelfall, die einerseits die durch das Gesetz geschützten Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtigt und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trägt. Alle diese Gesichtspunkte sind bei der Gesetzesauslegung und der Rechtsanwendung zum Ausgleich zu bringen (vgl.BVerfGE 97, 12 <28> , zu Art. 12 GG). Dabei haben die Gerichte bei der Auslegung auch zu berücksichtigen, dass dieses Gesetz – wie andere Gesetze auch – einem Alterungsprozess unterworfen ist. Das Rechtsberatungsgesetz steht in einem Umfeld sozialer Verhältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauungen, mit deren Wandel sich auch der Norminhalt ändern kann. Die Gerichte haben vor diesem Hintergrund zu prüfen, ob das Gesetz für alle Fälle, auf die seine Regelung abzielt, eine gerechte Lösung bereithält. Sie sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter den veränderten Umständen "Recht" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG ist (vgl.BVerfGE 82, 6 <12> ). Dabei haben sie unter Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden – zu denen auch die teleologische Reduktion gehört (vgl.BVerfGE 35, 263 <279>; 88, 145 <166 f.> ) - zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung zwischenzeitlich lückenhaft geworden ist. Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter dabei nicht Halt zu machen. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zur wörtlichen Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Sind mehrere Deutungen einer Norm möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl.BVerfGE 8, 210 <220 f.>).
(...)
Die Gerichte haben in diesem Zusammenhang im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG auch nicht geprüft, ob in der Zwischenzeit eine Veränderung der Lebenswirklichkeit eingetreten ist, die das Rechtsberatungsgesetz ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig hat werden lassen (vgl.BVerfGE 97, 12 <28> ). Nicht in Erwägung gezogen wurde, ob der Wortlaut des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG im konkreten Fall nicht über den Sinn und Zweck des Gesetzes hinausgeht, so dass von Verfassungs wegen eine einschränkende Auslegung geboten ist.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/rk20040729_1bvr073700
Die Anwendung dieser Grundsätze dürfte es daher als wenig wahrscheinlich erscheinen lassen, daß ein Gericht es als mit dem Sinn und Zweck des Rechtsberatungsgesetzes ( - Das Rechtsberatungsgesetz dient dem Schutz des Rechtsuchenden sowie der geordneten Rechtspflege - ) für vereinbar ansehen könnte, das wiederholte Posten von Beiträgen in öffentlichen Internetforen wie unter forum.computerbetrug.de, in denen auf konkrete Rechtsfragen Dritter eingegangen wird, als eine einer behördlichen Erlaubnis bedürftige, geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erachten könnte.
gal.
http://forum.computerbetrug.de/viewtopic.php?t=5673Heiko schrieb:28.5.2004
Der Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Dialer-Firma Global Netcom, Bernhard Syndikus (...) geht derzeit per Abmahnung gegen das Forum der Internetportale Computerbetrug.de und Dialerschutz.de vor. Er behauptet, dass in dem beliebten Diskussionsforum „permanent Verstöße gegen das Rechtsberatungsgesetz“ stattfänden und fordert deshalb eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. "
Der Gesetzgeber schrieb:§ 1 Absatz 1 RBerG:
Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, darf geschäftsmäßig - ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit - nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist.
Das Bundesverfassungsgericht hatte nun zu entscheiden, ob eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz aufgrund einer "geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung" zu Recht erfolgt war.
"Beschluß vom 29. Juli 2004
Was geschäftsmäßige Rechtsberatung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ist, bedarf angesichts der generalklauselartigen Umschreibung der Abklärung im Einzelfall, die einerseits die durch das Gesetz geschützten Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtigt und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trägt. Alle diese Gesichtspunkte sind bei der Gesetzesauslegung und der Rechtsanwendung zum Ausgleich zu bringen (vgl.BVerfGE 97, 12 <28> , zu Art. 12 GG). Dabei haben die Gerichte bei der Auslegung auch zu berücksichtigen, dass dieses Gesetz – wie andere Gesetze auch – einem Alterungsprozess unterworfen ist. Das Rechtsberatungsgesetz steht in einem Umfeld sozialer Verhältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauungen, mit deren Wandel sich auch der Norminhalt ändern kann. Die Gerichte haben vor diesem Hintergrund zu prüfen, ob das Gesetz für alle Fälle, auf die seine Regelung abzielt, eine gerechte Lösung bereithält. Sie sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter den veränderten Umständen "Recht" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG ist (vgl.BVerfGE 82, 6 <12> ). Dabei haben sie unter Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden – zu denen auch die teleologische Reduktion gehört (vgl.BVerfGE 35, 263 <279>; 88, 145 <166 f.> ) - zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung zwischenzeitlich lückenhaft geworden ist. Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter dabei nicht Halt zu machen. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zur wörtlichen Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Sind mehrere Deutungen einer Norm möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl.BVerfGE 8, 210 <220 f.>).
(...)
Die Gerichte haben in diesem Zusammenhang im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG auch nicht geprüft, ob in der Zwischenzeit eine Veränderung der Lebenswirklichkeit eingetreten ist, die das Rechtsberatungsgesetz ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig hat werden lassen (vgl.BVerfGE 97, 12 <28> ). Nicht in Erwägung gezogen wurde, ob der Wortlaut des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG im konkreten Fall nicht über den Sinn und Zweck des Gesetzes hinausgeht, so dass von Verfassungs wegen eine einschränkende Auslegung geboten ist.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/rk20040729_1bvr073700
Die Anwendung dieser Grundsätze dürfte es daher als wenig wahrscheinlich erscheinen lassen, daß ein Gericht es als mit dem Sinn und Zweck des Rechtsberatungsgesetzes ( - Das Rechtsberatungsgesetz dient dem Schutz des Rechtsuchenden sowie der geordneten Rechtspflege - ) für vereinbar ansehen könnte, das wiederholte Posten von Beiträgen in öffentlichen Internetforen wie unter forum.computerbetrug.de, in denen auf konkrete Rechtsfragen Dritter eingegangen wird, als eine einer behördlichen Erlaubnis bedürftige, geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erachten könnte.
gal.