Telefonsexfallen (Offline-Billing) über Ortsnetznummern - Rechtsgrundlagen

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Dieser Artikel behandelt kurz die Rechtsgrundlagen bei Telefonsexfallen, wo das Entgelt nicht über eine 0900-Mehrwertnummer und über die Telefonrechnung eingetrieben wird, sondern wo man eine dubiose Rechnung bekommt, weil man angeblich oder tatsächlich auf so einer Ortsnetznummer angerufen haben soll.

Angst ist unbegründet. Es gibt keinen Grund, zahlen zu müssen. Lesen Sie dazu besonders den Abschnitt über die Rechtsgrundlagen weiter unten. Zunächst aber eine Beschreibung, wie die Falle funktioniert.

Wie funktioniert die Falle?

Es werden Flirt-Annoncen in der TV-Bildschirmtextwerbung, in Zeitungen oder im Internet in Flirtportalen geschaltet. Diese Annoncen dienen als Lockangebote, entweder sind es vordergründig gestaltete Pornoangebote mit entsprechenden Vulgärausdrücken, oder es sind simulierte Partnergesuche. Dabei wird als Locknummer eine Ortsnetznummer für den Rückruf verwendet. Der Verbraucher rechnet nicht damit, dass bei einem Rückruf (angeblich...) ein kostenpflichtiger Vertrag zustandekommen soll, und er ist im guten Glauben, dass nur die normalen Gesprächsgebühren anfallen. Oft steht in der Annonce ein versteckter Preishinweis in Kleinschrift, nur im Nahbetrachtungsabstand erkennbar, z.B.: "1 Monat 70 Minuten a 90 cts/Minute".

Es hat auch schon die Variante mit Lock-SMSen gegeben: "Kathi möchte Dir etwas wichtiges sagen. Simse bitte an 017..."(...eine ganz normale Handynummer).

Ruft man dann tatsächlich die Ortsnetznummer zurück, erfährt man dann mit einem netten Sprüchlein, dass man jetzt angeblich einen kostenpflichtigen Vertrag eingegangen sei: man könne jetzt "einen Monat lang insgesamt 70 Minuten für 90 cts pro Minute Telefonsex geniessen". Die "Angebote" bestehen dann i.d.R. im Abhören irgendwelcher stöhnenden Tonbandstimmen.

Die meisten Verbraucher legen entweder sofort oder nach spätestens wenigen Minuten auf und vergessen den Vorfall.

Wie schnappt die Falle zu?

Bei einem Anruf auf die Festnetznummer hat der "Anbieter", so meint der Verbraucher, die Adresse und den Namen des Anrufers nicht. Also meint man, dass der Anbieter einem mal "den Buckel herunterrutschen" könne. Selbst dann, wenn der Verbraucher nicht mit unterdrückter Rufnummer angerufen hat, meint er, anonym zu sein. Ein Eintreiben der Mehrwertgebühr über die Telefonrechnung ist schließlich hier nicht möglich.

Der "Anbieter" wird jetzt allerdings zu perfiden Tricks greifen, um den Namen und die Adresse des Anrufers zu ermitteln - damit er dann böse Rechnungen und Mahnungen zustellen kann.

Übermittlung der Rufnummer (CLIP) trotz Anrufs mit abgeschalteter Übermittlung
Es gibt Hinweise dafür, dass mindestens ein Telefonprovider in Deutschland einem unseriösen Anbieter so einer Telefonsexfalle einen bestimmten "Schwarzhut-Sonderservice" genehmigt. Und zwar übermittelt dieser TK-Provider verbotswidrig auch dann die Rufnummer, wenn der Anrufer die Übermittlung deaktiviert hatte. Dies ist technisch möglich, ist aber eigentlich nur für Anrufe bei der Polizei, Feuerwehr oder bestimmten Behörden zulässig, aber es scheint hier das eine oder andere "schwarze Abkommen auf dem kleinen Dienstweg" zu geben, um gegen eine kleine Sondergebühr dem privaten Dienstleister doch die Daten zu übermitteln.

Feststellung der Adresse mit Drohanrufen oder durch Täuschungsanrufe

In den Fällen, in denen der "Anbieter" nun also die Telefonnummer des Anrufers hat, kann er jetzt versuchen, den Inhaber der Rufnummer zu ermitteln.

Entweder er greift zu Drohanrufen. Man bekommt dann Anrufe freier Dienstleister, die oft im Nebenerwerb tätig sind, oder auch von Inkassodiensten. Diese versuchen dann, mit Drohungen ("wir zeigen Sie wegen Betrugs an, wir pfänden, etc.") die Herausgabe des Namens und der Adresse zu erreichen.

Oder es wird unter arglistiger Täuschung die Herausgabe erschlichen. Es gibt dann zum Beispiel unverfängliche Anrufe eines angeblichen Paketdienstes, oft unter dem falschen Namen "DHL". Man habe hier ein Paket mit unleserlicher Anschrift, und man bitte doch "schnell mal eben" um Herausgabe von Namen und Anschrift, damit das Paket auch zugestellt werden könne.

Wer auf diese Anrufe hin (das können durchaus mehrere Versuche sein, gern auch mit rabiaten Drohungen...) die Daten nicht herausgibt, wird irgendwann dann nicht weiter behelligt.

Falsche Ermittlung des Anrufers oder Willkür

Immer wieder hört man in diesem Zusammenhang von Fällen, wo die Anrufer sich absolut sicher sind, dass die betreffende Ortsnetznummer nicht angerufen wurde. Grund für die Rechnungen kann dann einerseits betrügerische Willkür im Sinne einer völlig frei erfundenen Forderung sein, andererseits ist es denkbar, dass jemand bei den Drohanrufen die Daten eines fremden, unbeteiligten genannt hat. Wie auch immer: es gibt dann natürlich keinen Grund, solche Forderungen zu bezahlen. Dazu mehr unten.​

Rechnungen/Drohungen/Mahnungen

Wer seine Daten am Telefon herausgegeben hat, der wird dann in der Folge böse Rechnungen und Mahnungen bekommen. Oft wird dann ziemlich bald ein dubioses Inkassobüro oder/und ein Rechtsanwalt eingeschaltet. Diese behaupten dann, es sein ein rechtsgültiger Vertrag zustandegekommen, es habe einen Preishinweis gegeben, man habe zu zahlen, sonst werde vollstreckt und gepfändet und so weiter.

Rechtsgrundlagen

Diese Behauptungen der "Anbieter" und ihrer dubiosen Inkassohandlanger entbehren jedoch jeder Rechtsgrundlage.


Es gibt bei diesen dubiosen Telefonfallen keinen Zahlungsanspruch, abgesehen von den ganz normalen Telefongebühren des Telefonproviders, wie sie über die Telefonrechnung eingezogen werden.

Diese Tatsache ist den "Anbietern" auch nur zu gut bekannt. Daher ist es auch so, dass die sich mit den 30 Prozent "Angstzahlern" zufrieden geben, d.h. mit denjenigen, die sich durch die Drohungen einschüchtern lassen und zahlen.

  • Diejenigen, die ihre Daten am Telefon nicht herausgegeben haben, können ihr Geld behalten.
  • Aber auch diejenigen, deren Adresse/Name ermittelt wurde, und die nicht zahlen, können ihr Geld ebenfalls behalten.

Warum ist das so?

  1. Bei diesen Telefonsexfallen kommt selbst dann kein kostenpflichtiger Vertrag zustande, wenn tatsächlich auf der beworbenen Ortsnetznummer angerufen wurde. Daher ist es auch unerheblich, ob der Anrufer z.B. minderjährig war.
  2. Es gibt bei diesen Angeboten weder eine vernünftige Anbieterkennzeichnung nach § 312c BGB, noch wird in sofort erkennbarer Form über die Kostenpflicht aufgeklärt, noch gibt es eine dem Verbraucher zugestellte Widerrufsbelehrung in Textform, wie sie bei solchen teilbaren Dienstleistungen nach Fernabsatzregeln zwingend notwendig wäre.
    Teilbare Dienstleistungen sind nach BGB-Fernabsatzregeln und nicht nach TK-Recht zu beurteilen.
    Das Angebot genügt auch nicht den Erfordernissen der Preisangabenverordnung. Es wird meistens der Endpreis nicht genannt, und es fehlt an der Einhaltung der Regeln zur Preisklarheit und Preiswahrheit. Wenn Sie in einem Supermarkt einen Joghurt kaufen, dann müssen Sie schließlich dort den Preis auch nicht im AGB-Aushang in der Besenkammer nachschlagen.
  3. Das "Geschäftsmodell" beruht auf Methoden der arglistigen Vortäuschung falscher Tatsachen (gefälschte Partnersuche) bzw. der Verschleierung der Tatsache, dass der "Anbieter" bei dem Anruf eine Kostenpflicht entstehen lassen will.
  4. Die ganze Form der Rechnungsstellung kann oft in diesen Fällen als regelrechter Witz betrachtet werden. So wird oft z.B. nicht einmal Datum und Uhrzeit genannt, an dem das "Angebot" genutzt worden sein soll, oder es wird die angerufene Rufnummer verkürzt dargestellt ("XXX" am Ende), wohl um ein Abschalten durch die Bundesnetzagentur zu verhindern.
  5. Denn das Geschäftsmodell des "Offline-Billings" für Telefonsexangebote über Ortsnetznummern ist von der Bundesnetzagentur ausdrücklich verboten worden, wegen des Umgehungsverbots für 0900-Mehrwertgassen nach TKG. Ausdrücklich bestätigt vom Oberverwaltungsgericht NRW (Beschluss vom 26.01.2010, Az. 13 B 1742/09).


Daher gilt:

  1. Die Forderungen der "Anbieter" entbehren jeder Rechtsgrundlage.
  2. Bei einer unberechtigten Forderung hat man als Verbraucher keine irgendwie geartete Rechtspflicht, außergerichtlich auf Mahnungen und Drohungen reagieren zu müssen. Es entsteht kein Rechtsnachteil, wenn man nicht reagiert.
  3. Selbst, wenn man reagiert und die Forderung bestreitet, bedeutet das nicht, dass man dann weniger Mahnungen bekommt. Es kann sogar sein, dass man dann noch ein/zwei Briefe mehr kriegt.
  4. Tatsache ist jedenfalls: wer nicht zahlt und nicht reagiert, kann sein Geld behalten. In mehreren Jahren, seit diese Abzocke bekannt ist, haben die Kasperbuden nicht ein einziges Mal einen "Schuldner" verklagt, es ist auch kein bestätigter Fall eines Mahnbescheids bekannt geworden (abgesehen von Versuchen der Anbieter selbst, in den Foren Falschinformationen zu streuen).
  5. Selbst, wenn ein gerichtlicher Mahnbescheid käme: dann würde man dem binnen 14 Tagen mit Rücksendung an das Mahngericht widersprechen (Einschreiben!). Kreuz setzen auf dem Formular reicht.
    Damit wäre der "Anbieter" wieder auf den vorigen Stand zurückgeworfen, er kann dann nicht vollstrecken, sondern er könnte entweder weiter Mahnbriefe schreiben (na und?), oder klagen (für ihn ohne Aussichten), oder die Klappe halten. Daher gibt es diese Mahnbescheide auch nicht, weil der "Anbieter" hier mit 23 Euro Gerichtsgebühr in Vorleistung gehen müsste, das Geld würde er wegen Ihres Widerspruchs auch nicht zurückkriegen.
  6. Es hat bereits Fälle erfolgreicher negativer Feststellungsklagen gegeben. Es ist also so, dass Sie in den Fällen, wo der Störer mit ladungsfähiger Anschrift ermittelbar ist, die Möglichkeit haben, sich aktiv gerichtlich gegen die belästigenden Mahnungen zu wehren. Lesen Sie dazu:
    Sie sollten allerdings wissen, dass es hier ein gewisses Kostenrisiko gibt.
  7. Nach einigen Droh- und Mahnbriefen schläft das Kasperletheater erfahrungsgemäß von selbst ein. Jeder Köter, der hinter dem Zaun kläfft, ist irgendwann einmal heiser und hört von selbst auf, auch wenn man ihm kein Leberwurstbrötchen gegeben hat. Beschäftigt man sich mit ihm, kläfft er nur noch länger.
    Es ist wie überall in der Nutzlosabzocke. Die Betreiber leben von den ca. 30 % Angstzahlern. Die reichen, um die Ferraris zu betanken. Der Rest kann sein Geld behalten.
    Im Schnitt gibt es meistens so 4-6 Mahnungen, genau lässt sich das allerdings nicht voraussagen. Es gab auch schon Fälle mit 10 Mahnungen und mehr. Allerdings wird auch dort regelmäßig nicht geklagt. Es kann Ihnen also egal sein - es kostet nicht Ihr Porto, nicht Ihr Papier.
  8. Wer mit Einspruch oder Widerspruch reagiert, bekommt dann auch nicht weniger Mahnungen. Im Gegenteil kann es möglich sein, dass dann noch 1-3 Mahnungen mehr kommen. Tun Sie sich den Ärger gar nicht erst an, verzichten Sie auf Brieffreundschaften mit Abzockern oder ihren Inkassobuden. Ebensogut können Sie sich mit einer Parkuhr über Einsteins Relativitätstheorie unterhalten.
  9. Rufen Sie auch nicht dort an. Es hat keinen Sinn, Rechtsstreitigkeiten mit Abzockern am Telefon austragen zu wollen. Das ist ein absolutes No-Go, das macht man nicht.
  10. Strafverfahren gegen die "Anbieter" werden in aller Regel massenweise eingestellt. Obwohl hier durchaus der Vorwurf des Betrugs und auch der Nötigung zu diskutieren ist, sind deutsche Staatsanwälte meistens der Meinung, dass hier angeblich kein Vorsatz nachweisbar sei. Der Anbieter der "Dienstleistung" habe zwar versucht, einen Hinweis auf die Kostenpflicht zu geben, leider sei es ihm aber aus gestaltungstechnischem Ungeschick nicht besser gelungen. (Kurzum: Wirtschaftskriminelle werden in Deutschland mit Glaceehandschuhen angefasst.) Zivilrechtlich gibt es jedoch, wie bereits gesagt, keinen Zahlungsanspruch - das sagen z.T. selbst dieselben Staatsanwälte, die die Strafverfahren eingestellt haben.

Daraus folgt:

Am besten:
nicht zahlen und auch nicht reagieren.

Dabei ist es völlig egal, ob Sie dort angerufen haben oder nicht, oder ob der Anrufer minderjährig war. So oder so: es gibt keinen Anspruch, und Sie haben daher auch keine Rechtspflicht, reagieren zu müssen.

In dem extrem unwahrscheinlichen Fall eines gerichtlichen Mahnbescheids sofort Widerspruch einreichen. Ansonsten sollte auf außergerichtliche Schreiben der Gegenseite überhaupt nicht reagiert werden.

Sorgen Sie dafür, dass die beworbene Ortsnetznummer (soweit vollständig bekannt) von der Bundesnetzagentur abgeschaltet wird.
Das Beschwerdeformular gibt es hier:
 
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