26.3.2004 - Erwarteter Gerichtstermin Preisangabe

tuxedo

Mitglied
Hi!

Ich habe irgendwo im Hinterkopf, dass heute am 26. März 2004 ein zumindest von einigen Leuten erwarteter Gerichtstermin ansteht. Ich meine mich zu erinnern, dass es irgendetwas mit referate.ag und dem dreifachen OK zu tun hat. Hat da jemand nähere Infos, worum es genau geht, und vor welchem Gericht sich die beiden Parteien treffen?

Gruß
Matthias
 
Jo, heute entscheidet das Gericht über die EV in Sachen Preisangabe auf der Startseite. Ist aber noch kein Ergebnis bekannt.
 
Urteil ist da. Und wirklich sehr lesenswert.

LG Mannheim - 7 O 47/04 - 19.03.2004

Lesedienst:

Beklagter schrieb:
Eine Irreführung des Verkehrs scheide im Übrigen schon deshalb aus, weil den Beklagten hinsichtlich der Kostenpflichtigkeit seines Angebots keine Aufklärungspflicht treffe. Dass Webseiten nur entgeltlich genutzt werden könnten, sei eine auch Jugendlichen geläufige Selbstverständlichkeit. Auf Selbstverständlichkeiten müsse aber nicht hingewiesen werden.
LG in Urteilsgründe schrieb:
Der Beklagte stützt seine Ansicht auf die Behauptung, das Internet könne (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nur entgeltpflichtig benutzt werden. Schon dieser Ausgangspunkt ist, wie die Kammer, deren Mitglieder zu den Benutzern des Internet gehören, aufgrund eigener Erfahrung weiß, unzutreffend. Erst recht kann keine Rede davon sein, dass dem Verkehr - einschließlich der angesprochenen Kinder und Jugendlichen - bekannt sei, dass er Informationen über das Internet nur gegen Entgelt erhalten könne.
Mein Lieblingszitat. Eine schallende Ohrfeige gegen die Beklagtenseite :respekt:


Gegen die Behauptung, die Kids von heute kennten sich ausreichend aus - Nix ist!
LG in weitere Urteilsgründe schrieb:
Ohne Bedeutung ist dabei ob sich die Kinder und Jugendlichen, die sich für die Angebote des Beklagten interessieren, mit der Bedienung von Computern gut auskennen, denn derartige "technische" Fähigkeiten sind nicht gleichbedeutend mit Erfahrung im geschäftlichen Verkehr und lassen nicht auf solche Erfahrung schließen.
So ist es. Auch wenn die gerade dem Kindesalter entwachsenen Dialertypen das nach eigener Auskunft in einschlägigen Foren regelmäßig nicht so sehen ...


Zum Thema: "Was soll eigentlich dreimal OK-Tippen bringen?" hat das LG eine sehr zutreffende Meinung, die sich m.E. durchsetzen wird, da nur durch sie das MWD-Gesetz einen echten Inhalt hat:
LG MA schrieb:
Nach der ersten Eingabe der Buchstabenkombination "OK" wird er in einem weiteren Fenster ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm "durch die Aktivierung" keine Kosten entstehen. Das wird ein erheblicher Teil der Leser dahin verstehen, dass er die vom Beklagten angebotenen Informationen unentgeltlich erhält. Einen anderen Sinn werden allenfalls Experten dem Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der "Aktivierung" entnehmen können. Auf das Verständnis von Fachleuten kommt es aber bei einem Angebot, das sich hauptsächlich an Kinder und Jugendliche wendet, gerade nicht an. Einen erster Hinweis auf Kosten enthält erst das dritte Fenster, das sich nach der zweiten Eingabe von "OK" öffnet.
(...)
Im Ergebnis wird deshalb die Warnfunktion, die grundsätzlich mit der Notwendigkeit einer mehrfachen Eingabe eines bestimmten Befehls verbunden sein mag, durch die vom Beklagten gewählte Ausgestaltung entwertet und sogar ins Gegenteil verkehrt, weil das Publikum von der erst ganz am Ende erscheinenden Preisinformation abgelenkt wird. Wirksam könnte der Schutz gegen Übereilung, dem der Zwang zu mehrfacher Eingabe von "OK" an sich dient, nur sein, wenn der Nutzer von Anfang an über die maßgeblichen Umstände aufgeklärt würde.


Und dann noch ein weitere juristische Ohrfeige all denen, die meinen, eine Verfügung der RegTP sei höherrangiges Recht als ein Bundesgesetz und somit komme es nur auf die RegTP-Vorgaben an:
LG in weitere Urteilsgründe schrieb:
Da dies im Rahmen des beanstandeten Internetauftritts nicht in ausreichendem Umfang geschieht, ist ein Verstoß gegen § 1 UWG zu bejahen. Eine anderen rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass der Dialer des Beklagten den Mindestanforderungen an Anwählprogramme entsprechen mag, die sich aus der auf der Grundlage von § 43 b Abs. 5 TKG erlassenen Vfg. Nr. 37/2003 ergeben. Daraus folgt nicht, dass die Verwendung des Dialers unabhängig von den weiteren Einzelheiten der Gestaltung und der Art seines Einsatzes einer Beurteilung nach den Vorschriften des UWG entzogen ist.

Ein sehr gutes Urteil, auch handwerklich sauber und nicht beanstandenswert. Auch wenn das sicher der eine oder andere nicht so empfindet ...
:dafuer: :thumb:
 
@ KatzenHai

Super erklärt, danke.

Eine Frage habe ich noch. Hat der Richter irgendwo ein Hintertürchen eingebaut, dass Surfer ohne JavaScript die Preise nicht erfahren müssen?

Die jetzt teilweise nachgefrickelten Minifußzeilen mit unvollständigen Preisinformationen (Zwar ein Preis, aber kein Hinweis auf das Festnetz und die Zeit für den Preis) basieren oft auf JavaScript. Das BSI weist extra darauf hin, aus Sicherheitsgründen auf JavaScript zu verzichten.

Die Verbraucherzentralen bekommen heute weniger öffentliche Förderung. Die können nun ja gut ihre Etats aufbessern. Für den Anfang reicht es, nach "kostenloses Zugangstool" zu googeln. Seitenbetreiber, die Nachhilfe brauchen, gibt es genug.

Dietmar Vill
 
Wirklich ein schönes Urteil.

Von Anbieterseite wird dies offenbar so interpretiert, daß nur die Angebote, die sich an Jugendliche richten, umgestaltet werden müssen. Aber dem ist nicht so. Denn die "erhebliche Irreführungsgefahr", die das Gericht zutreffend nachzeichnet, besteht allgemein für das Publikum:
Vielmehr ist er [der Internetauftritt] durch die Art seiner Ausgestaltung geeignet, die Nutzer darüber hinwegzutäuschen, dass eine Inanspruchnahme der "Leistungen" des Beklagten zu hohen Kosten führt, die - wenn sie diese Kosten selber tragen müssten - häufig in keinem angemessenen Verhältnis zu ihren finanziellen Mitteln stehen würden. Weder auf der Eingangsseite des Internetauftritts noch in dem Fenster, das sich nach dem Anklicken eines der Stichworte auf der Eingangsseite öffnet, erhält der Nutzer in hinreichend deutlicher Form Informationen über den entgeltlichen Charakter des Angebots und über die Höhe der Kosten, die anfallen können.
Der Umstand, daß sich das Angebot an Jugendliche richtet, tritt hier nur noch erschwerend hinzu.

Es könnte auch ein folgenreiches Urteil sein. Denn wie steht es um die zivilrechtlichen Forderungen, die sich auf das bemängelte Angebot aufbauen? Die vom LG Mannheim festgestellte Sittenwidrigkeit führt zum § 138 Abs. 2 BGB:
Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in auffälligem Mißverhältnis zu der Leistung stehen.

Schließlich ist auch die strafrechtliche Würdigung dieses Tatbestandes nicht von vornherein auszuschliessen: § 291 StGB Wucher:
1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten ...
3. für eine sonstige Leistung
...Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wirken mehrere Personen als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise mit und ergibt sich dadurch ein auffälliges Mißverhältnis zwischen sämtlichen Vermögensvorteilen und sämtlichen Gegenleistungen, so gilt Satz 1 für jeden, der die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen für sich oder einen Dritten zur Erzielung eines übermäßigen Vermögensvorteils ausnutzt.

2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt,
2. die Tat gewerbsmäßig begeht,
3. sich durch Wechsel wucherische Vermögensvorteile versprechen läßt.
 
Mangels an Urteilsvermögen ?

wie dumm ist denn die Menschheit? Bei Kindern und Jugendlichen kann ich das Argument ja noch verstehen, aber das jetzt gleich auf volljährige und mündige Personen ausweiten zu wollen - armes Deutschland!

Aber wenn man dafür ne Leistung die man erhalten hat nicht bezahlen brauch spielen wir gern mal ne Runde dumm!

Grüße
 
Transparenz ist der natürliche Feind jeden Drückergewerbes.

Die Opfer müssen im Vorfeld irritiert und mit einer festen, falschen Vorstellung versehen werden. Dann kommt eine überraschende Wendung, möglichst unter Zeitdruck und eine rätselhafte Preisinformation. Das sind die Erfolgsfaktoren.

Die unwürdige Haarspalterei um die Frage, welche Marktteilnehmer in welchem Alter welche Falsch- oder Fehlinformation vertragen müssen, um sich durch besondere Aufmerksamkeit und Misstrauen gegen Wortspielereien aller Art selbst vor Schaden zu bewahren, gewinnt vermeintlich eine Schlacht, aber nicht die letzte.

Das schwächt die Vertrauensgrundlage ein weiteres Mal. Die Chance, Vertrauen zurückzugewinnen, spielt im diesem Geschäft wohl keine Rolle. Die Berufung auf angebliche Seriosität soll nur die Öffentlichkeit blenden.

Dietmar Vill
 
@dvill
Das sehe ich ganz genau so.

Es gibt einen Kommentar von mainpean zu dem Preisangaben-Urteil:
http://www.mainpean.de/wochennews/archiv/2004/kw15/

Wie üblich wird hier die eigene Rechtsauffassung unter das Volk gebracht - zugegebenermaßen, es wird auch darauf hingewiesen, das es das eigene Verstaendnis der Situation ist - um das Urteil inhaltlich und von der Bedeutung her abzumildern.

Gruß
Matthias
 
Ja, man lehnt sich nicht mehr ganz so weit aus dem Fenster und überlässt den "Partnern" den Schluss. Ob die dazu in der Lage sind? Liest man sich in den einschlägigen Foren um, ist noch viel Aufklärungsarbeit gefragt und der Ärger vorprogrammiert.
 
Refera**.ag zeigt jetzt wieder gar keinen Preis auf der Startseite an - trotz bzw. gerade wegen des Urteils des LG Mannheim.
Der Trick:
Die "Last" wurde auf eine zusätzlich seit heute verfügbare Intexus-Dialerversion abgewälzt.

Das Downloadfenster ist in dieser Variante offenherziger als üblich:
"Durch Ihre Bestätigung stimmen Sie dem Bezug und der Einrichtung des Einwählprogrammes über die Rufnummer 0900* für 30,00 EUR/Einwahl zu.
Anbieterinformationen..."

Dafür wird an der Transparenz der Seite wieder gespart. Naja.
 
Der Richter hat sehr gut das verstanden, was von der Verbraucherschutzseite vorgetragen wurde. Die Frage ist, ob nicht noch mehr für den Verbraucher gesprochen hätte. Besser gesagt, ob nicht mehr Vertuschung und Täuschung im Spiel ist.

Allgemein bekannt ist, dass der Aufruf von Serverdiensten im Internet im allgemeinen ohne Kostenfolgen bleibt. Der Zugriff mit beliebigen Clients und Protokollen auf Server kann an Berechtigungen scheitern, Kosten verursacht dies unmittelbar nicht.

Wer mit einem Wählzugang mit dem Internet verbunden ist, muss die Belegung seines Wählmodems erst beenden, um eine andere Verbindung zu anderen Konditionen aufbauen zu können.

Ohne die Information, dass die alte Verbindung beendet wird, ist eine Kosteninformation für eine neue unerwartet und unverständlich. Dies gilt umso mehr, da diese Information in kryptischer Kurzschreibweise dem Medium Internet unangepasst präsentiert wird.

Es kann nicht erlaubt sein, dass irgendein Programm heimlich und ohne Benutzererlaubnis eine Verbindung trennt, was für den Betroffenen Datenverluste und eben eine unerwartete Neueinwahl zu erheblichen Kosten zur Folge haben kann.

Dialerangebote lassen sich nur nutzen, wenn man ein Telefon-Wählmodem zur Verfügung hat. Reine DSL-Nutzer müssen auf diese Angebote leider verzichten. Diese Hardware-Voraussetzungen sind also eine wesentliche Bedingung, die der potentielle Kunde erfüllen muss.

Zum Bezugszeitpunkt kann nur der potentielle Kunde wissen, ob er die Voraussetzungen erfüllt. Also benötigt er klare Informationen über diese wesentlichen Schritte, die zum Kauf führen sollen.

Dietmar Vill
 
Ein sehr interessanter Ansatz, mal böswillig weiter gesponnen:

dvill schrieb:
Wer mit einem Wählzugang mit dem Internet verbunden ist, muss die Belegung seines Wählmodems erst beenden, um eine andere Verbindung zu anderen Konditionen aufbauen zu können.
(...)
Es kann nicht erlaubt sein, dass irgendein Programm heimlich und ohne Benutzererlaubnis eine Verbindung trennt, was für den Betroffenen Datenverluste und eben eine unerwartete Neueinwahl zu erheblichen Kosten zur Folge haben kann.

Ich lade mir gerade (sehr willentlich) ein 30MB-File von irgendeinem Server, dorthin (sehr willentlich) über ein Dialprogramm verbunden, welches für 30 Min 29,95 € wünscht. Dies ist mir das Programm auch glatt wert.

Kommt nun ein Dialer, der (ich kann ja Multitasking) während dessen beim Surfen ein "kostenloses Downloadtool zur Nutzung der Site ..." anbietet, quer und trennt diese Verbindung, habe ich zusätzlich zu allem anderen einen echten Schaden von knapp 30 €.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies mal jemandem passiert ...
 
Die Kosten können bei diesem Gedankenmodell mit 2 Euro/Minute für 60 Minuten natürlich auch höher sein.

Die heimliche Kappung einer Internetverbindung kann für Verbraucher aber ganz empfindliche Nachteile haben, die eventuell nicht direkt in Geld bewertet werden können.

Viele sind per Messenger-Client, Chat-Client online verbunden und verlieren hier eventuell sogar unbemerkt den Anschluss. Wer mit Online-Banking unterwegs ist, kann seine Transaktionen verlieren.

Insgesamt ist es ein Eingriff in die Abläufe eines fremden Computersystems, der vom Eigentümer nicht erwartet und erlaubt ist. Aus meiner Sicht fängt hier die Computersabotage an, wenn man Programme verteilt, die beim Anwender unerkennbar undokumentierte Funktionen ausführen.

Dietmar Vill
 
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