[Diskussion] Strafbarkeit von "sie haben gewonnen"

Aka-Aka

Chaostheoretiker
--- wegen Übersichtlichkeit teilweise verschoben --- (siehe hier)

Ich bin kein Jurist, aber ich würde das gerne mal hier diskutieren: Wenn Gewinnanrufe strafbar sind, dann versäumt es die Bundesnetzagentur in jedem einzelnen Beschwerdefall, ihrer Verpflichtung aus TKG §67 nachzukommen. Oder habe ich einen Denkfehler?
Diese Gewinnanrufe sind für mich strafbar nach §263 StGB und §16 UWG. Siehe bereits meine Ausführungen hier (inkl. links dort).

Sehr geehrte Damen und Herren,

am ... um ... erhielt ich einen Telefonanruf, in dem mir mitgeteilt wurde, ich hätte ... gewonnen. Um den Gewinn zu sichern und eine Zustellung zu ermöglichen [ggf. je nach Ansagetext ändern] sollte ich ein Callcenter anrufen. Beim Anruf dieser Nummer erfährt man, dass für den Anruf sehr hohe Kosten pro Minute anfallen.
Dieser Rückruf entwickelt sich laut übereinstimmender Berichte im Internet und in verschiedenen Fernsehsendungen [*] zu einem längeren und damit sehr teuren Gespräch. Diese Tatsache wird durch den Text der Ansage entstellt und unterdrückt, mit der Absicht, möglichst viele Menschen dazu zu verleiten, dort anzurufen. Ein solcher Anruf entspricht einer Vermögensverfügung zunächst zugunsten des Telefonnetzbetreibers. Diese Vermögensverfügung führt letztlich zu einer Bereicherung der Initiatoren. Die Irreführung in der Ansage steht dabei in direktem kausalen Zusammenhang zu dieser Vermögensverfügung. Wenn man den teuren Rückruf vorzeitig abbricht, weil man den Betrug durchschaut, entsteht ein Schaden über die bis dahin angefallenen Telefongebühren. Selbst wenn man den Anruf bis zum Ende durchführt, wird man geschädigt, da man keinen Gewinn erhält, sondern lediglich weitere Anweisungen, um den Gewinn erhalten zu können (z.B. muß man ein Kuvert an eine Adresse in ... [Italien] senden.
Von diesen Anrufen sind sehr viele Menschen betroffen und wegen der hohen Anzahl von Betrugsversuchen ist von einem schweren Betrug nach §263 StGB auszugehen.
Ich stelle daher Strafantrag und fordere die Staatsanwaltschaft auf, umgehend Ermittlungen wegen des Verdachts auf schweren Betrug und wegen aller anderer in Frage kommender Delikte (§16 UWG!) aufzunehmen. Insbesondere soll durch Rücksprache bei der Bundesnetzagentur und bei den involvierten technischen Anbietern geklärt werden, welches Ausmaß diese Betrugsversuche haben. Bitte teilen Sie mir das Aktenzeichen für das Ermittlungsverfahren mit und bitte halten Sie mich auf dem Laufenden.

und dann per copy&paste in eine Mail an den Staatsanwalt, Adressen gibt es hier:
Orts- u. Gerichtsverzeichnis


[*]
: Natürlich ist es ein Problem, dies zu behaupten, ohne es im konkreten Einzelfall belegen zu können, daher muß schon deutlich werden, dass man dort nicht selbst angerufen hat (es sei denn, man tut es, um es eben belegen zu können, was aber natürlich dann nicht den Betrug in diesem Fall belegt, da man ja "bewusst" anruft. Bitte hier vorsichtig sein!) - aber wenn Ermittlungen aufgenommen werden, wird es ein leichtes sein, beispielsweise durch die Zeugenaussage der Bundesnetzagentur zu belegen, was bei einem Anruf der 0900 passiert. Es geht ja gar nicht darum, dass in dem konkreten Fall des Antragstellers/Anzeigenerstatters ein Betrug nachgewiesen wird, sondern darum, dass Ermittlungen begonnen werden mit dem Ziel, einen gerichtsfesten Betrug nachweisen zu können. Dies ist ein ganz wichtiger Aspekt. Damit hängt auch zusammen, was viele Staatsanwälte oder Polizisten übersehen, die sagen "Ihnen ist doch kein Schaden entstanden, da sie nicht zurück gerufen haben". Das ändert aber nichts daran, dass der Straftatbestand des (schweren!) Betruges bereits vollständig vorliegt in dem Moment, in dem die Betrüger anrufen! Dann muß man eben als StA den Schaden dazu finden - indem man sich informiert.
Und selbst ein Rechnungslegungsverbot ändert daran nichts: Die Betrüger haben ihre Tat trotzdem begangen und allein wegen der hohen Opferzahl ist es schwerer Betrug. Das steht im §263 eindeutig drin:

Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,

Dann gibt es noch das UWG:
--> "strafbare Werbung" (UWG §16)

"unlautere Werbung" ist strafbar (siehe z.B. hier)


UWG - Einzelnorm

Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Das fällt damit übrigens in jedem Fall unter die nach TKG §67 von der Bundesnetzagentur zu meldenden Sachverhalte. Wie nennt man das eigentlich, wenn eine Behörde konsequent durch Unterlassen Ermittlungen verhindert?
Macht sich die Bundesnetzagentur damit nicht strafbar?

weitere Links:
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/08-10/index.php?sz=7
Unwahre Gewinnversprechen - Wann liegt Betrug vor? | Unternehmer.de

„Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind … Nr. 17: …die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Verbraucher habe bereits einen Preis gewonnen oder werde ihn gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis gewinnen oder einen sonstigen Vorteil erlangen, wenn es einen solchen Preis oder Vorteil tatsächlich nicht gibt, oder wenn jedenfalls die Möglichkeit, einen Preis oder sonstigen Vorteil zu erlangen, von der Zahlung eines Geldbetrags oder der Übernahme von Kosten abhängig gemacht wird;“


Genau diese "Übernahme von Kosten" (durch Telefonanruf, durch Briefmarken) liegt hier vor und die Tatsache wird unterdrückt --> BETRUG


"Bei Klausel Nr. 17 geht es somit darum, dass beim Verbraucher die Erwartung geweckt wird, er habe etwas gewonnen, obwohl dies nicht stimmt oder so nicht richtig ist – nämlich dann, wenn man erst noch (eine Menge) Kosten aufwenden muss, um den Gewinn zu erhalten."

Was den Betrug angeht: Fast alle Staatsanwälte lehnen den Betrug ab, "weil es den Gewinn gibt" - sie vergessen aber den zweiten Teil - die hohen Kosten! Da liegt (in jedem Fall) der Betrug.

Vielleicht könnte jemand wie "Computerbetrug.de" mal so was wie eine "Sammelanzeige" einrichten. Ich würde sogar eine "Spende" machen, um die Kosten zu kompensieren.
Portale wie antispam.de oder computerbetrug.de leisten einen großen Dienst durch die Information der Betroffenen. Ich gehe davon aus, dass in der Praxis deutlich mehr Betroffene über diese Portale informiert werden als durch die Seiten der Bundesnetzagentur. Es wäre daher zunächst einmal wünschenswert, dass die Bundesnetzagentur mit solchen Portalen direkt kooperiert. Das passiert nicht, obwohl es da mehrfach Angebote gab. Das wiederum bedeutet, dass hier private Initiativen die Arbeit der Behörde zumindest "unterstützen". Wer dies durch Spenden unterstützen will, hier oder bei antispam.de, der tut sicher etwas Gutes (ich mache das auch regelmäßig).
Eine "Sammelanzeige" gibt es so nicht. Allerdings kann jeder, der eine Strafanzeige/Strafantrag stellt, natürlich darauf hinweisen, dass in diesen Forem tatkräftige Unterstützung angeboten wird. Ein einzelner Staatsanwalt kann sich hier binnen Minuten einen Überblick verschaffen, wie groß die Zahl der Betroffenen ist. Außerdem ist es möglich, frühzeitig Informationen zu bekommen über die Hintergründe und auch über weitere Ermittlungsverfahren. Dann kann es dazu kommen, dass einzelne Ermittlungsverfahren zusammen geführt werden, dann kann es auch dazu kommen, dass bereits vorhandene Informationen aus anderen Ermittlungsverfahren dem Staatsanwalt helfen, einen Überblick zu bekommen. Das wäre ein gutes Ergebnis.
Vielleicht kommt man mit einer Abmahnung weiter.
Das bezweifle ich. Jedenfalls nicht, wenn Du nicht Gefahr laufen willst, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Ich erkläre hiermit allerdings, dass ich gerne bereit bin, Leute zu unterstützen, die beispielsweise versuchen, die Gewinne einzuklagen oder andere zivilrechtliche Schritte (auch UWG???) zu unternehmen.

Das wäre ein Job für die Verbraucherzentrale - aber die Vz passen sich ja hierzulande dem Niveau der BnetzA an: Nur Blabla, statt konsequente Verfolgung (z.B. wegen UWG-Klausel, siehe oben)
Nuja, man nützt ja selbst 0900er und ist daher offenbar nicht unbefangen - oder gibt es andere Gründe?

Eigentlich müsste soetwas bei der BNA zusammenlaufen und die BNA müsste die Staatsanwaltschaft einschalten.
nicht müsste! Die Bundesnetzagentur ist gesetzlich verpflichtet, schon bei dem Verdacht auf eine Straftat die Staatsanwaltschaft zu informieren (TKG §67 4.). Sie tut es aber nicht.

Behörden, die geltende Gesetze selbst nicht einhalten, sind in meinen Augen ein Risiko für die innere Sicherheit eines Rechtsstaates!
Die Aufsichtsbehörde der Bundesnetzagentur ist das Wirtschaftsministerium - dort könnte man sich beschweren, aber mir fehlen dafür die "zeitlichen Reserven" ;)

Da es für den einzelnen Betroffenen immer nur "Kleinbeträge" sind, lohnt sich für den Einzelnen der Aufwand nicht. Und genau davon leben diese Abzocker.
Das ist teilweise richtig. Aber bei den Behörden ist durchaus bekannt, um welche Millionenbeträge es geht. Der einzelne Betroffene mit seinem kleinen Schaden ist also ein Rädchen, das die Masche am Laufen hält. Staatsanwälte, die aus Ignoranz und Arroganz nicht sehen können/wollen, was da läuft, sind ein weiteres Rädchen. Der entscheidende Knackpunkt ist und bleibt aber die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde, da diese wie ein Staubsauger die Beschwerden sammelt (auch bei der Polizei wird man Dir sagen "wenden sie sich an die Bundesnetzagentur") und dann aber nicht sinnvoll reagiert.
Ohne diese Dekriminalisierung organisierter Kriminalität (die es übrigens in ganz Europa gibt) wäre der Millionenbetrug an der Bevölkerung nicht möglich. In Deutschland läuft es für die Abzocker und Kriminellen deshalb noch besser als in anderen Ländern, weil wir keinen funktionierenden Verbraucherschutz haben - jedenfalls definitv nicht im Bereich der "neuen Medien" (und auch nicht im Bereich Telekommunikation.
 
AW: [Diskussion] Strafbarkeit von "sie haben gewonnen"

Ich denke mal, die Diskussion, ob sowas banden- und gewerbsmäßiger Betrug ist oder nicht, wird überhaupt nur in Deutschland geführt. Im Ausland würde es sicher niemand bezweifeln, dass eine Einladung zum Anruf einer kostenpflichtigen Mehrwertnummer unter dem Vorwand eines Gewinnversprechens Betrug ist. Das Gewinnversprechen wird so formuliert, dass der Gewinn dem Verbraucher eigentlich unmittelbar und ohne weitere Voraussetzungen zustehen würde. Wenn trotz des langdauernden Anrufs auf der Mehrwertnummer und trotz Befolgens aller Anweisungen (soweit überhaupt möglich...) der Gewinn nie ausgegeben wird, dann darf es als gesichert gelten, dass es (entgegen der schwachsinnigen Auffassung der Staatsanwaltschaft) diesen Gewinn nirgends gibt. Der Anbieter der Mehrwertleistung hat überhaupt keinen Gewinn auszugeben, er hatte nicht vor, jemals einen Gewinn auszugeben. Und durch die Tarnung seiner Briefkastenfirmen verhindert er, wegen § 661a BGB auf Herausgabe verklagt zu werden. Schon in der Tarnung der Firmenkonstellation ist der bewusste Vorsatz erkennbar.

Die Begabung deutscher Staatsanwälte, Straftatbestände zu nivellieren bzw. bereits außergerichtliche Freisprüche für Wirtschaftskriminelle zu erzielen, ist wohl zumindest im westlichen Ausland einmalig. Das Verhalten nicht nur der Staatsanwälte, sondern auch der Bundesnetzagentur erinnert in mancher Hinsicht an die gewollte und bezahlte Inkompetenz der Behörden von Bananenstaaten.
 
AW: [Diskussion] Strafbarkeit von "sie haben gewonnen"

Doch, den Gewinn gibt es:
twingo-gewinn-2009.com
aber das allein entkräftet nicht den Betrugstatbestand, sondern gehört vielmehr zum Betrugsplan ("Schutzbehauptung")
 
AW: [Diskussion] Strafbarkeit von "sie haben gewonnen"

Es gibt aber doch den Gewinn nicht für jeden Teilnehmer.

Selbst dann, wenn der Teilnehmer allen Anforderungen nachkommt, wird er nur mit einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit den Gewinn erzielen. Schon das ist Betrug, denn es wird vorher suggeriert, dass es einen vorbehaltlosen Anspruch auf den Gewinn gebe.

Wie ist das bei den von-Haber-/Götz-Anrufen, mit dem angeblichen BMW? Dort gibt es doch m.W. nirgends diesen BMW.
 
AW: [Diskussion] Strafbarkeit von "sie haben gewonnen"

Wenn man den obigen Brief an eine Person schickt, dann reicht das für einen versuchten Betrug nach §§ 263 I, 22, 23 StGB aus.

Bis 50 € ist es ein
Antragsdelikt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Staatsanwalt mit der
Argumentation kommt: Ihnen ist kein Schaden entstanden. Staatsanwälte sind meistens nicht dumm, allenfalls überfordert. Bei der Polizei kann ich mir so etwas eher vorstellen. Weder dumm noch überfordert, aber sie wissen es nicht besser.

Nach §§ 153 ff StPO liegen berechtigte Gründe für das Einstellen des Verfahrens wegen Gerinfügigkeit. Ein Hinweis auf gewerbsmäßigen Betrug ist nicht gegeben (reine Vermutungen).

Man könnte aber versuchen ANDERE Betroffene zu erreichen (hier ist
eine Organisation erforderlich). Wenn sich viele zusammen tun und dann
eine gemeinsane Anzeige mit 500 Zeugen machen, dann ist der Schaden groß, der Prozess lohnt sich, es wird nie zu einer Einstellung kommen, man würde so vielen Zeugen selstverständlich Ernst nehmen und nie einstellen. Und die Gewebsmäßigkeit wäre gegeben.

Mir ist aber nicht bekannt, dass dies jemals versucht wurde. Wie gesat, alles nur ein Problem der Organisation. Die andere Seite ist organisiert. Die Betroffene sind es nicht.
 
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