AW: 0137-Lockanrufe: Trio muss sich vor Gericht verantworten
Leseprobe aus dem Becks-Shop:
Myops.
Berichte aus der Welt des Rechts 11 (2011), S. 23–32.
faszinierender Artikel... dringend lesen!!!
"
PING oder
Signal fatal! Vom justizgestützten Missbrauch des Computers"
Die
Verfasserin ist Mitherausgeberin einer juristischen Fachzeitschrift (myops) und war Professorin für Jura an der Goethe-Uni in Frankfurt/Main, u.a. war sie Dekanin des Fachbereichs Rechtswissenschaft
http://www.google.de/search?hl=de&q...+Missbrauch+des+Computers"&aq=f&aqi=&aql=&oq=
Und spätestens seit das LG Hildesheim mit Urteil vom 10.2.2004 in einem entsprechend angelegten Fall zwei Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu beträchtlichen Freiheitsstrafen verurteilt hat (die Angeklagten hätten »ein nicht vorhandenes Kommunikations-anliegen vorgespiegelt und dadurch einen entsprechenden Irrtum bei den Geschädigten erregt«), wähnte sich der deutsche Beobachter der Szene hinsichtlich der Strafbarkeit des massenhaften »Anpingens« im rechtssicheren Bereich. (...)
Widerstand gegen diese Auffassung regt sich ausgerechnet von Seiten einiger Strafverfolger. Das erstaunt, denn Staatsanwälte, die sich für Entkriminalisierung stark machen, sind bisher eher selten aufgefallen.
Das muß man ausrucken, einrahmen und den Herren in Hannover auf den Schreibtisch stellen!
Mit einem Wort:
endsgeil, Frau O.!
Die Begründung, die sich dem Einstellungsbescheid entnehmen lässt, ist denkbar schlicht und gleichwohl verblüffend: Die Rückrufer verdienten den Schutz des Strafrechts nicht. (...) also: Selber schuld.
Man reibt sich die Augen, hat die beklemmende Vision, dass sich die (aus dem Zivilrecht importierte) Risikosphärentheorie im Betrugs-
strafrecht ausbreiten, vielleicht sogar weitere Deliktstypen erfassen könnte: Der Vergewaltiger, der auf den Minirock eines sorglosen
Früchtchens reingefallen ist? Die Bestohlene, die ihre Handtasche nicht fest genug umklammert hatte?
Die Hannoveraner Staatsanwälte waren anderer Meinung. Ungeachtet des Hildesheimer Urteils, der BGH-Rechtsprechung und der politischen, bisher freilich eher halbherzigen Signale vertraten sie höchst selbstsicher die Auffassung, dass eine Täuschung durch Anpingen nicht gegeben sei, Betrug deshalb ausscheide.
Sorgen, dass ihre Entscheidung keinen Bestand haben könnte, brauchten sie sich nicht (lange) zu machen. Zwar wurde der Einstellungsbescheid aus Hannover mit sofortiger Beschwerde angegriffen, doch diese wurde schon am 24.8.2009 durch die Generalstaatsanwaltschaft Celle zurückgewiesen: »Ich teile die Ansicht der Staatsanwaltschaft [Hannover], dass allein das einmalige Anklingeln unter Hinterlegung einer Rufnummer keine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist.«
Begründet wird diese Einschätzung kurz, knapp und die Sichtweise des Anpingers feinfühlig aufnehmend: Ein ernsthaftes Kommunikationsbedürfnis bestehe nicht, wenn man das Telefon nur einmal klingeln lasse. Wer wirklich telefonieren wolle, »würde seinen Anruf … innerhalb kurzer Zeit wiederholen.«
Vielleicht war es der Generalstaatsanwaltschaft ob ihrer knappen Begründung doch etwas bange. Denn es folgt eine überraschende Ergänzung, die allerdings den Leser irritiert zurücklässt: »Im übrigen dürften die gängigen Mehrwertnummern mittlerweile allgemein bekannt sein. Wenn der Beschuldigte eine solche Nummer [im konkreten Fall das Präfix 0137] als Rückrufnummer angibt, täuscht er nicht.« Das sitzt. Wer also die »gängigen Mehrwertnummern« nicht kennt (nicht nur die Autorin dieser Zeilen muss sich leider dieser Hinterwäldlergruppe zurechnen, sondern auch ihre nicht-repräsentative Umfrage im Bekanntenkreis hat diesbezüglich ein absolut deprimierendes Ergebnis gezeitigt), wer also nicht weiß, dass hinter dem entgangenen Anruf 0049137xxx.... kein »ernsthaftes Kommunikationsbedürfnis« (sic!) steht, der soll gefälligst seine Telefonrechnung bezahlen und nicht die Strafverfolgungsbehörden behelligen.
Die Erläuterung der Celler Behörde, aus dem einmaligen Klingeln sei ein ernsthaftes Kommunikationsverlangen nicht
abzuleiten, weil dieses voraussetzen würde, dass der Anrufer das Telefon mehr als einmal klingeln ließe, klingt wie das, was Staatsanwälte in der Regel gern ihrer Klientel unterstellen: wie eine unglaubwürdige Schutzbehauptung.
Meine Worte. Aber ich bin kein Jurist - und das hier ist eine Professorin für Jura!
Aber wovor, um Himmels willen, wollen sich die Staatsanwälte schützen? Sie sagen es uns nicht. Jedoch bekommt man eine Ahnung, wenn man etwa den Sprecher der Augsburger Staatsanwaltschaft im einschlägigen Zusammenhang klagen hört: »Den Nachweis, dass diese Anrufe Methode haben, kann man nur führen, wenn man wirklich viele Fälle hat und diese zusammenführt«, denn (nur) dann sei klar, »dass jemand diese Lockanrufe in großem Stil betreibt, um Geld abzuzocken.«
Wovon der Augsburger spricht, ist klar: Kärrnerarbeit! Hunderttausende von Einzelfällen bei kleinsten Einzelschäden. Das mag für den
einen Ansporn sein, für den anderen ist es Belästigung. Und grenzenlose Frustration, wennman – nach jahrelanger Ermittlungsarbeit – auf
ein Gericht trifft, das die These vertritt, beim PING-Anruf handle es sich um einen »bedeutungslosen Vorgang« ohne rechtliche Relevanz.
Genau dies ist kürzlich der Staatsanwaltschaft Osnabrück passiert. (...)
Die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vermochte im Verhalten der Akteure nichts Strafbares zu erkennen. Mit Be-
schluss vom 26.5.2010 hat sie die Eröffnung des Hauptverfahrens »aus tatsächlichen Gründen« abgelehnt. (...)
[OLG hebt das auf...]
Ende gut, alles gut? Aus der Sicht der Staatsanwaltschaft Osnabrück, der Staatskasse (sie hatte bis dahin die Verfahrenskosten ein-
schließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen), aber vor allem auch der gelinkten Verbraucher sicher ein erfreulicher
Etappensieg. Wie das Landgericht im neuen Anlauf entscheidet, ist zwar keineswegs ausgemacht, aber die Subsumtion unter das Täu-
schungsmerkmal (unter korrekter Berufung auf Rechtsprechung und Lehre) wurde von den Oldenburger Richtern wieder vom Kopf auf die
Füße gestellt. Auch aus Celle gibt es gute Nachrichten. Auf mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden hin (und wohl auch auf einen Wink aus dem niedersächsischen Justizministerium) hat die Generalstaatsanwaltschaft im April 2010 sowohl die Entscheidung der StA Hannover als auch die eigene Entscheidung aufgehoben.
Die Sache wird wieder aufgerollt, sodass man sich auf neue Erkenntnisse der gleichen Behörden freuen darf.
Ok, Goofy könnte das auch so gut formulieren, aber Leute,
das ist eine Top-Juristin, Professorin der Goethe-Uni!
ich bin entzückt!
Frau O, Ihr Beitrag macht mich richtig glücklich.
PS: Frau O war einst auch an der LMU München tätig. Ich nehme durchaus an, dass es den
"Münchner Persilschein" nie gegeben hätte, wenn an der Münchner LMU mehr Geister ihres Schlags herumspringen würden und nicht Leute wie Prof. **** (mit ihrem Einfluß auf das, was die dortige StA zu denken wagt - oder eben nicht..........)
Die Münchner wissen, was (und
wen!) ich meine... Und Fragen dazu könnt ihr vergessen. Die "Entstehungsgeschichte" des "Münchner Persilscheins" wird nie an die Öffentlichkeit kommen............ :stumm:
was ich meine, spricht sie an:
Gemach, gemach, ruft der BGH (in ständiger Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der noch h.M.): »Selbst leichtfertige Opfer werden durch das Strafrecht geschützt«.
Wie lange diese Beruhigung noch trägt, ist allerdings fraglich. Denn immerhin gibt es gerade im Zusammenhang mit dem
Betrugstatbestand eine gewichtige Mindermeinung, die mit ihrem viktimologisch (also kriminologisch) orientierten Ansatz die Dogma-
tik des Betrugs neu aufrollt: Von einer Täuschung i.S.v. § 263 StGB sei wegen verminderter Schutzbedürftigkeit des Opfers dann nicht
auszugehen, wenn das (nur im untechnischen Sinne getäuschte) Opfer zwar gewisse Zweifel entwickelt, ihnen aber nicht nachgeht, son-
dern dennoch die Vermögensverfügung vornimmt.
Auch hier also letztlich: Selber schuld.
Ich zitiere nochmals, dieses Mal aus der "Signatur"
"Nicht der Gegenstand ... entscheidet über die Substanz, sondern das Bewusstsein, mit dem er auf das Ziel der Gerechtigkeit bezogen wird. Dieses Bewusstsein macht die Qualität richterlichen Handelns aus, wo immer es stattfindet."
Daran - unter anderem - werden die Richter des LGO zu messen sein. Und bald evtl. auch mal wieder Münchner Staatsanwälte und Richter. Mehr dazu im Laufe der nächsten Woche.
Bleiben Sie dran!